Mit Gottes Brille sieht man besser – 19. Sonntag im Jahreskreis B

Lesung aus dem ersten Buch der Könige, Kapitel 19
4 Elija ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter.
5 Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein. Doch ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!
6 Als er um sich blickte, sah er neben seinem Kopf Brot, das in glühender Asche gebacken war, und einen Krug mit Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder hin.
7 Doch der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal, rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich.
8 Da stand er auf, aß und trank und wanderte, durch diese Speise gestärkt, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb.

Autorin:
M. Rings-Kleer Marita Rings – Kleer, Gemeindereferentin in der Gemeinde St. Josef, Saarbrücken, Bistum Trier

  
Die Predigt:
Mit Gottes Brille sieht man besser

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist wieder Olympia – Zeit. Nach der Fußball – Europameisterschaft und der Tour de France das dritte sportliche Großereignis dieses Jahres.
Wer die Ereignisse eines Jahres insgesamt verfolgt, der könnte meinen, ein Event jagt das andere, frei nach dem olympischen Motto: größer, lauter, besser!
Und je mehr von den „großen“ Ereignissen sich aneinander reihen, desto mehr hat man/frau den Eindruck: es zählt nur noch das Große, das ganz Große.
Nur noch der Super – Star, das Top – Model, der Super – Sportler, die Best – Form zählen, und die Zahl der Bewerber für die großen Events zeigt: ganz, ganz viele wollen da mit dabei sein.
Niemand gibt sich mehr mit „klein“ zufrieden.
Und wehe, wer dann nicht ganz vorne dabei ist, von Enttäuschung und Blamage ist die Rede, Tränen und Wutausbrüche sind die Folge.
Wer hoch gesprungen ist, will auch oben ankommen und möglichst oben bleiben, so sieht dann das ganz große Glück aus.

In der Lesung des heutigen Sonntags ist von einem Mann die Rede, der beim Gottesurteil am Karmel der ganz große Held war. Gegen 850 Propheten des Baal war er angetreten, er ganz allein mit seinem Gott. Und er hatte es geschafft: ein Riesen – Event, bei dem sich sein Gott, der Gott Israels, als der Einzige und Mächtigste präsentierte.
Wow, kann man/frau da auch heute nur sagen.
Ganz große Gotteserfahrung!
Und dann?
Elija, der Prophet Gottes, der im Mittelpunkt dieses Großereignis als strahlender Sieger stand, stürzt ab. Heute noch als gefeierter Held ganz oben, am nächsten Tag ein Verfolgter, den die Königin töten will.

Und ich? Geht es mir in meinem kleinen Alltag nicht auch oft so, wie den Stars und Sternchen oder wie Elija?
Habe ich nicht auch immer mal wieder ein Ziel vor Augen für mich selbst, vielleicht ein großes Ziel, und was ist dann, wenn ich es erreicht habe, Erfolg hatte, siegreich war?

Gerade jetzt in der Urlaubszeit erfüllen sich viele Menschen den Wunsch nach dem „Besonderen“.
Einen Gipfel ersteigen, den man/frau schon lange im Visier hat. An den Strand reisen, von dem man/frau schon so lange geträumt hat, auf den hin gespart wurde. Endlich Karten für das begehrte Konzert.
So vieles gibt es, auf das auch wir normale Menschen hin – arbeiten, hin – trainieren, hin – fiebern und wenn wir dann das Ziel erreicht haben, dann dauert der Genuss des Erfolges oft nur kurz, vielleicht sogar nur Minuten oder Stunden. Der Augenblick, in dem wir das Ziel erreichen, ist ein großer Augenblick, tief berührend und zutiefst von Glück erfüllt, doch wie schnell ist er auch schon wieder vorbei?

Ein glaubender Mensch fühlt sich, ähnlich wie Elija, in solchen Glücks- und Erfolgsmomenten Gott ganz nahe. Es fällt leicht, Gott in solchen Momenten wahrzunehmen, ähnlich wie Fußballspieler sich nach dem entscheidenden Siegtor gerne bekreuzigen und so zum Ausdruck bringen: Ich danke Gott, dass er sich jetzt so mächtig gezeigt hat.
Wenn es aber dann vorbei ist, geht es uns dann wie Elija?
Der sitzt unter dem Ginsterstrauch, am Boden zerstört und er will nicht mehr. Der Rausch des Glücks ist verflogen und mit ihm auch die Gegenwart Gottes.
So weit der Sieg weg ist, obwohl eben erst gewesen, so weit ist Gott nun weg.

Doch ist es tatsächlich so, ist Gott wirklich weg?
In solchen Situationen, die wir ja im Leben ganz oft erfahren, scheint es mir, als ob wir eine falsche Brille tragen, wenn es um die Gegenwart Gottes in unserem Leben geht.
Die, die wir tragen ist die menschliche Brille. Wir messen Gott mit unseren Maßstäben. Wir wollen seine Gegenwart in unserem Leben gleichsetzen mit dem, was wir darunter verstehen: Erfolg, Macht und Glück.
Da, wo diese menschlichen Attribute vorhanden sind, da hat eine starke, positive Macht ihre Hand im Spiel, eben Gott.
Aber da, wo es Probleme, Misserfolge, Not, Unglück gibt, da ist niemand mehr, der uns beisteht, erst recht kein Gott, den wir doch so gerne als den Allmächtigen sehen.
Doch Gott sieht uns und unser Leben durch eine andere Brille. Und diese göttliche Brille setzt er Elija, und damit allen nachfolgenden Generationen bis zu uns heute, auf die Nase.

Durch seine Brille sollen wir besser, genauer und tiefer sehen lernen. Und den Weg zu einer besser „Sehschärfe“ macht er uns an Elija exemplarisch deutlich:
Zunächst sieht er den abgestürzten Elija dort unter dem Ginsterstrauch sitzen. Kein Mitleid oder eine kleine Streicheleinheit von Seiten Gottes. Nein, sondern gleich der nächste Auftrag.
Mach dich auf den Weg!
Es fällt Elija schwer, sich wieder aufzurappeln, der Engel muss ihn zweimal rütteln, bis er aufsteht und weitergeht.
Und auch der Weg ist lang, vierzig Tage, da hat er viel Zeit zum Nachdenken, aber vor allem hat er etwas zu tun, er muss gehen.
Erst dann, als er sich auf diese Weise wieder gefangen und beruhigt hat, als er den Kopf wieder halbwegs klar hat, da spricht Gott ihn an.
Elija lässt sich ansprechen, soweit ist er schon wieder, aber in seinem Kopf sind noch die alten Muster.
Doch Gott ist geduldig, Schritt für Schritt lehrt er Elija, dass er, Gott, schon mal in den großen Zeichen ist, aber eigentlich ist er ein Gott, der im Kleinen zu uns kommt, bei uns ist und uns glücklich macht.

Auch wenn wir im Urlaub und in der Ferienzeit oben auf den Gipfeln unserer Sehnsüchte und Wünsche sind, bald ist das vorbei und der Alltag mit seinem Klein – Klein stellt sich wieder ein.
Dann ist es jeden Tag nicht die große Show, sondern das Kleine, was deutlich macht: trotz allem und in allem ist Gott an meiner Seite:
Die Kollegin, die sich freut, dass ich aus dem Urlaub wieder da bin, der Partner, der mich anlächelt, das Kind, das meine Streicheleinheit genießt, der Nachbar, der zum Schwatzen stehen bleibt, die Verkäuferin, die mir das vergessene Brot hinterher bringt.

Gott ist manchmal im Großen da, aber viel, viel öfter in meinem alltäglichen Kleinkram, ganz besonders dann, wenn ich nach dem großen Glück mal wieder unsanft in meiner Routine und meinen Problemen gelandet bin.
Dschalal ad-Din ar-Rumi, ein isalmischer Mystiker (1207-1273)
beschreibt das so:

Ich suchte Gott und fand ihn nicht.
Ich schrie zu ihm hinauf und bettelte um Licht.
Ich wandte weinend mich mit nassem Blick.
Da rührte es leise meine Schulter: Ich bin hier!
Und Gott ging mit mir in mein Haus zurück.

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