Die Kraft der Gemeinschaft – 18. Sonntag im Jahreskreis B

Erste Lesung aus dem Buch Exodus, Kapitel 16
2 Die ganze Gemeinde der Israeliten murrte in der Wüste gegen Mose und Aaron.
3 Die Israeliten sagten zu ihnen: Wären wir doch in Ägypten durch die Hand des Herrn gestorben, als wir an den Fleischtöpfen saßen und Brot genug zu essen hatten. Ihr habt uns nur deshalb in diese Wüste geführt, um alle, die hier versammelt sind, an Hunger sterben zu lassen.
4 Da sprach der Herr zu Mose: Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen. Das Volk soll hinausgehen, um seinen täglichen Bedarf zu sammeln. Ich will es prüfen, ob es nach meiner Weisung lebt oder nicht.
12 Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sag ihnen: Am Abend werdet ihr Fleisch zu essen haben, am Morgen werdet ihr satt sein von Brot und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr, euer Gott, bin.
13 Am Abend kamen die Wachteln und bedeckten das Lager. Am Morgen lag eine Schicht von Tau rings um das Lager.
14 Als sich die Tauschicht gehoben hatte, lag auf dem Wüstenboden etwas Feines, Knuspriges, fein wie Reif, auf der Erde.
15 Als das die Israeliten sahen, sagten sie zueinander: Was ist das? Denn sie wussten nicht, was es war. Da sagte Mose zu ihnen: Das ist das Brot, das der Herr euch zu essen gibt.

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 6
24 In jener Zeit als die Leute sahen, dass weder Jesus noch seine Jünger – und Jüngerinnen – dort waren, stiegen sie in die Boote, fuhren nach Kafarnaum und suchten Jesus.
25 Als sie ihn am anderen Ufer des Sees fanden, fragten sie ihn: Rabbi, wann bist du hierher gekommen?
26 Jesus antwortete ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid.
27 Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird. Denn ihn hat Gott, der Vater, mit seinem Siegel beglaubigt.
28 Da fragten sie ihn: Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen?
29 Jesus antwortete ihnen: Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.
30 Sie entgegneten ihm: Welches Zeichen tust du, damit wir es sehen und dir glauben? Was tust du?
31 Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.
32 Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.
33 Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben.
34 Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot!
35 Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.

Autorin:
scale-210-210-12_25508028_2Maria Sinz, Gemeindereferentin, Aalen, stellvertretende geistliche Leiterin der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung)

 
Die Predigt:
Die Kraft der Gemeinschaft

Liebe Leserin, lieber Leser,  
von welchem Brot ist die Rede? Hier im Exodus Text steht ein konkretes Bild im Vordergrund: eine Menge Menschen muss ernährt werden beim Marsch durch die Wüste.
Sie leben von der Hand in den Mund, sammeln den täglichen Bedarf. Es geht ums Überleben in der Freiheit.

Diese Erinnerung lebt in den Menschen, die Jesus suchen, ihm in Booten nachfahren. Sie haben erlebt, wie Tausende geteilt hatten. Nun suchen sie den, der das Dankgebet gesprochen hat. Mehr hat Jesus nicht getan. Die sich auf den Weg machten, suchen eine Ursache? Einen Verantwortlichen? Einen Macher? Unbelievable – dass Menschen nur durch einen Anstupser, ein schlichtes Dankgebet, zu ihrer eigenen Kraft und Würde finden.

Wer ist dieser Mann? Als sie ihn schließlich finden, ist der Vorwurf nicht zu überhören, das „Wann…“ klingt eher nach „was machst du hier… wo bist du…?“
Vielleicht sind diese Zeitzeugen des „Brotwunders“ über sich selber, über ihre eigene einfache Kraft erschrocken? Über die schlichte Tatsache, dass es funktioniert: wenn wir teilen, reicht es für alle. Oder sie waren berührt, von der ganz anderen Lebensqualität, die dieses Miteinander im Moment des Teilens aufscheinen ließ?

Zunächst lässt Johannes, der Autor, Jesus ausweichen auf unverfängliches Terrain: das ewige Leben. Die Menschen aber bleiben konkret: was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? Sie scheinen voller Eifer, begeistert, aufgekratzt noch von der Erfahrung mit der Menschenmenge und Jesus. Jetzt wollen sie’s wissen. Die Erfahrung des Brot Teilens scheint ihnen zu Kopfe gestiegen zu sein. Wiederum sehr menschlich: nach Erfahrungen des Gelingens, neigen wir einen Moment dazu zu verkennen, dass wir zwar unser Mögliches, vielleicht unser Bestes, gegeben haben, das Gelingen aber im Zusammenwirken von Faktoren lag, die wir nicht in der Hand haben. Manche nennen dies Gnade.

Das weitere Hin und Her von Frage und Antwort gleicht einem gegenseitigen Abtasten. Die Fragenden tragen die Tora, auch die Erzählung der Wüstenwanderung in sich. Sie wissen genau, dass das Brot, Sinnbild für das Lebensnotwendige, von Gott kommt. Und Jesus antwortet „richtig“. Nicht Mose gab das Brot, sondern Gott.

Das Brot, das Gott gibt, …gibt der Welt das Leben. Bei diesem Satz wird mir das Herz weit. Johannes konstruiert keinen Gegensatz zwischen Himmel und Erde, vielmehr geht es um inniges Verbundensein. Gott war in dem gemeinsam erlebten, schlichten Brot Teilen anwesend.

Wir können die Anwesenheit Gottes auch heute ablesen, in den Momenten, die uns zum Teilen drängen. Das kann Erzählen sein, zu später Stunde etwas Essbares mit dem Gast teilen, ein Saft beim Besuch, ein Kaugummi unter Kindern, ein Blick, ein wortloses Verstehen… Soweit können es die meisten von uns nachvollziehen. Wollen wir darüber hinaus Kirche sein, müssen wir uns bewusst werden, dass Gott in und durch unsere Gemeinschaft in der Welt erfahrbar sein will. Durch unsere Lebensweise, wie sonst? Unsere innere Verbundenheit mit Gott braucht einen konkreten Ausdruck in der Welt. Gottes Anwesenheit kann auch erfahrbar werden im Einkommen Teilen. Oder Gewinn Teilen. Oder Ressourcen Teilen.

Gleich wie wir es nennen. Wir können niemals ernsthaft von Gottes Brot sprechen, wenn wir dabei vergessen, wie Menschen ihr täglich Brot verdienen. Und wie verschieden die Bedingungen sind, unter denen sie es tun. Mein Kollege beantwortet die Frage nach Brot vom Himmel ziemlich unbequem: ob gerecht oder ungerecht, von unserer Entgeltgruppe kann man – gut – leben. Leider gibt es auch in der Kirche wieder eine so niedere Entgeltgruppe, von der man bei uns definitiv nicht leben kann. Mein Kollege setzt sich zuerst für die Arbeitnehmer/innen in dieser Entgeltgruppe ein, bevor er bereit ist, für unsere Gruppeninteressen zu streiten. Oswald von Nell Breuning, auf den wir uns in der KAB gerne beziehen, drückte es so aus: „es gibt keine Gemeinschaft und es kann keine geben, in der das Solidaritätsprinzip nicht gilt.“

Auf die Frage: was tust du – damit wir dir glauben können – ? Antwortet Jesus schließlich mit: ich bin… Ich bin das Brot des Lebens. Ich bin dieses Brot, das Gott vom Himmel gibt. Die Suchenden kommen an. Welch grenzenlose Erleichterung muss sich da Raum verschafft haben. Sie sind keinem Trugschluss aufgesessen, keiner Zauberei, keiner Fata Morgana, keinem Scharlatan. Jesus kommt von Jahwe. Der Vater und Sohn sind eins. Sie sehen den Bund mit Mose bestätigt, erneuert, bekräftigt. Jesus sagt er sei dieses Brot vom Himmel, von Gott. In Jesus bekräftigt Jahwe : ich gehe mit euch durch die Zeit.

Genau so geht sie auch mit uns durch die Zeit. Durch unsere Zeit der prekären Beschäftigung, des Leistungsdrucks, der Zeitnot, der Ausgrenzung, der Armut im Reichtum. In der Begleitung Gottes erfahren wir, dass der Kapitalismus mit seiner gnadenlosen Entwertung menschlicher Arbeit nicht das letzte Wort ist. Gott ist mit uns und lässt uns Momente der Hoffnung erleben. Momente der Erinnerung, dass wir mehr sind und zu menschenwürdigem Teilen fähig sind. In jeder Eucharistie bekräftigt Gott diese Zusage – und wir sagen: ja, so ist es. Wir müssen gar nicht so viel tun, es reicht, wenn wir das Solidaritätsprinzip verkörpern. Im Wohlfahrtsbereich gibt es die Hoffnung, dass die Kirchen durch tarifvertragliche Regelungen allgemeinverbindliche Standards setzen und damit der Abwärtsspirale, der Entwertung sozialer Arbeit ein Stopp entgegen setzen wird. Ein weiter Weg. Aber möglich. Damit gäben sie Orientierung in einer sich spaltenden Gesellschaft. Hoffnung für die Männer und Frauen, die über nichts anderes als ihre Arbeitskraft verfügen und somit in großen Abhängigkeiten stehen.

Jesus sagt: ich bin das Brot des Lebens. Er verkörpert das Brot, das der Welt Leben gibt. An seinem Leben, von dem die Evangelien berichten, können wir ablesen , was wir tun sollen, damit Gott heute erfahrbar wird. Amen.

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