Seht das Lamm Gottes – 1. Fastensonntag B

Erste Lesung aus dem Buch Genesis, Kap 9
8 Dann sprach Gott zu Noach und seinen Söhnen, die bei ihm waren:
9 Hiermit schließe ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen
10 und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind.
11 Ich habe meinen Bund mit euch geschlossen: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben.
12 Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen:
13 Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde.
14 Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken,
15 dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewesen, allen Wesen aus Fleisch, und das Wasser wird nie wieder zur Flut werden, die alle Wesen aus Fleisch vernichtet.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kap 1
12 In jener Zeit trieb der Geist Jesus in die Wüste.
13 Dort blieb Jesus vierzig Tage lang und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm.
14 Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes
15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

Autorin:
Walburga_2009
Walburga Rüttenauer – Rest,
Bensberg, verheiratet, drei Kinder
Grundschullehrerin, nach der Pensionierung Ausbildungskurs zum
Diakonat der Frau, diakonische und liturgische Aufgaben in der Pfarreigemeinde, Geistliche Begleiterin der KFD im Dekanat Bergisch Gladbach

 
Die Predigt:
Seht das Lamm Gottes

Liebe Leserin,lieber Leser,
An diesem Sonntag begegnen wir einer alttestamentlichen Lesung, die wir zu kennen glauben und doch werden sich manche erstaunt fragen, warum sie ihnen irgendwie fremd vorkommt. So jedenfalls erging es mir.
Diese Lesung begegnet uns nur jedes dritte Jahr und zwar immer am ersten Fastensonntag zu Beginn der Fastenzeit, in der wir uns vorbereiten auf die Passion Jesu Christi.
Gott schließt einen Bund mit seiner Schöpfung auf der Erde. Er stellt keine Bedingungen auf. Er schenkt seiner Schöpfung das Versprechen des Lebens unterschiedslos allem Lebendigen.
Dieser Bund ist ihm so wichtig, dass er ihn dreimal wiederholt, so als ob er fürchtet, wir würden den Bund vergessen.
Im Unterschied zu den übrigen Bundesschlüssen wird dieser Bund nicht mit den Menschen allein sondern mit allen Lebewesen geschlossen, zu denen natürlich auch die Menschen gehören. Aber sie nicht allein. Der Mensch ist zwar aus unserer Sicht das wichtigste Geschöpf, aber er wird von Gott in die Gemeinschaft mit allen Lebewesen auf der Erde eingefügt.
Mein ältester Sohn und seine Frau, beide Tierärzte, haben dieses Evangelium als besonderen Auftrag ihres Berufes empfunden, als Verpflichtung das Leid der Tiere zu mindern, wenn immer es in ihren Möglichkeiten steht. Sie begegnen den Tieren mit Achtung und Liebe.
Im Garten Eden hatte Gott dem Menschen die Tiere einzeln vorgestellt, damit der Mensch ihnen einen Namen gäbe und so Verantwortung für sie übernähme.
Doch die Menschen haben nach dem Sündenfall diese Art des Zusammenlebens aufgegeben und sehen in den Lebewesen nicht mehr die Geschöpfe Gottes sondern allein Objekte ihrer Herrschaft und ihrer Begierden.

Werfen wir an dieser Stelle einen Blick auf das Evangelium dieses Sonntags.
Jesus wird vom Geist in die Wüste getrieben.
Er geht nicht aus eigenem Entschluss dorthin, er wird vom Geist Gottes in die Wüste getrieben. Dort wird er vom Teufel in Versuchung geführt.
Über die Art der Versuchungen spricht Markus nicht, auch nicht wie Jesus mit den Versuchungen fertig wird.
Ohne Übergang fügt der Evangelist an:
Er – Jesus – lebte bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.“
Und damit wird uns klar: Jesus hat diese Versuchungen überstanden, denn er kann nun bei den wilden Tieren leben und sich von Engeln bedienen lassen.
Warum werden die wilden Tiere hier erwähnt?
Die meisten Menschen können nicht mit wilden Tieren leben. Selbst Dompteure im Zirkus leben selten wirklich mit den wilden Tieren, auch wenn sie sich ihnen nähern können.
Miteinander leben setzt Vertrautheit, Furchtlosigkeit und Liebe voraus, Begegnung auf Augenhöhe.

Als ich versuchte, mir diese Gemeinschaft Jesu mit den Engeln und den wilden Tieren vorzustellen, tauchte vor meinen inneren Augen eine Engeldarstellung auf mit vier Flügeln und drei Köpfen, drei Tierköpfen und einem Menschenkopf.
Bei der Suche nach Darstellungen von Engeln mit vier Flügeln und drei Tierköpfen stieß ich auf ein Bild aus der Buchmalerei, von einem Cherub (16.Jahrhundert).


Diese Darstellung nimmt Bezug auf eine innere Schau des Propheten Ezechiel im ersten Kapitel, in der dieser eine Gotteserfahrung macht.
Cherubim werden in der Bibel immer dann erwähnt, wenn Gott naht.
Die drei Tiere, die bei Ezechiel genannt und auf dem Bild zusehen sind, sind wilde Tiere: Adler, Stier und Löwe.
„Wild“ bedeutet hier, – so glaube ich – ursprünglich. Diese Tiere sind so, wie sie von Gott gewollt sind, nicht vom Menschen überzüchtet, nicht manipuliert, nicht gezähmt, nicht gemästet sondern frei von allen Plänen und Absichten des Menschen.
Sie haben sich etwas bewahrt von dem paradiesischen Einklang mit Gott, denn für sie gab es keinen Baum der Erkenntnis und so auch keinen Sündenfall.
Hier in Europa gibt es diese wilden Tiere kaum noch, weil der Mensch ihren Lebensraum zerstört hat und sie so instrumentalisiert, dass man kaum noch von einer Gemeinschaft zwischen Mensch und Tier sprechen kann.
So verliert die Erde immer mehr an Gottes Nähe und der Mensch immer mehr seine Gottesebenbildlichkeit.

Mit den wilden Tieren leben, wie es in diesem Evangelium heißt, beschreibt für mich ein unzerstörtes, ungestörtes Leben mit Gott und seiner Schöpfung, mit allem Lebendigem.
So ein paradiesisches Leben gab es für den Menschen vor dem Sündenfall, wo sein kindliches Verhältnis zu seinem Schöpfer und seiner Schöpfung noch heil, ungebrochen war. In dieser Umgebung sind Engel als Ausdruck für göttliche Nähe fast selbstverständlich. So ist es auch nicht erstaunlich, dass Engel mit Merkmalen von Tieren erfahren werden.
Solch ein Cherub wurde nach dem Sündenfall von Adam und Eva vor den Eingang zum Paradies gestellt, um den Menschen die Rückkehr zu verwehren. (Gen 3, 24)
Seither haben wir ein gestörtes Verhältnis zur Schöpfung, vor allem auch zu den Tieren.

Jesu Auftrag war es, den Menschen das Paradies wieder zu öffnen, den Ort, wo sie im Einklang mit sich und der Schöpfung in Gottes Gegenwart gelebt hatten.
„Seht das Lamm Gottes“ sagt Johannes im ersten Kapitel des Johannesevangeliums als er Jesus sieht.
Auch wenn hier Johannes auf die Opfertheologie der Juden anspielt, so weist das Lamm gleichzeitig auf die vielen unerlösten Handlungen der Menschen hin, die aus dem Sündenfall resultieren und in ihrer Weiterentwicklung unsägliches Leid in die Schöpfung gebracht haben.
Das Leid und Elend, das die Tiere immer mehr von den Menschen erdulden müssen, stellt sie in die Nähe all der Passionen, die auf Erden besonders Kindern zugefügt werden.
Wenn es zum Schluss des heutigen Evangeliums dann heißt: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, erinnert mich das an ein Textstelle bei Jesaja:

Dann wohnt der Wolf beim Lamm, /
der Panther liegt beim Böcklein.
Kalb und Löwe weiden zusammen.
Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, /
das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange.
Man tut nichts Böses mehr /
und begeht kein Verbrechen.
Jes 11,6;8-9

Vielleicht war es diese Vision, die Jesus aus seiner Wüstenerfahrung, als er bei den wilden Tieren lebte, mitnahm.
Erfüllt von diesem Erlebnis verkündete er dann die Botschaft vom Reich Gottes.

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Eine Antwort auf Seht das Lamm Gottes – 1. Fastensonntag B

  1. M sagt:

    Mir gefällt die Predigt gut. Bbiblische Texte, die wir auf unsere Beziehung zu den Tieren und der Natur hin lesen können, sind kostbare Schätze in einer ganzheitlichen Sicht des Lebens. Danke dafür.

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