Steht auf für Gerechtigkeit – Weltgebetstag der Frauen am 2. März 2012

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kap 18
1 Jesus sagte seinen Jüngern und Jüngerinnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
2 In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
3 In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind!
4 Lange wollte er nichts davon wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht;
5 trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
6 Und der Herr fügte hinzu: Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt.
7 Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern?
8 Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?

Autorin:
Utta Hahn (2)
Utta Hahn,
Gemeindereferentin,
Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Steht auf für Gerechtigkeit

Liebe Leserin, lieber Leser,
Dies ist das Leitwort für den diesjährigen Weltgebetstag der Frauen, der immer am ersten Freitag im März von Frauen in aller Welt gefeiert und gemeinsam gebetet wird, und der Text aus dem Lukasevangelium, den die Frauen aus Malaysia für die Liturgie ausgewählt haben soll auch für diese Predigt im Mittelpunkt stehen.

Malaysia ist eigentlich ein modernes „Multi-Kulti“-Land. Durch Kolonialzeiten und durch Einwanderungswellen entstand ein Land in dem viele Ethnien zu Hause sind. ChinesInnen (23%), InderInnen (ca.7%), die MalaiInnen selbst (54%), indigene Völker (11%) und noch Menschen verschiedener anderer ethnischer Herkunft. Der Islam ist mit 60% die am stärksten vertretene Religion, aber es gibt auch Menschen, die sich zum Christentum, zum Buddhismus, zum Hinduismus, zum Konfuzianismus oder zu anderen animistischen Religionen bekennen.

Für Asien typisch war über lange Zeit ein sehr offener und toleranter Islam, und Malaysia ein Land, das die Religionsfreiheit ausdrücklich garantiert. Der Einfluss eines arabisch und eher konservativ geprägten Islam stieg jedoch in den letzten Jahrzehnten und ist auch gerade für das friedliche Miteinander der Religionen eine echte Herausforderung.

Die Gesellschaft insgesamt ist eher traditionell geprägt und auch die Zuschreibung der Geschlechterrollen ist sehr stark: Der Frau ist der Bereich Familie und Haus zugeordnet, dem Mann die Rolle des Versorgers.

Nun haben christliche Frauen Malaysias einen Bibeltext ausgewählt, der das Ringen und Suchen nach Gerechtigkeit zum Thema hat und das sicher auch deshalb, weil die Erfahrung, die der Text wiedergibt, durchaus modern und aktuell in ihrem Land gemacht werden kann.
Frauen, die vor islamischen Gerichten in Familienangelegenheiten stehen oder um ihr Recht kämpfen haben es oft ungleich schwerer als Männer, fair und gerecht behandelt zu werden. Es gibt dort fast nur männliche Richter, und nicht wenige nutzen ihre Position, um die Macht der Männer zu erhalten und zu bestärken. Dazu kommt die Möglichkeit von menschenunwürdigen Strafen wie Stockschläge oder Auspeitschen.

Und nun dieser Text aus dem Lukasevangelium:
Eine Frau bittet, ja kämpft um ihr Recht und wird einfach nicht beachtet und abgewiesen.

Halten Sie kurz inne, bevor sie weiterlesen und überlegen Sie, ob Ihnen dazu auch Beispiele einfallen.
Wo werden Frauen um ihr Recht gebracht?
Wo stehen sie scheinbar ohnmächtig vor dem Establishment?

Doch die Frau bei Lukas kommt ans Ziel.
Sie hat Ausdauer, Mut und Vertrauen.
Sie schöpft Kraft aus Quellen, die sie sicher macht in ihrem Tun, ihre Ausdauer bestärken, ihren Mut bekräftigen und ihr Vertrauen erhalten.
Sie glaubt und sie weiß um die Tradition ihrer Religion.

Die biblische Frau konnte sich auf die Gerechtigkeit Gottes berufen, der auch die Richter unterworfen waren. Auch wenn die Richter meist Männer waren, auch wenn die Gesetze meist von Männern gedeutet wurden und die Interessen von Männern den Richtern vielleicht näher standen oder sympathischer waren als die der Frauen.
Auch wenn Männer einander „unter die Arme greifen“ konnten, wenn Geld eine Rolle spielte, wie das Recht ausgelegt wird.
Doch weil sie ihren Gott kannte, weil sie die Thora kannte, wusste sie, wie es eigentlich sein sollte:
Seht zu, was ihr tut; denn nicht im Auftrag von Menschen haltet ihr Gericht, sondern im Auftrag des Herrn. Er steht euch in der Rechtsprechung zur Seite. Lasst euch also von der Furcht des Herrn leiten und handelt gewissenhaft; denn beim Herrn, unserem Gott, gibt es keine Ungerechtigkeit, kein Ansehen der Person, keine Bestechlichkeit.
So lesen wir im 2. Buch der Chronik des Volkes Israel 19,6-7
Und die Frau wusste Gott auf ihrer Seite, und das gab ihr die Ausdauer, den Mut und das Vertrauen, die sie schließlich zum Erfolg führten.

Dabei wird der Richter so extrem dargestellt, dass er schließlich um sein gesellschaftliches Ansehen fürchtet – also den privaten Absturz – wenn er sich wegen einer Frau blamiert. So dass er dieses Risiko nicht auf sich nehme will und sich der Sache der Frau annimmt.

Die Frau in jener Stadt hat viele Schwestern.
Damals wie heute:
Mädchen, die die Schule nicht besuchen dürfen.
Frauen, die keinen Zugang zu Bildung und Beruf haben.
Frauen, die häuslicher Gewalt ausgeliefert sind.
Frauen, die ihren Ehepartner nicht frei wählen können.
Frauen, die für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekommen.
Frauen, die von Ämtern in der Kirche ausgeschlossen sind.
Frauen, die alleingelassen werden.

Mit ihnen zusammen, mit der ganzen Bewegung des Weltgebetstages der Frauen sind wir aufgerufen, aus den Quellen unseres Glaubens zu schöpfen und unsere Ausdauer zu bestärken, unseren Mut zu bekräftigen und unser Vertrauen immer neu zum Antrieb für unser Tun zu machen.Weil wir in unserem Glauben Gott auf unserer Seite wissen.
Weil wir an Gottes Gerechtigkeit glauben, die größer und tiefer und weiter ist, als wir uns das vorstellen können.

Und Gott, wie ist er zu denken, „nach“ diesem Gleichnis?
Ich möchte Ihnen zwei mögliche Deutungen mitgeben.

Gott verkörpert das absolute Gegenteil des Richters.
Wenn der Richter in seiner Haltung total ICH-bezogen ist, so ist Gott, zu dem wir beten UNS total zugewandt.
Doch sind wir jene, die gläubig, beharrlich, mutig und vertrauend beten und auf Gott hoffen, dass er uns Recht verschafft?
Oder sind wir eher am verzweifelten Jammern und warten, dass Gott endlich was tut, wir aber nicht?
Darauf zielt die Frage Jesu: „Wird er auf Erden – noch – Glauben finden?“

Eine andere Deutung ist eine subversive Leseart.
Die Witwe verkörpert Gott.
In Anlehnung an die Gottesreichgleichnisse von Lukas wie z.B. vom Sauerteig und von der verlorenen Drachme, in denen die weibliche Figur auf Gott hin gedeutet wird, könnte auch hier die Witwe auf Gott hin gedeutet werden. Durch die Figur der Witwe klagt Gott die Mächtigen an und ruft ihnen ihre Verantwortung in Erinnerung. Es geht dann nicht mehr nur um das Recht jener einen Witwe, sondern um alle Entrechteten, die in Gott ihren Fürsprecher haben.

Steht auf für Gerechtigkeit sagen uns die Frauen aus Malaysia und zusammen mit der Witwe finden wir im Glauben die Quelle, die uns mit jener Beharrlichkeit, mit Mut und Vertrauen versorgt, dass wir das Ziel erreichen.
Gerechtigkeit für uns, für alle Frauen.
Lasst uns aufstehen für Gerechtigkeit, damit der Menschensohn bei seiner Wiederkunft Glauben findet, auf unserer wunderbaren Erde.
Amen.

Informationsquelle war für mich das Arbeitsbuch zum Weltgebetstag 2012

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