Hauptsache gesund / 6. Sonntag im Jahreskreis B

Erste Lesung aus dem Buch Leviticus, Kap.13
1 Der Herr sprach zu Mose und Aaron:
2 Wenn sich auf der Haut eines Menschen eine Schwellung, ein Ausschlag oder ein heller Fleck bildet, liegt Verdacht auf Hautaussatz vor. Man soll ihn zum Priester Aaron oder zu einem seiner Söhne, den Priestern, führen.
3 Der Priester soll das Übel auf der Haut untersuchen. Wenn das Haar an der kranken Stelle weiß wurde und die Stelle tiefer als die übrige Haut liegt, ist es Aussatz. Nachdem der Priester das Übel untersucht hat, soll er den Erkrankten für unrein erklären.
45 Der Aussätzige, der von diesem Übel betroffen ist, soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungepflegt lassen; er soll den Schnurrbart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein!
46 Solange das Übel besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 1
40 In jener Zeit kam ein Aussätziger zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde.
41 Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es – werde rein!
42 Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz und der Mann war rein.
43 Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm ein:
44 Nimm dich in Acht! Erzähl niemand etwas davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis meiner Gesetzestreue sein.
45 Der Mann aber ging weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, sodass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.

Autorin:
Bild_Lerke1Maria Lerke,
Pastoralreferentin,
Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Hauptsache gesund

Liebe Leserin, lieber Leser
„Hauptsache gesund!“ Wer kennt ihn nicht, diesen Wunsch?
Besonders können wir ihn heute verstehen, wenn wir vom grausamen Schicksal der Aussätzigen hören. In der Lesung aus dem Buch Levitikus ist bis ins kleinste Detail beschrieben, wie mit Menschen umzugehen ist, die unter dieser ansteckenden Krankheit leiden. Zunächst mussten sie sich den Priestern zeigen, dieser sollte die verdächtigen Hautveränderungen – nach genau beschriebenen Kriterien – untersuchen und feststellen, ob Aussatz vorliegt. Wenn dem tatsächlich so war, dann musste der Priester die Betroffenen für unrein erklären. Das hatte zur Folge, dass sie von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Sie mussten ihr Dasein außerhalb der Städte fristen, durften sich den Gesunden nicht nähern – sollte es doch einmal passieren, mussten sie „Unrein, unrein!“ rufen.
Dabei ging es nicht nur um die Angst vor Ansteckung. Es ging auch um die kultische Reinheit. Israel wollte ja vor Gott als „heiliges“ und „reines“ Volk dastehen.
Am schlimmsten muss es für die Betroffen wohl aber gewesen sein, dass die anderen sie als Sünder abstempelten. Gerade diese Erkrankung galt damals als Strafe Gottes. Wer Aussatz hatte, war also nicht nur von den Mitmenschen „ exkommuniziert“! Sie fühlten sich im wahrsten Sinne von Gott und der Welt verlassen. Sie waren abgeschrieben, lebendig zwar noch, doch im Grunde schon tot.
Gott-sei-Dank gibt es diese Lepraerkrankung in unseren Breiten heute nicht mehr!
Auch gehen wir mit Menschen, die ansteckende Krankheiten haben, anders um. Die Schweinegrippe und auch andere Epidemien haben gezeigt, wie sehr die Öffentlichkeit, der Staat und die Ärzteschaft um eine schnelle Aufklärung bemüht sind, wie fieberhaft nach Medikamenten gesucht wird, wie rasch unser „Seuchenschutzgesetz“ seine Wirkung zeigt.
Als ich vergangene Woche das Evangelium des heutigen Sonntags meinen Achtklässlern vorlas, war allerdings schnell klar, dass es trotzdem auch in unserer Gesellschaft Menschen gibt, die ausgeschlossen und abgeschrieben werden, Menschen, um die wir einen weiten Bogen machen, Menschen, mit denen wir nichts zu tun haben wollen, Menschen, von denen wir uns angewidert abwenden.
Dass das nicht o.k. ist, auch das wurde von allen so gesehen, manche von ihnen hatten schon erlebt, wie schmerzhaft und verletzend, wie vernichtend für das Selbstwertgefühl es ist, wenn man ausgeschlossen wird. „Nicht geliebt zu werden, das ist die Hölle“, dieser Satz stammt von Mutter Teresa und wie viele von uns müssen das Tag für Tag erleiden?
Sicher will Jesus durch sein Handeln im heutigen Evangelium unser Verhalten zu Ausgegrenzten hinterfragen. Es geht aber nicht nur darum.

Wenden wir uns erst einmal dem Aussätzigen zu. Sicher hatte er vorher schon von Jesus und seinen Wundern gehört, auch muss er das Besondere an Jesus erkannt haben, denn er fiel vor ihm auf die Knie – dies war damals eine Huldigung, die nur Königen oder Gott selbst zukam – welch großes Gottvertrauen spricht aus dieser Geste!
Jetzt ist die Chance seines Lebens, deshalb durchbricht er alle Regeln und kommt diesem Jesus gefährlich nahe. Nach dem Gesetz von Mose hätten die Gesunden ihn sogar mit Steinen bewerfen und verjagen müssen, aber Jesus handelt anders.
Als Jesus das Leiden, aber auch den Mut dieses völlig verzweifelten Mannes sieht, hat er „Mitleid“. Dieses Wort hat im griechischen Urtext eine noch viel tiefere Bedeutung. Es meint: „bis tief in die Eingeweide hinein erschüttert und ergriffen sein“. Das Leid dieses Menschen ging Jesus sozusagen durch Mark und Bein. Der Schmerz des Mannes wird in diesem Moment also auch zum Schmerz Jesu. So streckte er die Hand aus und berührte ihn.
Spätestens jetzt wird deutlich, dass es Jesus um mehr als nur um ein Wunder geht. Warum diese Berührung, wo doch ein einziges Machtwort von ihm genügt hätte?
Vielleicht weil die Bibelkundigen um ihn herum durch diese Geste sofort daran erinnert wurden, dass im Alten Testament immer dann die ausgestreckte Hand Gottes im Spiel ist, wenn es um Gottes machtvolles Eingreifen geht. Wenn Jesus jetzt die Hand ausstreckt, dann ist das ein göttliches Machtzeichen!
Doch Jesus kommt dem Aussätzigen noch näher, er berührt ihn auch noch! Was muss das für die Umstehenden für ein Skandal gewesen sein! Jetzt hat er sich sogar selbst infiziert – automatisch ist er jetzt unrein geworden – vom Gesetz her darf auch er jetzt nicht mehr am Gottesdienst teilnehmen.
Jesus hat mit dieser Berührung jede Grenze der medizinischen Vernunft überschritten. Doch er tat es nicht, weil er leichtsinnig sein Leben auf`s Spiel setzen wollte, und es ging ihm auch nicht darum, das Gesetz von Moses zu brechen, sondern es ging ihm einzig und allein um diesen Menschen, der vor ihm im Staub kniete und der jetzt ganz und gar seine Zuwendung und die liebevolle Zusage von Gott brauchte. Jesus ließ sich ganz und gar von der Not der Kranken und Ausgegrenzten berühren – er berührte sie, sprach mit ihnen, heilte sie und holte sie wieder hinein in die Gesellschaft des Gottesvolkes.

Man mag in den Augen der Menschen noch so schmutzig, noch so unrein sein – bei Gott zählt das überhaupt nicht, Gott ekelt sich vor keinem Menschen! Vor Gott ist dieser Mann eben nicht exkommuniziert!
Das ist die frohe Botschaft, die Jesus diesem Menschen zusagte und ihn spüren ließ. Er verbot ihm darüber zu reden, weil er ahnte, dass viele nur das Vordergründige sehen wollten, das Sensationelle, das Wunderbare, die Heilung. Jesus wollte nicht durch seine Wundertaten Aufmerksamkeit erregen. Obwohl die Menschen immer wieder danach verlangten – er sollte der König werden, er sollte der Heiler aller sein. Doch es ging ihm um mehr. Er hat nicht das getan, was die Menschen wollten – er ist der Versuchung nicht erlegen, bei möglichst vielen beliebt zu sein – er ist kein Produkt unserer Erwartungen geworden!
„Hauptsache gesund!“, ist dieser Wunsch vielleicht sogar vermessen?

Jesus zeigt uns und allen Ausgegrenzten einen Weg zum Heilwerden, der mehr ist als ein Wunder. Wir werden heil, weil Gott sich uns zuwendet, weil Gott uns berührt, weil er sich von uns berühren lässt.
Diese Berührung Gottes geschieht für jeden und jede anders. So unterschiedlich und einzigartig wir alle sind, so unterschiedlich ist auch das, was Gott uns zumutet und zutraut. Jedes Leben ist eben auch mit Leiden, mit Krankheit und Tod durchwoben. Das ist kein Betriebsunfall unserer Existenz, sondern ein Teil von ihr. Es gilt, sie in unserem Lebensentwurf zu integrieren. Jesus konnte das sagen: „Dein Wille geschehe“ – wie steht es da mit uns? „Ja wenn das so einfach wäre!“, werden viele von ihnen jetzt denken. Und das ist es tatsächlich überhaupt nicht!
Trotzdem macht uns Jesus gerade dazu heute Mut. Er lädt uns ein, dass wir uns vertrauensvoll an ihn wenden – über alle Grenzen hinweg – er streckt auch uns heute die Hand entgegen und gibt uns die Zusage, dass wir nie aus der Hand Gottes fallen werden, auch wenn wir uns noch so verlassen fühlen.

Wenn es die Hölle ist, nicht geliebt zu werden, dann sind wir durch Gottes Liebe jetzt schon ein Stück im Himmel!
Hauptsache, dass wir das immer wieder spüren dürfen, das wünsch ich uns allen.

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Eine Antwort auf Hauptsache gesund / 6. Sonntag im Jahreskreis B

  1. W. sagt:

    Das ist eine sehr tröstliche Predigt in einer Umwelt, wo das Ausgrenzen, ins Abseits Drängen fast ein Volkssport geworden ist. Danke!

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