Unsere Welt und Gottes Welt – 4. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
1 Jesus sah die Volksmenge an und stieg auf den Berg. Als er sich hingesetzt hatte, kamen seine Jüngerinnen und Jünger zu ihm.
2 Und er begann feierlich zu reden und lehrte sie:
3 »Selig sind die Armen, denen sogar das Gottvertrauen genommen wurde, denn ihnen gehört Gottes Welt.
4 Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.
6 Selig sind die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren.
8 Selig sind die, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott sehen.
9 Selig sind die, die für den Frieden arbeiten, denn sie werden Töchter und Söhne Gottes heißen.
10 Selig sind die, die verfolgt werden, weil sie die Gerechtigkeit lieben, denn ihnen gehört Gottes Welt.
11 Selig seid ihr, wenn sie euch um meinetwillen beschimpfen, verfolgen und böse Lügen über euch verbreiten.
12 Freut euch und singt laut, weil euer Lohn bei Gott groß ist. Die Prophetinnen und Propheten vor euch sind genauso verfolgt worden.

Autorin:
Passfoto A.R.Angela Repka, ausgebildete Diakonin, Literaturübersetzerin in Offenbach, ehrenamtlich diakonisch tätig

 
Die Predigt:
Unsere Welt und Gottes Welt

Liebe Leserin, lieber Leser,
im Evangelium vom heutigen Sonntag hält Jesus seine erste große Rede, die berühmte Bergpredigt. Doch was ging ihr voraus? Jesus hatte sich von Johannes, der in ihm den verheißenen Messias erkannte, im Jordan taufen lassen. Folgende Worte von Jesus hatten den zunächst Widerstrebenden überzeugt: Denn auf diese Weise erfüllen wir die ganze Gerechtigkeit Gottes. (Mt 3,15b) Das also war Jesu Anliegen: die GANZE Gerechtigkeit Gottes. Keine halben Sachen. Und siehe da: Der Himmel öffnete sich und eine Stimme sprach: Dieses ist mein geliebtes Kind, ihm gehört meine Zuneigung. (Mt 3,17b) Wunderbar bestätigt und gestärkt ging er dann, vom Geist getrieben, in die Wüste, wo er teuflischen Versuchungen widerstand. Er blieb sich und Gott treu. Das hatte Folgen: Und seht, die Engel kamen und sorgten für ihn. (Mt 4,11b)

In dem Moment, als Jesus hört, dass Johannes ins Gefängnis geworfen wurde, zettelt er keinen Aufstand an, obwohl ihm sicher viele gefolgt wären. Er beginnt vielmehr sein öffentliches Wirken, indem er an die Verkündigung seines Vorläufers anknüpft: Kehrt um! Das Königtum der Himmel, Gott, ist nahe. (Mt 3,1b). Aber statt mit dem Strafgericht Gottes zu drohen, wie es der Täufer getan hatte, um die Menschen wachzurütteln, verkündete Jesus die Nähe Gottes als Zuwendung und Liebe. Diese konnten die Menschen auf Jesu Wanderung durch Galiläa schon ganz konkret erfahren, denn der Meister predigte nicht nur in den Synagogen, er heilte auch viele leiblich und seelisch Kranke und machte den Menschen Mut, so dass sie ihm scharenweise folgten.

An diesem Punkt setzt das heutige Evangelium ein. Als Jesus die Menschenmenge sah, stieg er auf einen Berg und setzte sich hin. Seine Jüngerinnen und Jünger und das versammelte Volk ließen sich nieder und er begann zu ihnen zu reden: Selig sind die Armen, denen sogar das Gottvertrauen genommen wurde, denn ihnen gehört Gottes Welt. Wer hatte je so etwas vernommen? Die Armen, sonst bestenfalls Adressaten von Mitleid und Almosen, meist aber Gegenstand von Gleichgültigkeit oder gar Verachtung, wurden von Jesus hervorgehoben und beglückwünscht. Ja, nicht nur, aber zuallererst den Armen, Ausgegrenzten, Verzweifelten wollte er Grund zum Jubeln geben, als er dem Volk die Freudenbotschaft vom Kommen Gottes (Mt 4,23b) bekannt machte und die Leiden vieler heilte. Sie sahen und spürten: Da war einer, der nicht nur schöne Worte machte, der es ernst meinte, der heilsame Taten folgen ließ und ihnen eine neue Perspektive eröffnete. Er sah die Dinge vom Ende her, wie sie von Gott gemeint waren, wie sie gut waren für Mensch und Welt, wie sie vor Gott zählten und immer Bestand haben würden, bis über den Tod hinaus – eben die ganze Gerechtigkeit.

Das warf ein neues Licht auf das Leben der Armen, es ließ sie ihren Wert und ihre Würde erkennen. Sie mussten sich nicht länger ausgeschlossen fühlen vom Reich Gottes, vom „Wohl-schaffenden-Gutsein Gottes“, wie es die Theologin Elisabeth Schüssler Fiorenza lebensfreundlich benennt. Auch sie durften sich als Kinder Gottes darauf berufen, es in Anspruch nehmen und seine Verwirklichung in der Gegenwart einfordern.

Und wie sieht sie im Blick auf die Seligpreisungen aus, diese Welt Gottes, die in unsere Welt strahlt und sie verändern will? In ihr werden die Trauernden getröstet und nicht gemieden; die Sanftmütigen erben das Land und nicht die Gewalttätigen; Hunger und Durst nach Gerechtigkeit werden gestillt und nicht ignoriert, zurückgewiesen oder gar verfolgt; Barmherzigkeit wird mit Barmherzigkeit vergolten und nicht ausgenutzt; reine Herzen dürfen Gott schauen, ohne verlacht zu werden; Friedenschaffende sind wahre Töchter und Söhne Gottes und keine Schwächlinge.

Dies sind wesentliche Aspekte und es stellt sich die Frage: Ist Gottes Welt denn so weit weg von der Welt, nach der wir Menschen uns sehnen? Werden hier nicht Werte und Verhaltensweisen gelobt, die wir in unserer Welt, die ja auch Gottes Welt ist, umsetzen könnten? In der letzten Seligpreisung lässt Jesus keinen Zweifel darüber aufkommen, dass diejenigen, die ihm nachfolgen und die Welt nach seiner frohen Botschaft umgestalten wollen, kein bequemes Leben haben werden. Wir brauchen uns nur umzusehen, um festzustellen, dass das heute immer noch sehr aktuell ist. Von Verfolgung, Beschimpfung und bösen Lügen ist da die Rede. Und wir wissen, dass es noch schlimmer kommen kann.

Aber Jesus beglückwünscht genau diese Menschen, die es ja immer gegeben hat, und die es auch heute gibt, preist sie selig. Er ermuntert sie, sich zu freuen, zu jubeln und laut zu singen, denn ihr Leben hat einen Sinn und findet seine Vollendung mit und in Gott. Allein dieses Wissen, das uns Jesus hier und als Christus über die Zeiten hinweg vermittelt, ist ein großer Lohn. Da berühren sich Himmel und Erde. Halleluja.

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