Ich habe dich beim Namen gerufen – 3. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 4
12 Als Jesus hörte, dass Johannes ausgeliefert worden war, kehrte er nach Galiläa zurück.
13 Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali.
14 Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist:
15 Das Land Sebulon und das Land Naftali, / die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, / das heidnische Galiläa:
16 das Volk, das im Dunkel saß, / hat ein helles Licht gesehen; / denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, / ist ein Licht erschienen.
17 Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.
18 Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer.
19 Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
20 Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.
21 Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie,
22 und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus nach.
23 Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.

Autorin:
M. Rings-Kleer Marita Rings-Kleer, Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft Altenkessel-Klarenthal, Diözese Trier

 
Die Predigt:
Ich habe dich beim Namen gerufen

Liebe Leserin, lieber Leser
in regelmäßigen Abständen erhalte ich von Kriminellen sogenannte „Fishing-Mails“. Mit der Adresse meiner Bank erwecken sie einen soliden Eindruck und wollen mir damit Daten, Pins oder Passwörter entlocken. Diese „Fake-Mails“ erkenne ich immer sofort, weil die Gauner einen Fehler machen: Sie schreiben meinen Namen falsch. Statt Marita schreiben sie Martina und daran erkenne ich, von wem diese Versuche, mich zu betrügen, kommen. Was sie nicht wissen können ist, dass ich aber gerade bei meinem Namen sehr empfindlich bin.

Schon als Kind empfand ich meinen Namen als etwas Besonderes. Meine Eltern hatten mich nicht Maria genannt, das war ihnen zu altbacken, aber Marita, die italienische Verkleinerungsform, schien ihnen moderner und blieb trotzdem nah an Maria. Und sie haben mir mit meinem Namen damals etwas mit auf den Weg gegeben, was mich heute nicht nur gegen Gauner schützt, sondern mich immer auch freute und stolz machte: Mein Name kam nicht oft vor und so hatte ich oft das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. In der Tat war ich das für meine Eltern auch, was ihre liebevolle Erziehung noch zusätzlich unter Beweis stellte. Bis heute gibt es mir ein gutes Gefühl, einen einmaligen Namen zu tragen, auch wenn er sich im Laufe der Jahre etwas verändert hat, aber doch besonders blieb. Auch finde ich es schön, wenn Eltern ihren Kindern auch heute noch Namen geben, die nicht in den jährlichen Trendlisten auftauchen, sondern eine andere einzigartige Bedeutung für Eltern, Kind und Familie haben.

Diese besondere Beziehung zu meinem Namen fiel mir ein, als ich das heutige Evangelium gelesen habe. Erstaunt hat es mich immer schon, dass Jesus an dieser Stelle explizit die vier Fischer am See von Galiläa beim Namen ruft: Die Brüder Simon und Andreas und die Brüder Jakobus und Johannes.

Wer bei seinem/ihrem Namen gerufen wird, kann nicht verwechselt werden. Genau dieser Mensch ist gemeint und kein anderer. Das bedeutet auf der einer Seite, es ist eine ganz präzise Wahl von Seiten dessen, der ruft. Jesus wollte damals ausgerechnet diese vier Fischer. Er hatte seine Gründe, vielleicht kannte er die vier ja auch schon und wusste, was sie können, wozu sie bereit sind, wovon sie träumen. Er ruft sie und die Vier kommen, gehen mit.

Bis heute hat sich diese Praxis des „Rufens“ noch an Universitäten gehalten. Wer ProfessorIn werden will, muss gerufen werden. Da kann man sich nicht normal bewerben. Die KandidatInnen können aber ihre Qualifikationen durch ihre Arbeiten vor- und unter Beweis stellen. Und wenn es passt, werden sie gerufen, und zwar genau sie. Auf der anderen Seite bedeutet dass „beim Namen gerufen werden“, dass ich mich meinerseits nicht drücken und auf einen anderen Menschen zeigen kann. Ich bin gemeint und dem muss ich mich stellen.

Einer meiner Lieblings-Menschen aus dem Alten Testament ist Mose. Er ist so menschlich und das zeigt sich, als er bei seinem Namen gerufen wird. Ausgerechnet er soll in Gottes Dienst zu treten, um die Hebräer aus Ägypten herauszuführen, aber ihm fallen tausend Ausreden ein, sich zu drücken. Doch Jahwe bleibt hartnäckig: er meint Mose, er will Mose und – er bekommt Mose.

So geht es auch mir und all denen, die beim Namen gerufen werden, um im Auftrag Gottes zu wirken. Auch mir fallen so viele Entschuldigungen ein, um nicht diesen schwierigen Weg in der Verkündigung gehen zu müssen. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass unser Herrgott mir unmissverständlich sagt: Schluss jetzt, geh einfach! Und noch nachsetzt: Fürchte dich nicht, ich bin bei dir,
denn ich habe dich beim Namen gerufen, du bist mein.(Jesaja 43,1)

Beim genauen Hinsehen stelle ich auch immer wieder fest, dass der Auftrag, in dem ich unterwegs bin, ganz perfekt zu mir passt. Er passt präzise auf mich, meine Talent und auch Lebens-Wünsche und am Ende so manchen Tages bin ich froh, dass ich gerufen wurde, weil diese Aufgabe mir auch Freude macht. Hätte ich mich gedrückt und rausgeredet und vielleicht noch mit dem Finger auf einen anderen Menschen gezeigt, soll der/die doch mal machen, hätte ich viel sinnstiftendes Tun einfach verpasst. Und noch ein Moment hätte ich auch verpasst, was wichtig und schön ist: Wer mich meint und ruft, der ist auch für mich verantwortlich.

Ich habe dich beim Namen gerufen, du bist mein, deutet ja nicht auf ein Besitz-Verhältnis hin; der, der mich ruft besitzt mich nicht, sondern ist mein Partner. So, wie bei Eheleuten, die ja auch sagen: „Mein Mann“, „meine Frau“ oder bei Eltern mit „ihrem“ Kind. Auch bei ihnen ist das nicht besitzanzeigend, sondern deutet auf gegenseitige Verantwortung, Stütze, Förderung und Hilfe. Leider wird dies oft genug in Beziehungen vergessen.

Gott schreibt meinen Namen in seine Hand. (Jesaja 49,16) Dieses Bild erinnert mich an die Schule. Manche Mitschüler haben vor Prüfungen die wichtigsten Infos oder Formeln in ihre Hand geschrieben. So hatten sie diese dabei und jederzeit einsehbar (bis es den Lehrern auffiel). Ich bin für Gott so wichtig, dass er meinen Namen in seine Hand schreibt, nicht auf einen Zettel, der verloren gehen könnte. So bin ich ihm nahe, so hat er einen Blick auf mich und so komme ich auf gar keinen Fall abhanden.

Wenn einer meiner Mitmenschen „Marita“ ruft, drehe ich mich sofort zu ihm um, denn ich weiß, nur ich kann gemeint sein. Simon, Andreas, Jakobus und Johannes ging es genauso. Sie drehten sich sofort um, als sie ihren Namen hörten und sie wussten sofort, nur sie waren gemeint.

Es ist schön, dass ich einen Namen trage, der mich einzigartig macht, und ich finde es immer wieder schade, dass es Kulturen und Gemeinschaften gibt, in denen es nur wenige Namen für viele gibt. So kann ich leicht un-angesprochen bleiben und damit entgeht mir so viel. Es ist auch schade, dass wir in einer Zeit leben, in der nicht mehr gerufen wird. Die digitale Ansprache hat längst nicht die Wirkung, die ein gesprochenes Wort hat und bleibt deshalb auch gerne un-beantwortet.

Es ist so schön, wenn ich beim Namen gerufen werde, denn das meint mich, geht tief bis ins Herz und erfüllt mich. Und mir hilft es auch noch, so manchem Gauner das Handwerk zu legen.

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