Johannes und Greta – 2. Adventssonntag A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 3
1 In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste von Judäa:
2 Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.
3 Er war es, von dem der Prophet Jesaja gesagt hat: Stimme eines Rufers in der Wüste: / Bereitet den Weg des Herrn ! / Macht gerade seine Straßen!
4 Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung.
5 Die Leute von Jerusalem und ganz Judäa und aus der ganzen Jordangegend zogen zu ihm hinaus;
6 sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen.
7 Als Johannes sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt?
8 Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt,
9 und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken.
10 Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.
11 Ich taufe euch mit Wasser zur Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
12 Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird seine Tenne reinigen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.

Autorin:
M. Rings-Kleer Marita Rings-Kleer, Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft Altenkessel-Klarenthal, Diözese Trier

 
Die Predigt:
Johannes und Greta

Liebe Leserin, lieber Leser,
Johannes ist wieder da. Johannes der Täufer. Immer im Advent tritt er in den Gottesdiensten auf, am 2. Advent zum ersten Mal und nächste Woche ist auch noch einmal von ihm die Rede. Aber am bekanntesten ist der Text den wir heute hören. Ich kann ihn regelrecht vor mir sehen, Johannes, in seinem Gewand aus Kamelhaar, den Pilgerstab in der Hand, zerzaustes Haar, Bart und er ruft laut: Kehrt um!.

Damals waren etliche Menschen von ihm angetan und sind seiner Botschaft gefolgt, haben ihr Leben geändert. Aber heute, wer hört heute noch hin? Schnee von gestern denken viele! Dabei ist Johannes tatsächlich wieder da, aktuell und lebendig wie nie zuvor.

Aber heute ist er jung, auch weiblich und heißt vielleicht Greta. Sie und viele andere junge Menschen sind die neuen Rufer und Ruferinnen in der Wüste. Ihr Umkehr-Ruf lautet: Wir müssen alles ändern, wenn wir eine Zukunft haben wollen. Und ihrem Umkehr-Ruf folgen tatsächlich viele, vor allem eben junge Menschen.

Johannes und Greta, der Vergleich ist vielleicht gewagt. Aber es gibt viel was die beiden verbindet. Sie sind beide Rufer und Mahner mit Blick auf die Probleme ihrer Zeit, damals die Wertelosigkeit der Gesellschaft, heute die Klimakatastrophe. Beide sind dabei den Mächtigen ein großer Dorn im Auge. So sehr sogar, dass Johannes damals ermordet wurde und Greta heute mundtot gemacht wird.

Auch führen beide ein sehr bescheidenes Leben: Von Johannes heißt es, dass er ein einfaches Gewand aus grober Kamelwolle trug und Greta ist der Jeans-und-T-Shirt-Typ. Johannes ernährt sich von dem, was er in der Natur findet, Honig und Heuschrecken, garantiert bio und regional, Greta ist sogar Veganerin, verzichtet ganz auf Fleisch. Beide reden nicht nur, sie handeln auch. Aber vor allem ihre Botschaften sind verblüffend gleich.

Beide rufen ihre Mitmenschen dazu auf, den eigenen Lebensstil zu ändern, damit es eine gute Zukunft geben kann. Johannes hat die korrupten und unmoralischen Haltungen in seiner Gesellschaft im Auge, Haltungen, die den Menschen schaden, nicht nur wirtschaftlich. Wer zügellos und wertelos lebt, der schadet vor allem sich selbst, seine Seele leidet. Dagegen hilft nur die Abkehr von diesem Lebensstil, Umkehr zu einem anderen, verantwortungsvollen Leben und das nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht.

Johannes weiß: Geld und Wohlstand sind nicht entscheidend für ein gutes Leben. Das Halten der Gebote, der Glaube an Gott, das Vertrauen auf seinen Beistand, die Liebe auch zum Nächsten sind viel wichtiger und für die Psyche, die Seele, viel gesünder. Er ruft dazu auf, zu einem solchen Leben umzukehren, sein Leben zu ändern. Johannes war nicht sonderlich erfolgreich mit diesem Anliegen, kaum 30-jährig wurde er ermordet, weil er genau denen in die Quere kam, die ein solches Leben für sich nicht wollten und auch nicht ein solches „gutes-gütiges“ Leben für alle. Untugenden wie Habsucht, Neid, Zorn, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit waren auch schon damals die „Un-Werte“, denen die Menschen und vor allem die Mächtigen gern folgten. Da störte ein Johannes, der dagegen predigte, einfach nur. Er musste weg!

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Auch die aktuelle „Ruferin in der Wüste“ gerät zunehmend in Vergessenheit. Ihr Aufruf, das eigene Leben zu verändern, hin zu Bescheidenheit und Verzicht, verhallt immer mehr und scheinbar ungehört. Die Mächtigen setzen auf Brot und Spiele, um die Menschen für ihren Weg einzunehmen. Immer mehr Konsum, immer mehr „Volks-Belustigung“ soll nicht nur Geld in die Kassen der Mächtigen spülen, sie soll vor allem von der Reflektion des eigenen Lebensstils ablenken.

Wer mit Shoppen und Feiern beschäftigt ist, im Großen wie im Kleinen, denkt nicht darüber nach, dass der tägliche Fleischkonsum die Umwelt belastet, der denkt nicht darüber nach, dass große Adventsmärkte die Corona-Infektionen befeuern, der denkt vor allem nicht mehr an den Krieg und Energieknappheit. Oder die vielen Weihnachtsurlauber, die mit Fliegern und Kreuzfahrtschiffen in den nächsten Tagen in die Sonne flüchten, sie denken nicht an die große Gefahr, die eben von dieser Sonne ohne die schützende Atmosphäre ausgeht. Die Problemlage, auf die Greta und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter aufmerksam machen wollen, verschärft sich derweil weiter, Tag für Tag.

Fast ist ja schon der Satz der Friedenbewegung: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, wahr geworden: bei Glühwein und voller Geschenke-Tasche denkt niemand an die Menschen in der Ukraine.
Die jungen Ruferinnen und Rufer, die zur Umkehr mahnen, werden im Geduddel der weihnachtlichen Klänge in den Geschäften einfach nicht gehört.

Dennoch gibt es sie, so wie es Johannes trotzdem gab. Und es gibt Gott sei Dank immer mehr Menschen, die ihre Botschaft doch hören und bescheidener leben. Ich gehöre dazu. Aber einfach ist es nicht. Mancher Verzicht geht gut, auf Fleisch, auf immer neue Kleidung; öfter mit Fahrrad, Bus und Bahn statt Auto fahren.

Aber in die Sonne würde ich auch gern mal wieder fliegen, oder in fremden Ländern andere Kulturen kennenlernen. Aber wenn ich will, dass unsere Sommer nicht noch heißer werden und die Menschen in den fernen Ländern eine Zukunft haben sollen, bleibe ich im Lande. Mosel statt Malediven, Fahrradurlaub statt Fernreise. Das Schwierigste ist aber, dass niemand von meinem neuen Weg wissen will. Ich werde bestenfalls belächelt, wenn ich von meiner „Umkehr“ rede, oft aber auch angefeindet. Eine Freundschaft ist sogar schon zerbrochen.

Johannes ging es damals genauso, er musste sogar sein Leben lassen. Doch trotz der Frustration zum Thema „Umkehr“ bleibe ich dran, auch an Johannes. Denn dem schlechten Gefühl von Frust und auch Verzweiflung steht ein gutes Gefühl gegenüber: das Gefühl, etwas Gutes für die Zukunft der Menschen getan zu haben. Das ist für mich gelebtes Christsein.

Ihnen allen einen gesegneten zweiten Advent.

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