Fester Halt für das Leben – 7. Sonntag der Osterzeit C

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 17
In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und sprach: Heiliger Vater,
20 ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.
21 Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.
22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind,
23 ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast.
24 Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt.
25 Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast.
26 Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin a.D. der Diözese Rottenburg-Stuttgart, jetzt im Gemeindeteam und Pfarrgemeinderat von St. Bruno und Heidingsfeld, Würzburg

 
Die Predigt:
Fester Halt für das Leben

Liebe Leserin, lieber Leser,
gerne wäre ich dabei gewesen, damals, in der Gruppe um den Johannesevangelisten, der diesen wunderbaren Text geschrieben hat. Man weiß so wenig darüber. 60 bis 70 Jahre waren seit dem Tod und der Auferweckung Jesu vergangen. So vieles war in dieser Zeit geschehen, was uns nicht mehr zugänglich ist, wovon wir keine Vorstellung haben. Und dann wird in dieser theologischen Schule Jesus, der Christus, so eingehend und tief verstanden. Es werden ihm Worte in den Mund gelegt, die die er sicher nie s o gesprochen hat, die aber das Wesentlichste seiner Beziehung zu Gott und zu den Menschen ausdrücken.

Ähnlich geht es vielleicht vielen, die einen geliebten und sehr wichtigen Menschen betrauern. Erst im Abstand und im Nachhinein lässt sich vieles von seinem Wesen tiefer erfassen und wird deutlich, was er für einen selbst bedeutet hat. Und das geht sehr lange Zeit mit uns mit und verändert sich auch immer wieder. Erinnerungen werden ausgetauscht, die manchmal unter den Betroffenen ganz verschieden ausfallen, und Beziehungen und Wesenszüge des oder der Betrauerten beleuchten.

In unserem Text, den der Johannesevangelist zwischen die Fußwaschung am Abend vor der Passion und dem Gang zum Ölberg einschiebt, verabschiedet sich Jesus von seinen Jüngern und Jüngerinnen. Wir haben die letzten Sonntage einzelne Passagen aus der „Abschiedsrede“ im Johannesevangelium gehört. Heute geht es um die letzten Worte: Jesus betet und bittet für seine Jüngerinnen und Jünger und darüber hinaus für alle, die durch ihre Verkündigungsarbeit ebenfalls zu Jüngerinnen und Jüngern geworden sind. Alle sollen eins sein; wie der Vater in Jesus Christus und Jesus Christus im Vater eins ist, so sollen alle Glaubenden in Christus und dem Vater eins sein.

Kann es eine innigere Verbindung geben? Kurz zuvor war in der Rede vom Weinstock schon die elementare Abhängigkeit zwischen dem Weinstock selber, den Reben und den Früchten daran betont worden. Das leuchtet unmittelbar ein: Jesus Christus vergleicht die Menschen, die an ihn glauben mit Reben, die nur dann Früchte bringen können, wenn sie mit ihm, dem Weinstock, verbunden bleiben. Sonst verdorren sie und werden entsorgt. Im heutigen Text wird diese Verbindung ins „Einssein“ hinein gesteigert. Zwischen die Glaubenden, Christus und Gott, für uns Vater und Mutter, passt nicht einmal mehr das berühmte Blatt Papier. Was für eine Aussage!

Und da ist es nur konsequent, wenn Christus uns auch seine Herrlichkeit, die göttliche Herrlichkeit des Himmels nicht nur für das Leben nach dem Tod verspricht. Schon jetzt, hier und heute dürfen und können wir etwas von diesem Schönen und Berauschenden, vom „Glanz“ wie die ‚Bibel in gerechter Sprache‘ übersetzt, spüren. Und das dürfen wir als die feste Zusage verstehen, dass wir auch im leiblichen Tod nicht untergehen werden. Wie könnten wir von Christus weggerissen werden, wenn wir doch eins mit ihm sind.

Dieses Fundament ist zugleich ein Auftrag an die Glaubenden. Auch sie sollen immer und beständig auf Einheit hinarbeiten, damit ihr Glaube vor der Welt nicht verdunkelt wird. Wo Menschen verschiedenster Kulturen sind, wo Geschichte stattfindet, gibt es nicht nur Verschiedenheit, sondern auch Gegensätze und Auseinandersetzungen. Waren und sind da doch ganz verschiedene spirituelle Richtungen, die mehr herzensbetonten und die mehr vernunftbetonten Menschen, diejenigen die am Überlieferten bis in die Einzelheiten festhalten und jene, die nach vorne denken. Das muss so sein. Alles andere wäre irreal und dazu eine unproduktive und langweilige Einheit. Nur in der Auseinandersetzung und in der Vielfalt kann ein Fortschritt in der Erkenntnis Gottes und dem, was sein Wille für diese Zeit ist, erreicht werden. Aber die geschwisterliche Liebe, die gegenseitige Anerkennung und das Streben nach Zusammenhalt und Verständigung muss wie ein leuchtender Regenbogen über den Kirchen und Konfessionen stehen. Dafür ist unser Papst Franziskus mit seiner Haltung, auf alle offenen Menschen liebevoll zuzugehen, ein Beispiel, für das wir sehr dankbar sollten.

Unseren Glauben erschließt uns das Johannesevangelium als einen unendlich kostbaren Schatz. Und deshalb berührt mich ein Satz von Bischof Bätzing auf dem Katholikentag in Stuttgart, der in der heutigen Tageszeitung zitiert wird. Er sagte: “In der Situation, in der wir jetzt sind (als Kirche B.D.), betrügen wir viele Menschen um eine Brücke zu Gott, und das ist das, woran ich leide.“

Die Gemeinde, in der ich lebe, und ich selber, wir können uns ebenfalls nicht damit abfinden, dass sich Kirche angeblich nur im Niedergang befinden soll. Wir haben eine so wertvolle und kostbare Botschaft, die einen festen Halt für das Leben gibt. Und niemand kann bezweifeln, dass das Leben für uns auf der nördlichen Erdhalbkugel zwar immer komfortabler, aber insgesamt immer gefährlicher und bedrohter wird. Die Zukunft wird besonders für unsere Kinder und Enkel eine große Herausforderung sein und viel Mühen erfordern, um die Probleme zu meistern. Resilienz, psychische Widerstandskraft, heißt heute das Zauberwort. Was kann da für alle, aber besonders für die Kinder wichtiger sein, als ein fester Halt im Glauben mit einer so wunderbaren Zusage, wie wir sie heute hören? Gott will eins sein mit uns. Er liebt diese Welt. Wir überlegen in der Gemeinde sehr viel und konsequent, wie wir die christliche Botschaft für Eltern und Kinder wieder anziehend machen können. Denn, mal ehrlich, wo sonst hören wir von ihr, als im Raum der Kirchen?

Und viele Kinder sind offen und empfänglich dafür. Unsere kleine Großnichte, drei Jahre alt, singt ihren Puppen am Abend vor: „Schutzengel mein, behüt mich fein, Tag und Nacht, früh und spät, bis meine Seele in den Himmel eingeht.“ Sie hat das Lied im Waldorfkindergarten gelernt. Wenn sie singt, spüren auch die Eltern etwas vom Glanz der göttlichen Herrlichkeit. Auch wenn das vielleicht hochgestochen klingt, ich kann es nicht anders sehen. Das Kind ist noch nicht getauft. Weshalb, das haben wir die Eltern nicht gefragt, sonst müssten sie antworten und das wollen wir nicht.

Kinder, die noch einen offenen Zugang zum Himmel haben, für die das Einssein mit Gott kein Problem ist, sind oft wie Botschafter für uns Erwachsene. Vielleicht können auch wir unsere innerliche Aufmerksamkeit wieder mehr auf diesen Schatz des Glaubens lenken. Amen

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