Messianische Hoffnung: glauben und handeln – 3. Sonntag der Osterzeit C

Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
Aus der Geschichte der Apostelinnen und Apostel, Kapitel 5
In jenen Tagen
27 führten sie die Apostel ab und stellten sie vor das Synhedrium. Der Hohepriester befragte sie:
28 „Haben wir euch nicht ausdrücklich befohlen, nicht in diesem Namen zu lehren? Und doch erfüllt ihr Jerusalem mit eurer Lehre und wollt uns für den Tod dieses Menschen verantwortlich machen.“
29 Petrus erwiderte zusammen mit den Aposteln: „Wir sollen nicht auf Menschen hören, sondern vielmehr auf Gott.
30 Unserer Väter und Mütter Gott hat Jesus erweckt, den ihr durch Aufhängen am Holz habt umbringen lassen.
31 Ihn hat Gott als einen Herrscher und Retter zur Rechten neben sich erhöht, um Israel Umkehr und Vergebung der Sünden zu gewähren.
32 Wir bezeugen diese Dinge, wie auch die heilige Geistkraft es tut, die denen gegeben ist, die auf Gott hören.
40b Sie ließen ihnen die Prügelstrafe verabreichen und befahlen, nicht im Namen Jesu zu reden und ließen sie frei.
41 Da gingen sie mit Freude vom Synhedrium weg, weil sie gewürdigt worden waren, um des Namens Jesu willen geschmäht zu werden.

Autorin:
4546 023bMaria Sinz, Gemeindereferentin, KAB Aalen

 
Die Predigt:
Messianische Hoffnung: glauben und handeln

Liebe Leserin, lieber Leser,
heute, am 1. Mai, ist in Europa der Tag der Arbeiterbewegung. In Baden-Württemberg finden an 47 Orten Kundgebungen statt unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft gestalten“. Gefordert wird, Beschäftigte und ihre Interessenvertreter:innen an der Gestaltung zu beteiligen. Dieses Jahr werden in Deutschland seit 1. März bis 31. Mai in ca. 28 000 Betrieben die Interessensvertretungen der Arbeitnehmer:innen gewählt. Bei den letzten Betriebsratswahlen vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung bei 75 Prozent. Insgesamt nimmt die Zahl der Betriebe mit Betriebsrat vor allem in Betrieben bis 500 Beschäftigte seit Jahren stetig ab. 2018 waren ca. 42 % (West) bzw. 35% (Ost) der Beschäftigten durch Betriebsräte vertreten. Diese Angaben beziehen sich auf die 31 Millionen Menschen, die in privatwirtschaftlichen Betrieben arbeiten. Einige Daten zum Anfang müssen in diesem Fall sein. Ich nehme an, dass kaum eine/r der Leser/innen je bei einer 1. Mai Kundgebung der DGB Gewerkschaften war.

Hin- und Hergehen
Seit 30 Jahren bewege ich mich zwischen Kirche und Gewerkschaften hin und her oder, anders formuliert, in der Schnittmenge. Deshalb gehe ich heute der Frage nach, was Arbeiterbewegung und die Anhänger:innen des Neuen Weges, wie Christen in den Anfängen genannt wurden, verbindet.Zuallererst fallen mir die Worte ein, die wohl auf der Münsteraner Tagung 1) zitiert wurde: „Wie führt man einen Dialog, wenn man keine Stimme hat?“ – Die Antwort: Handeln! Bewegung. Petrus und seine Freunde lehren und heilen am Tempel. Trotz offiziellem Verbot tun sie es einfach. Auch für Arbeiter:innen ist Handeln die Ausdrucksweise mit der sie für sich einstehen und Rechte erwirken.

Nähe zu den Menschen
Dann die große Nähe zu den Menschen. Die Oberschicht in Jerusalem hatte ein Problem. Die Bewegung war mit der Ermordung Jesu keineswegs zum Stillstand gebracht. Scharen von Menschen kamen nach Jerusalem. Petrus und die Apostel kennen die Leiden und Probleme der Menschen. Unter den ersten Christen waren Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten; die Wirklichkeit wurde eher ausgehend von jenen Menschen beschrieben, die ums tägliche Brot ringen müssen.

Vielfalt
Ich denke Vielfalt und Streitereien untereinander sind ebenfalls eine Gemeinsamkeit, bis hin zu Konfessionen einerseits und Splitterbewegungen andererseits. Das ist interessant, denn in beiden Bewegungen spielt das Thema Einheit eine große Rolle.

Überzeugungen
Überzeugung ist ein weiteres zentrales Thema. Ein engagierter Gewerkschafter sagte mal zu mir: „Meine Erfahrung ist: Die besten Betriebsräte sind Christen oder Kommunisten. Beide handeln nach einem festen Wertesystem. Ich habe einen positiven Begriff von Ideologie.“ Natürlich ist hier nicht der Ort, dies zu vertiefen. Gelten lassen würde ich in jedem Fall, dass beide einer Idee folgen, die über das rein Persönliche hinaus gehen.

Was mich in den ganzen 30 Jahren am meisten beeindruckt hat, war das Wort von der messianischen Hoffnung, als Motivation zum Engagement. Durchaus im Bewusstsein der damit verbundenen Schwierigkeiten von Überengagement und Instrumentalisierung; aber ohne diesen Grundgedanken aufzugeben.

Blickwinkel
Eine Gemeinsamkeit ist die Aufmerksamkeit für Benachteiligung, Unrecht oder andererseits unangemessene Bereicherung. „Selig seid Ihr wenn Ihr Unrecht spürt“ heißt es in einer bekannten Vertonung der Bergpredigt.

Anders beim Begriff Solidarität. Solidarität ist eher ein Begriff der Arbeiterbewegung und stammt aus der Erkenntnis, dass nur im Zusammenstehen die eigene Situation verbessert werden kann. Es ist eine konkrete Erfahrung, an der Menschen wachsen. Ich erlebe Christen eher im Sinne von moralischem Appell von Solidarität sprechend. Und was unterscheidet uns grundsätzlich?

Und was unterscheidet uns grundsätzlich?
Einfach formuliert: Christen leben aus einer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus. Kompliziert wird es, weil meistens Handeln und ‚in Beziehung mit Jesus stehen‘ getrennt werden. Christen gehen der Gottesfrage andernorts als im Alltag nach, schon gar nicht im betrieblichen Alltag. Wenige würden ihren Einsatz für Kollegen und gerechte Strukturen, für Demokratie im Betrieb, als Ausdruck ihrer Gottesbeziehung bezeichnen. Zurückhaltung, Bescheidenheit oder Vorsicht ist hier auch angemessen.

Einheit
Hilfreich auf dem Weg des Hin- und Hergehens der letzten 30 Jahre war mir die Pädagogik von Franz Jalics SJ. 2) Ein Aspekt, den er ganz zu Anfang der geistlichen Übungen sehr betont, ist der Zusammenhang von Beziehungen zu Menschen und Beziehung zu Gott. Alles, was wir im menschlichen Umgang erleben, ereignet sich zur gleichen Zeit mit Gott. Jalics erzählt:
„Oft hat man mich gefragt: Hinter dieser Frage steht die Vorstellung, einen großen Glauben zu haben, ihn aber nicht in Handlungen konkretisieren zu können. Ich habe immer geantwortet

Bevor wir unseren vermeintlichen Glauben in den Alltag umsetzen, müssten wir an unserer Nächstenliebe ablesen, ob wir überhaupt so viel Glauben haben. Nur dann steht er auf dem Boden. Anschließend kann man sich bemühen, beide Beziehungen, die im Grunde eins sind, miteinander wachsen zu lassen.“

Wovon Jalics spricht ist ein Erfahrungsweg, kein Theoriegebäude. Er hat schon vor 50 Jahren damit begonnen, christliche Theologie lebendiger werden zu lassen. Leider scheint es nach wie vor scharfe Gegensätze zwischen Erfahrungsweg und wissenschaftlicher Theologie zu geben. Mir tut am besten, wenn Theorie und Erfahrung ineinander gehen. Das erschließt Weite.
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1) Tagung Frauenpower und Männermacht, 16./17 September 2021 in Münster
2) Franz Jalics, Kontemplative Exerzitien, Echter Verlag Würzburg 1994.

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Eine Antwort auf Messianische Hoffnung: glauben und handeln – 3. Sonntag der Osterzeit C

  1. gabriele sagt:

    danke sehr Maria für die Aktualisierung!

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