Christliche Gemeinschaft als Biotop des Lebens – 2. Sonntag der Osterzeit C

Erste Lesung aus der Apostelgeschichte, (Über die Zeit der Apostelinnen und Apostel) Kapitel 5
Übersetzung: „Bibel in gerechter Sprache“
12 Durch die Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder im Volk. Alle waren sie einmütig zusammen in der Halle Salomos.
13 Von den anderen aber wagte es niemand, engen Kontakt mit ihnen zu suchen. Doch sprach das Volk lobend über sie.
14 Immer mehr kamen dazu, die Jesus, der Macht über sie gewonnen hatte, vertrauten, scharenweise Frauen und Männer.
15 So trug man sogar die Kranken auf die Straßen hinaus und setzte sie auf Liegen und Matten ab, damit, wenn Petrus käme, auch nur sein Schatten auf jemanden von ihnen fiele.
16 Auch die Bevölkerung der Städte rings um Jerusalem lief zusammen; man brachte Kranke und von unheiligen Geistern Gequälte, die alle geheilt wurden.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin a.D. der Diözese Rottenburg-Stuttgart, jetzt Pfarrgemeinderätin in St.Bruno und Heidingsfeld, Würzburg

 
Die Predigt:
Christliche Gemeinschaft als Biotop des Lebens

Liebe Leserin, lieber Leser,
die heutige Schriftlesung hat es mir angetan. Bekanntlich stehen die Kirchen aus gewichtigen Gründen in der Gesellschaft und auch bei vielen ihrer Mitglieder in einem negativen Licht. Kaum eine Woche ohne neue Skandalschlagzeilen. Und dann hören wir heute von den ersten Anfängen der Christengemeinschaft, wie beliebt die Gefährtinnen und Gefährten Jesu damals beim Volk waren. Natürlich fragen wir, wie kam das, was hat sich damals ereignet.

Der Grund ist durchschlagend. Menschen wurden in der Nähe der Christuszeugen wieder heil und gesund. Am meisten Aufsehen erregte in der Erzählung des Lukas die Heilung eines Mannes, der von Geburt an gelähmt war. Er saß am sogenannten Schönen Tor des Tempels und bettelte auch Petrus an, denn die Apostel, die Jünger und die Frauen kamen jeden Tag im Tempel zusammen, in einer der äußeren Lehrhallen, in der Halle Salomos. Petrus sagte zu ihm, Gold und Silber habe er nicht, aber im Namen Jesu des Gesalbten solle er aufstehen und gehen. Und er ging mit ihnen ins Heiligtum, lief umher, hüpfte herum und lobte Gott. (3,8) Petrus beteuerte: Nicht ich oder wir haben diesen Menschen geheilt, sondern weil dieser Mensch, den ihr seht und kennt, auf den Namen Jesu vertraut hat, hat ihn dieser Name stark gemacht. (3,16a)

Diese Heilungsgeschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Und wie schon bei Jesus brachte man von überall her die Kranken, voller Hoffnung auf Erleichterung oder gar Heilung. Der Tempelelite gefiel das natürlich gar nicht. Petrus und Johannes wurden festgenommen, aber wegen ihrer großen Beliebtheit nach einer Nacht wieder freigelassen, allerdings mit Redeverbot. An das konnten sie sich nicht halten; sie MUSSTEN von Jesus erzählen und von dem, was sie mit ihm erlebt hatten.

Auch wenn Lukas in seiner Apostelgeschichte aus der Erinnerung heraus ein sehr harmonisches Bild der Urgemeinde zeichnet, so müssen wir das nicht allzu ernst nehmen. Die junge Gemeinde war bestimmt nicht immer ein Herz und eine Seele und die Frauen und Männer haben auch nicht ihren ganzen Besitz an die Gemeinschaft abgegeben. Da ist z.B. die Geschichte von Hananias und seiner Frau Saphira, die zwar ihr Eigentum verkaufen, aber doch heimlich etwas vom Erlös für sich behalten. Wenn auch in der Darstellung des Paulus die Strafe für ihre Lüge auf dem Fuße folgt und beide tot zusammenbrechen, so zeigt die Begebenheit doch, dass das Zusammenleben der ersten Christen ganz sicher nicht reibungslos verlaufen ist. Es gab ja auch theologische Auseinandersetzungen. Eine von den schwerwiegensten: Muss jeder Mensch jüdisch sein, als Mann also beschnitten, um getauft werden zu können. Petrus sagte Ja, Paulus Nein und setzte sich schließlich damit durch.

Doch worauf kam es vor allem an: Die Jüngerinnen und Jünger waren begeistert von dem, was sie von Jesus gehört und mit ihm erlebt hatten, sie kamen im Tempel zum Beten zusammen und sie brachen in ihren Hausgemeinschaften das Brot; wir würden heute sagen, sie feierten miteinander die Eucharistie. Sie glauben an den auferstandenen Messias.

Wichtig ist festzuhalten: in der Gemeinschaft mit den ersten Christen haben Menschen Heil und Heilung erfahren, aufatmen, Freiheit von drückenden Lehrsätzen und moralischen Forderungen. Sie haben den Atem des Reiches Gottes gespürt. Die Gemeinschaft war für sie wie ein Biotop der Lebendigkeit, des Lebens.

Was können wir für uns und unsere Gemeinde davon abschreiben? Wir brauchen Gemeinschaften, in denen die Gottesbotschaft verkündet wird, die uns im tiefsten angeht. Wir sollten uns bewusst werden, welches Gut wir hüten, den Schatz der Bibel, den Schatz der Liturgie und der Sakramente, den Schatz der Tradition – aber in großer Offenheit und mit Überlegung und Anstrengung für neue Entwicklungen in der Sprache, den Liedern, in den Formen. Nicht Asche hüten, sondern Glut anfachen!

Wie können wir eine Gemeinschaft werden, in der Menschen sich froh und gut fühlen? Als Kinder, wenn sie in diesen Wochen zur Erstkommunion gehen, als Erwachsene, als alte Menschen? Wir alle kennen Vereinsleben und wie es da zwischenmenschlich oft zugeht. In der Kirchengemeinde aber ist Willkommen und Wertschätzung in aller Verschiedenheit, auch in der Verschiedenheit der Spiritualität, angesagt. – Den anderen, die andere höher schätzen als sich selbst, das wäre das Ideal. Sich Kennenlernen, umeinander wissen; als Kind, Erwachsener und Seniorin, als Paar und als Single sich gemeint und angesprochen fühlen. Es mag hochtrabend klingen, ist es aber nicht, sondern genau darum geht es: Gottes Reich, vom dem Jesus sagt, dass es schon da ist, sollte in der Kirchengemeinde im Wachsen sein und das muss man spüren können. Nicht unbedingt: „Seht, wie sei einander lieben“, SONDERN: Seht, wie sie miteinander umgehen.

Damit eine christliche Gemeinschaft sich entwickeln kann, braucht es einen Kern von begeisterten Menschen, beruflichen Hauptamtlichen und ehrenamtlichen Gemeindemitgliedern, die sich immer wieder darüber verständigen, was ihr gemeinsames Ziel und der gemeinsame Auftrag ist. Dann wird Gemeinde wieder attraktiv für die Menschen, die regelmäßig zum Gottesdienst kommen oder auch nur dann und wann einmal vorbeischauen. Wenn man spürt: hier geht es um den einzelnen Menschen und seine Bedürfnisse, hier geht es um sein Heil, im Kleinen wie im Großen, dann sind wir auf der richtigen Spur.

Hören wir jetzt aufmerksam das Evangelium, wie Thomas in der Begegnung mit Christus Heil erfährt. Amen
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Viele Anregungen zur Thematik finden sich in dem Buch von Michael White und Tom Corcoran , 2012 REBUILT – Die Geschichte einer katholischen Pfarrgemeinde (Awakening the Faithful – Reaching the Lost – Making Church Matter)

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