Kinder Gottes – von Gott geliebt / Fest der Heiligen Familie

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 2
41 Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem.
42 Als er zwölf Jahre alt geworden war, zogen sie wieder hinauf, wie es dem Festbrauch entsprach.
43 Nachdem die Festtage zu Ende waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der Knabe Jesus aber blieb in Jerusalem, ohne dass seine Eltern es merkten.
44 Sie meinten, er sei in der Pilgergruppe, und reisten eine Tagesstrecke weit; dann suchten sie ihn bei den Verwandten und Bekannten.
45 Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten nach ihm.
46 Da geschah es, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen.
47 Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten.
48 Als seine Eltern ihn sahen, waren sie voll Staunen und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.
49 Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?
50 Doch sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen gesagt hatte..
51 Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen.
52 Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.

Autorin:
Dr. Ulrike Altlherr Dr.theol. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in Herrenberg

 
Die Predigt:
Kinder Gottes – von Gott geliebt

Liebe Leserin, lieber Leser,
Weihnachten gilt bei uns als Familienfest. Wie schön ist es, wenn Kinderaugen leuchten, sich alle am Zusammensein, an gutem Essen und an Geschenken freuen. Kein anderes Fest ist auf der anderen Seite so belastet. Wie oft führen hohe Erwartungen an eine familiäre Harmonie zu Streit und Frust. Interessant ist, dass das Fest der Heiligen Familie als solches Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde, um ein als gefährdet geglaubtes christliches Familienideal zu stärken. Erst 1920 wurde es verbindlich in der ganzen Kirche eingeführt.

Die Bibel berichtet wenig über das Familienleben in Nazareth. Dafür wird in verschiedensten Legenden ausgeschmückt, wie es in Nazareth zugegangen sein soll und viele Künstler haben im Laufe der Zeit ihre Vorstellungen vom Familienleben von Maria, Josef und Jesus auf die Leinwand gebracht. Das heutige Evangelium nach Lukas erzählt die dritte Episode im Familienleben der sogenannten „heiligen Familie“: die erste war die Geburt, die zweite die Darstellung des 8 Tage alten Jesu zur Beschneidung im Tempel und nun der 12Jährige, der mit seinen Eltern in einer Pilgergruppe nach Jerusalem pilgert und im Tempel zurückbleibt. Als sie ihn vermissen und suchen und schließlich finden, macht ihm Maria Vorwürfe – Dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht – und Jesus sagt nur: Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört

Eltern kennen die Angst um ihre Kinder. Wenn man nicht weiß, wo eines ist, wenn man sich Sorgen macht, warum er oder sie nicht heimkommt, könnte man als Mutter oder Vater schier vergehen vor Angst. Vor allem in der Pubertät versteht man einander nicht immer, müssen Kinder eigene Wege gehen und die Eltern müssen sie loslassen, vertrauend, dass sie ihren Weg schon machen werden, manches mal ihnen auch wieder eine sichere Heimat bieten, in die sie immer zurückkommen können. Für mich war so ein Symbol für die sichere Heimat, dass ich bis zum Tod meiner Mutter einen Schlüssel zum Elternhaus an meinem Schlüsselbund hatte.

Eigentlich sprengt unser Evangelium die übliche Vorstellung von Familie. Hier wird gerade deutlich, dass Jesus noch andere familiäre Bande als die irdischen hat. Der Tempel ist der Ort seines himmlischen Vaters. Dort, so spürt er, muss er sein. Jesus verlässt später seine irdische Familie geht den Weg seines göttlichen Vaters.

Für Christen in späteren Zeiten war die Beziehung zu Gott fast immer wichtiger als die innerhalb der eigenen Familie. Und doch Familie ist wichtig, im Guten wie im Schlimmen. Wenn ich bei meiner Arbeit als Krankenhausseelsorgerin Patientinnen und Patienten frage, was ihnen Kraft gibt, mit einer schweren Erkrankung umzugehen, kommt oft: „die Familie“. Auf den Nachtkästchen stehen oft Bilder der Kinder oder der Enkel und die Augen beginnen zu leuchten, die Stimme wird fester, wenn diese Menschen von ihren Lieben erzählen.

Es gibt aber auch genau das Gegenteil. Da erfahre ich dann von Kindern, die sich nicht – genug – um ihre alten Eltern kümmern, von Söhnen oder Töchtern, die den Kontakt zu Mutter oder Vater abgebrochen haben, von Menschen, die ihre Enkel nicht sehen dürfen, weil Streit herrscht. Ich weiß von Familien, die nicht mehr miteinander reden, wo die Tochter nicht ans Sterbebett der alten Mutter kommen darf, weil sie das nicht schafft und ihre Schwester ihr das verweigert. Ich weiß um zerbrochene Familien durch Untreue der Ehepartner, durch Scheidung… Ich habe erfahren, wie schlimm es sich für das Leben von Kindern auswirkt, wenn die Eltern nicht wirklich für sie da sein können, weil sie mit eignen Problemen beschäftigt sind.

Und doch bleibt die Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und Nestwärme. Besonders virulent ist das an Weihnachten. Wer einsam ist, ist das an Weihnachten noch einmal mehr. Alle meine diesjährigen Versuche, Menschen, die an Weihnachten allein sind, mit anderen ebenfalls Einsamen zusammenzubringen, sind gescheitert, m. E. weil alle vor allem selbst mit ihren Wünschen und ihren Themen im Mittelpunkt stehen wollen, vielleicht auch müssen und jemand Stabilen und Einfühlsamen suchen und nicht jemanden, der selbst belastet ist.

In Familien fällt viel Arbeit an, emotionale und praktische. Kinder sollen gut versorgt und liebevoll ins Leben begleitet werden. Sie sollen gut erzogen werden und materiell mit allem Nötigen versorgt werden. Früher dachte man, dafür sei es am besten, wenn der Ehemann und Vater das Geld verdient und die Mutter sich ganz um Haushalt und die Kinder kümmert. Heute sind fast alle Frauen mit Kindern auch noch berufstätig. Aber wer kümmert sich, dass eingekauft wird, dass es etwas Warmes zum Abendessen gibt, dass gespült, geputzt und gewaschen ist, dass die Kinder passende Schuhe und Kleidung haben? Wer fährt und rennt hin, wenn der Anruf aus der Kita kommt, dass der Kleine Bauchweh hat und spucken musste? Wer kümmert sich um den Kinderarzttermin, wer um das Geburtstagsgeschenk für die Freundin der 6Jährigen, wer um das Hörgerät für die betagte Mutter oder den Zahnersatz für alten Vater……und andere tausend „Kleinigkeiten“?

Immer noch kümmern sich fast ausschließlich die Frauen. Immer kümmern, immer geben geht auf Dauer nicht. Das wäre wie wenn man ein Auto ohne Sprit fahren wollte. Es muss also auch in der Familie oder außerhalb die Möglichkeit geben aufzutanken. Es muss Zeiten und Erlebnisse geben, die neue Kraft tanken lassen. Es ist noch eine große politische und gesellschaftliche Aufgabe, Familien so zu unterstützen, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können.

Wer geben soll, muss erst empfangen haben. Grundlegend dafür ist die Erfahrung von unbedingtem Geliebtwerden, die Erfahrung erwünscht zu sein, gesehen zu werden, zu spüren, ich bin richtig so, wie ich bin, es ist gut, dass es mich gibt. Wenn es gut läuft, erfahren das Menschen von Geburt an in ihren Familien. Leider läuft es aus vielen verschiedenen Gründen nicht immer gut. Nicht alle Familien sind in der Lage das zu geben, was die einzelnen brauchen.

Da ist es gut, dass es noch etwas über die Familie hinaus gibt. In der Lesung haben wir heute gehört: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es. Für Gott ist jede und jeder von uns geliebter Sohn oder geliebte Tochter, vor jeder Leistung, egal, was man oder frau anstellt im Leben, egal wie frau oder man ist.

Diese Zusage gilt. Aber man muss etwas von ihr spüren. Sie kann vermittelt sein durch Menschen, die einen anderen Menschen unbedingt achten und schätzen als Mensch. Ich glaube daran, dass auch, wenn mich keine oder keiner mag, Gott mich liebt. Aber, wenn ich einem anderen das nur sage, glaubt er oder sie mir nicht so einfach. Er oder sie muss mindestens eine Ahnung davon erleben – durch mich oder andere Menschen. Und dann ist es vielleicht nicht mehr so dramatisch, wenn es in der eigenen Familie nicht so klappt.

Diese Erfahrung oder mindestens die Ahnung davon, wirklich geliebt zu sein, wünsche ich uns allen. Amen.

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