Aktive Sehnsucht nach dem Reich Gottes – 33. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 13
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern – und Jüngerinnen -:
24 In jenen Tagen, nach jener Drangsal, wird die Sonne verfinstert werden und der Mond wird nicht mehr scheinen;
25 die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
26 Dann wird man den Menschensohn in Wolken kommen sehen, mit großer Macht und Herrlichkeit.
27 Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.
28 Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist.
29 So erkennt auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass er nahe vor der Tür ist.
30 Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles geschieht.
31 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
32 Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.

Autorin:
4546 023bMaria Sinz, Gemeindereferentin, KAB Aalen (Kath. Arbeitnehmer*innen Bewegung), Schwerpunkt Pflege

 
Die Predigt:
Aktive Sehnsucht nach dem Reich Gottes

Liebe Leserin, lieber Leser,
ein Untergangsszenario kosmischen Ausmaßes wird gezeichnet, Finsternis, Sterne fallen vom Himmel, Erschütterung. Was wir heute lesen ist ein Ausschnitt aus der Rede über die Endzeit. Es klingt bizarr. Auch dramatisch. Der Untergang einer Welt – und der Beginn einer neuen wird in Szene gesetzt, der Menschensohn kommt. Was in diesem Bild wie Weltuntergangsstimmung daherkommt meint eigentlich die Sehnsucht nach etwas Neuem. Gerade wenn alles immer schlimmer zu werden scheint, wird diese Sehnsucht wach.

Dieses drastische Bild bedient vielleicht eher eine bestimmte Denkweise. Endzeitstimmung, Untergang und ein mächtiger Herrscher des Lichts, der dagegen steht. Düstere Vorhersagen, alles spitze sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu. Auch das ist offensichtlich die Sprache des Evangeliums, damit alle verstehen, was am Beginn des Markusevangeliums ganz anders ausgedrückt wird: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Und dann wird mit Wirken und Leben Jesu, beschrieben, was damit gemeint ist. Nicht mit einem Donnerschlag und vom Himmel fallenden Sternen beginnt die Neue Zeit. Sie ist schon da. Sie kommt nicht von außen, sondern lebt immer da, wo wir der tiefen Sehnsucht, die als Gesetz in unsere Herzen gelegt ist, Aufmerksamkeit schenken, sie für wahr nehmen und nach ihr handeln. Kehrt um und glaubt an das Evangelium, heißt es im Auftakt bei Markus.

Dazu erzähle ich von einem Tag, den ich diese Woche erleben durfte. Es geht um die heilende Kraft des Humors, mitten in Zeiten großer Bedrängnis. Schon lange hatten wir im Treffpunkt Arbeitnehmer*innen in der Pflege einen Workshop „Humor im Pflegealltag“ geplant. Im letzten Jahr konnte er im lock down nicht stattfinden. Auch andere Bedenken stellten sich zunächst dagegen. Wir kämpfen gerade mit der Aktion „Pflege braucht Zukunft“ politisch für bessere Arbeitsbedingungen. Manche meinten, da passe so ein Tag nicht ins Konzept, er könnte unsere Anstrengungen verwässern, ablenken, schwächen. In der Pflege kann man tatsächlich von hoher Not und Bedrängnis sprechen. Noch ausgelaugt vom letzten lock down, stehen Arbeitnehmer*innen in der Pflege jetzt wieder vor großen Herausforderungen und kämpfen gleichzeitig für bessere Bedingungen. Trotz hoher Anerkennung können sie keine nennenswerte Unterstützung erwarten. Wenn es aufs Handeln ankommt, wird die Situation regelmäßig von anderen Themen überlagert.

In dieser zugespitzten Lage haben sich 16 Pfleger*innen getroffen, um sich einen Tag lang auf die Spur von Humor im Arbeitsalltag zu machen. „Ich nehme mir einen Tag, an dem keine Anforderungen an mich gestellt werden, ich nicht funktionieren muss“, sagte eine Teilnehmerin. Eine andere: „Morgen werde ich einen Fortbildungstag „Tod und Sterben“ halten, und genau deshalb bin ich heute hier.“ Eine dritte: „Ich bin auf der Suche nach einem anderen Umgang mit ewig nervenden Marotten von Bewohnern.“ Eine Teamleiterin: “Als ich die Einladung im Dienstzimmer sah, sagte ich meiner PDL (Pflegedienstleiterin), „da geh ich hin. Gerade jetzt. Ich will meinen jüngeren Kolleg*innen was mitgeben.“ Eine andere Teilnehmerin: „Es ist nicht mehr auszuhalten, wie die Kolleginnen dicht machen, menschlich, um irgendwie durchzukommen.“ Und dann wird es erstmal leise und sanft. Erzählt wird vom Tun eines Klinikclowns, der auch auf Demenzstationen in Pflegeheimen unterwegs ist. Bilder von Menschen und von Begegnungen, von Schicksalen, von Erfahrungen. Langsam werden wir wach für die erste Übung, Perspektivenwechsel, was passiert gerade?

Nachdem wir im entschleunigten Modus angekommen sind, lassen wir uns auf spielerische Übungen mit kleinen, verrückten Nuancen ein. Wohlbefinden breitet sich aus. Die Übungen werden anspruchsvoller und zeigen, wie Freude, Lachen und Komik entstehen. Das Tun verbindet sich mit theoretischen Impulsen. Wahrnehmen, Resonanz, Gleichklang, Kontakt, Abgrenzung werden betrachtet und der Spaß, Fehler machen zu dürfen, wird erfahren. So wird einen Tag lang die Spur zur inneren Kraft freigelegt. Was der Clown tue, sei, an die innere Kraft zu erinnern. Es gehe nicht um Lernen, sondern um Erinnern, an etwas, das da ist. Am Ende des Tages drückt eine Teilnehmerin die Stimmung so aus: „Ich bin platt und zufrieden“. Wir bekommen noch eine ganz individuelle Definition von Humor mit auf den Weg: Humor bedeute „Licht unter den Acker des anderen zu pflügen“.

Ich denke damit beschreibt Ludger Hoffkamp, der Theologe und Clown ist, was mit der aktiven Sehnsucht nach dem Reich Gottes gemeint ist. Es ist eine beständige, wiederkehrende Tätigkeit. Sie ist gebunden an Kontakt. Sie hat mit Behutsamkeit zu tun, genauso wie mit Kraft. Die Tätigkeit scheint paradox, denn Licht kann man ja eigentlich nicht einpflügen. Es scheint unmöglich und doch weiß man genau was man tut. Energie in etwas reingeben, dessen Ergebnis nicht in der eigenen Hand liegt. Hoffkamp spricht vom Möglichkeitssinn, dem er auf der Spur sein will. So wie in der Regel vom Wirklichkeitssinn die Rede sei, wolle er vom Sinn für das Mögliche sprechen.

Licht unter den Acker pflügen, ist ein zärtliches Bild, eine schöne Ergänzung oder Alternative zum drastischen Eingangsbild. Ein Bild das Himmel und Erde zusammendenkt. Leichtigkeit und Bodenhaftung kommen zusammen.

Es ist ein Bild, das wir auch gut mitnehmen können in den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen, faire Löhne und solidarische Finanzierung der Pflegeversicherung. Wie oft scheint es aussichtslos. Wie oft zeigt sich der Boden extrem hart, etwa wenn Politiker*innen zwar öffentlich für gute Löhne sprechen, sich aber am Verhandlungstisch, an dem sie selbst auf der Arbeitgeberseite sitzen, von einer ganz anderen Seite zeigen. Wie enttäuscht sind wir, wenn die Idee der solidarischen Finanzierung, für die wir unterwegs sind, es wieder nicht in die Koalitionsverhandlungen geschafft hat. Trotzdem weiter pflügen. Unsere Erfahrung ist auch: das gemeinsame Tun ist ein Lichtmoment, das Menschen aufrichtet und stärkt. Dafür bin ich dankbar.

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Aktive Sehnsucht nach dem Reich Gottes – 33. Sonntag im Jahreskreis B

  1. Gabriele sagt:

    Liebe Maria,
    und ich bin dankbar für Deine Predigt. Sie hat mir ein Lächeln in schwierigen Zeiten aufs Gesicht gezaubert!

Schreibe einen Kommentar zu Gabriele Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

18 − 13 =

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>