Der Himmel ist in uns – Christi Himmelfahrt

Erste Lesung aus der Apostelgeschichte, Kapitel 1
1 Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat,
2 bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde. Vorher hat er den Aposteln, die er sich durch den Heiligen Geist erwählt hatte, Weisungen gegeben.
3 Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen.
4 Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt.
5 Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden.
6 Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?
7 Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.
8 Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.
9 Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.
10 Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen
11 und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.

Autorin:
burst Dr. theol. Rose Kaufmann lebt und arbeitet in Sindelfingen

 
Die Predigt:
Der Himmel ist in uns

Liebe Leserin, lieber Leser,
in meiner Kindheit gehörte Christi Himmelfahrt zu meinen liebsten kirchlichen Festen. Die Natur ist aus ihrer Winterstarre zurückgekehrt und blüht auf. Öschprozessionen (Ösch = Flur) über Felder und Gottesdienste unter freiem Himmel begleiteten den Tag. Eine Feier unter freiem Himmel war das Motto zu Christi Himmelfahrt. Über mir war nur das Blau des Himmels; mir wurde das Herz weit und ich fühlte mich dem Himmlischen so nahe. Eine Leichtigkeit und Unbeschwertheit lag über diesem Tag.

Als Kind suchte ich Gott als gegenüber im Himmel und fühlte mich ihm im Freien am nächsten.

Der Wortlaut der Apostelgeschichte mag die Vorstellung von Gott da oben im Himmel und wir Menschen hier unten auf der Erde verfestigt haben. Jesus gibt seinen Jüngern letzte Anweisungen und dann wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Jesus entschwindet in den Wolken. Die Jüngerinnen und Jünger werden zu Zeugen dieser Himmelfahrt. Schon wieder ein plötzliches und unvorhergesehenes Ereignis. War denn nicht schon genug passiert? Die Apostelgeschichte gibt einen knappen Überblick über das, was sich in den vierzig Tagen nach Ostern ereignet hatte. Zunächst das Erstaunen über das leere Grab. Dann eine erste Erklärung: Der auferstandene Christus zeigt sich Maria und den Emmaus Jüngern. Doch der Unglaube, nicht nur des Thomas, überwiegt. Es bedarf weiterer Begegnungen und vertrauensbildender Maßnahmen, wie ein gemeinsames Mahl, bis sich die Jünger auf die neue Wirklichkeit einlassen. Jesus ist von den Toten erstanden. Er spricht ihnen die Kraft des Heiligen Geistes zu und ermutigt sie, Zeugen seiner Auferstehung zu werden.

Und nun schon wieder eine neue Herausforderung, gar eine weitere Zumutung. Was mag wohl in den Jüngerinnen und Jüngern vorgegangen sein? Vielleicht so etwas wie, mir reicht´s! Ich verstehe gar nichts mehr. Oder: Ist Jesus nun endgültig weggegangen? Sozusagen ein Abschied für immer? Ungläubiges Staunen, Beklommenheit, ein mulmiges Gefühl verwaist zu sein, Trennungsschmerzen, die sich breit machen? Wer es selbst am eigenen Leib erlebt hat, wie schmerzhaft es ist, wenn ein geliebter Mensch für immer weggegangen ist, wird die Bestürzung der Jünger nachempfinden können.

Doch dieser Gefühlscocktail bleibt nicht unbeantwortet: Zwei weiß gekleidete Männer erschienen ihnen und sagten: Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor. Dieser Jesus der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen. Die Engel greifen das Gefühl der Jünger, von Jesus verlassen worden zu sein, auf. In ihrem Schmerz erfahren sie Zuspruch: „Er wird wiederkommen.“

Wir können nur erahnen, ob die Jüngerinnen und Jünger in der Begegnung mit den Engeln Trost gefunden haben. Für diese Vermutung spricht, so der weitere Fortgang der Apostelgeschichte, dass die Männer und Frauen in der Gefolgschaft Jesu einen neuen Aufbruch wagen und beginnen, die Botschaft Jesu vom Reich Gottes zu verkünden. Doch ist die Erklärung der Wiederkehr Jesu für uns heute ausreichend? Eine Inthronisation Jesu zur Rechten Gottes manifestiert die Vorstellung vom Göttlichen als einer Macht, die außerhalb unserer irdischen Welt residiert. Sind wir Menschen dazu bestimmt, getrennt vom Göttlichen zu leben? Leben wir in einer irdischen Welt ohne Gott? Eine Trennung der Welt in einen göttlichen Himmel oben und eine profane Erde unten ist unbefriedigend und die Vorstellung einer solchen Trennung schmerzt zutiefst.

Kann es wahr sein, dass der Weg ins Himmelreich nur über gute Taten, wie Jesus sie vorlebte, und einen unermüdlichen Glauben an ihn erwirkt werden kann? Bleibt ansonsten der Zugang zu dieser göttlichen Welt verschlossen?

Himmel ist kein Ort und Himmelfahrt beschreibt keine Reise dorthin. Sie ist der äußerlich wahrnehmbare Endpunkt im Leben Jesu und markiert die Einswerdung mit dem Göttlichen. Alles was Jesus tat, predigte und bewirkte, war bereits eine Hinwendung zum Göttlichen. Die Äußerung Jesu: Ich gehe zum Vater (Joh 14,12), beschreibt keinen Weg, kein Aufbrechen von der Erde und ein Ankommen im Himmel. Es meint, dass der Mensch Jesu untrennbar hineingenommen wurde in die Wirklichkeit des Göttlichen.

Die Wirklichkeit des Göttlichen kann nicht mit den Sinnen und dem Verstand begriffen werden. Der Ausspruch, „ich fühle mich wie im siebten Himmel“ mag dieser göttlichen Wirklichkeit nahekommen. Es schwingt darin ein Gefühl von Seligkeit, Frieden, Fülle des Lebens. Eine spirituelle Erfahrung, in der ich erlebe, richtig zu sein, so wie ich bin, heil zu sein, weil ich mich unbedingt geliebt fühle, nicht getrennt zu sein, weil ich spüre, Teil des Ganzen zu sein.

Dieser Himmel ist in uns. Weder Raum noch Zeit trennen uns von dieser göttlichen Wirklichkeit. Der Vater und ich sind eins benennt die untrennbare Verbundenheit Jesu Christi mit dem Göttlichen. Die Einheitserfahrung Jesu mit dem Vater, – so nennt Jesus das göttliche Urprinzip – ist wohl einzigartig. Die Verbindung mit dem Göttlichen im hier und jetzt gilt aber für die gesamte Schöpfung. Alle Lebensformen sind Inkarnation des Göttlichen in der Welt, jeder ist mit jedem verbunden und eins im Göttlichen.

So wird Himmelfahrt zu einer Feier des Göttlichen in uns, sozusagen dem Himmel auf Erden.

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