Ein König, aber anders – Palmsonntag B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 11
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
Es war einige Tage vor dem Pessahfest.
1 Als sie in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage und Betanien am Ölberg, schickte er zwei seiner Jüngerinnen und Jünger
2 mit folgenden Worten los: »Geht in das Dorf vor euch und gleich, wenn ihr hineinkommt, werdet ihr einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch kein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los und führt ihn her.
3 Falls euch jemand fragt: ›Was tut ihr da?‹, dann antwortet: ›Der Lehrer braucht ihn und schickt ihn gleich wieder hierher zurück‹.«
4 Da gingen sie, fanden einen jungen Esel an einer Tür außen auf der Straßenseite angebunden und banden ihn los.
5 Einige der dort Stehenden sprachen sie an: »Was bindet ihr dieses Jungtier los?«
6 Sie antworteten, wie Jesus geraten hatte, und sie ließen sie gehen.
7 Sie führten den jungen Esel zu Jesus, legten ihre Obergewänder darauf, und er setzte sich auf ihn.
8 Viele breiteten ihre Obergewänder auf dem Weg aus, andere Laubbüschel, die sie auf den Feldern abgeschnitten hatten.
9 Die Vorangehenden und die Nachfolgenden riefen laut: »Hilf doch! Gesegnet sei, wer im Namen Gottes hereinkommt!
10 Gesegnet sei das kommende Reich unseres Vorfahren David! Hilf doch, Du in der Höhe!«

Autorin:
Angela RepkaAngela Repka, Literaturübersetzerin, Offenbach, Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische Tätigkeit in der Pfarrgemeinde

 
Die Predigt:
Ein König, aber anders

Liebe Leserin, lieber Leser,
Palmsonntag – ein denkwürdiger Tag am Beginn der Karwoche, der in allen vier Evangelien geschildert wird. Jesus nimmt nun das Heft in die Hand und steuert direkt auf den Gipfelpunkt seiner Mission zu, die jedoch anders endet, als es die Seinen und die ihm zujubelnden Menschen erhofft haben. Jesus outet sich, wie man salopp sagen könnte. Allerdings hat er auch in der Zeit seines öffentlichen Wirkens davor nicht verborgen, wozu er sich von Gott berufen wusste. Er war gekommen, um den Anbruch des Reiches Gottes, des „Wohl schaffenden Gutseins Gottes“ (E. Schüssler Fiorenza), mitten unter den Menschen zu verkünden, es für sie erfahrbar zu machen und zur Umkehr zu rufen.

Am Beginn seines öffentlichen Auftretens liest er in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth aus dem Buch Jesaja vor: „Die Geistkraft der Lebendigen hat mich gesalbt, den Armen frohe Botschaft zu bringen. Sie hat mich gesandt auszurufen: Freilassung den Gefangenen und den Blinden Augenlicht! Gesandt, um die Unterdrückten zu befreien, auszurufen ein Gnadenjahr der Lebendigen“ (Lk 4,18-19, BigS). Die Zuhörerschaft war auf Jesu Auslegung gespannt, doch der sagt nur einen einzigen verblüffenden Satz: Heute hat sich diese Schrift vor euren Ohren erfüllt. Zunächst spenden ihm alle Beifall, aber als er mit den Worten Kein Prophet und keine Prophetin sind angenehm für ihre Heimatstadt an ihnen Kritik übt und zum Beweis mehrere Beispiele aus der Vergangenheit Israels anführt, sind sie außer sich vor Wut. Sie werfen ihn aus der Stadt hinaus., ja sie wollen ihn sogar umbringen, aber Jesus schreitet mitten durch sie hindurch und geht weg.

Schon hier hat sich im Kleinen abgespielt, was Jesus in Jerusalem auf großer Bühne widerfahren wird. Diesmal jedoch mit tödlichem Ausgang – obwohl er so viel Gutes getan, Menschen geheilt, Dämonen ausgetrieben, Tote lebendig gemacht hat, ganz im Sinne der Prophetie des Jesaja. Oder gerade deshalb? Kurz bevor Jesus nach Jerusalem hinaufgeht, heilt er noch den blinden Bartimäus, der nun dem Meister dankbar und mit Lobpreis folgt. Die Leute laufen Jesus nach, reden von ihm, lassen sich von ihm berühren, heilen. Viele hoffen, dass er ihnen und dem gesamten Volk hilft. Das weckt bei den damaligen Eliten Misstrauen, Neid und die Angst vor Machtverlust. Am Ende wird es ihnen gelingen, die im Volk verhasste, unterdrückerische römische Besatzungsmacht in ihrem Vertreter Pontius Pilatus zu instrumentalisieren, um den Störfaktor Jesus zu beseitigen – noch vor dem Pessahfest, zu dem die Menschen von überallher in Scharen herbeiströmen.

Was tut Jesus in dieser für ihn prekären Situation? Er ahnt bereits, was ihn erwartet, und er hat auch versucht, die Seinen auf das Kommende vorzubereiten, doch die haben ihn nicht verstanden. Oder vielleicht nicht verstehen wollen? Unangenehmes, vor allem den Tod, verdrängt der Mensch ja gern. Mit Begeisterung waren sie dann dabei, als Jesus auf dem Füllen einer Eselin den Ölberg nach Jerusalem hinabritt und die Menschen ihre Kleider vor ihm auf dem Boden ausbreiteten. Sie jauchzten und riefen laut: Hosanna! Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe! Endlich war der Bann gebrochen, endlich gab sich Jesus allen öffentlich als der zu erkennen, als den sie ihn durch seine Taten und Lehren schon erkannt und bekannt hatten: als der verheißene Messias, der Gesalbte Gottes, der verheißene König Israels. Denn, wie die biblischen Könige Israels nach altem Ritus auf einem Esel zur Thronbesteigung ritten und die Menschen ehrerbietig ihre Kleider vor ihnen ausbreiteten (vgl. 2. Könige, 1,38-40; 9,13), so zog auch Jesus jetzt feierlich in Jerusalem ein – nur ohne Prunk und Machtgehabe. Alle verstanden das Zeichen, auch seine Feinde. Sie verstanden aber nicht, dass er keine Herrschaft anstrebte, wie die einen es erhofften und andere es befürchteten. Alle spürten jedoch etwas umstürzend Neues, das ihnen da in Jesus begegnete.

Mein Reich ist nicht von dieser Welt.,(Joh 18,36) wird Jesus bei dem ungerechten Schnellprozess zu Pilatus sagen. Das ist nicht jenseitig gemeint, so als hätte es nichts mit der Welt zu tun, sondern herrschaftskritisch. Jesus geht es um das Reich Gottes, dessen Samen er neu zum Sprießen gebracht hat, mitten unter uns, damit es zur Hoffnung und Freude aller immer weiter wachse, hier und jetzt, durch uns und mit uns, bis ans Ende der Zeit.

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