Du sollst Gottes Namen nicht missbrauchen – 3. Fastensonntag B

Erste Lesung aus dem Buch Exodus, Kapitel 20
In jenen Tagen sprach Gott auf dem Berg Sinai
1 alle diese Worte:
2 Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
3 Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
7 Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.
8 Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!
12 Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.
13 Du sollst nicht töten.
14 Du sollst nicht die Ehe brechen.
15 Du sollst nicht stehlen.
16 Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.
17 Du sollst nicht nach das Haus deines Nächsten begehren. Du sollst nicht nach die Frau deines Nächsten begehren, nicht seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel oder irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 2
13 Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf.
14 Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen.
15 Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus,ihre Tische stieß er um und
16 zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
17 Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.
18 Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?
19 Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.
20 Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten?
21 Er aber meinte den Tempel seines Leibes.
22 Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.
23 Während er zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat.
24 Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, denn er kannte sie alle
25 und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn er wusste, was im Menschen war.

Autorin:
Greiner-Jopp Gabriele 2017Gabriele Greiner-Jopp lebt in Wendlingen, war als Dekanatsreferentin, Gemeindereferentin und Beraterin tätig

 
Die Predigt:
Du sollst Gottes Namen nicht missbrauchen

Liebe Leserin, lieber Leser,
ein Gott, der Strafe ankündigt, ein Jesus, der zornig und – ganz Mensch – vielleicht sogar unbeherrscht ist: die heutigen Bibeltexte konfrontieren uns mit Gottesvorstellungen, die wir oft ausblenden, beiseiteschieben, weil sie für uns unangenehm oder unverständlich sind. Jedoch gilt auch für diesen Fall: wenn wir uns daran reiben, darüber stolpern, könnte das der Ort neuer Erkenntnisse sein. Was nicht glatt ist, besitzt mitunter Tiefe.

Ich habe mich gefragt, was die Lesung aus dem Alten Testament und das Evangelium miteinander zu tun haben. Die nicht glatten und „lieblichen“ Gottesvorstellungen könnte eine Verbindung sein. Eine zweite könnte sein, dass es darum geht, wer Gott für uns ist. Was bedeutet es, wenn wir Gott in unser Leben einlassen, Gott an die erste Stelle setzen und so zu Menschen werden, in denen Gott wohnt? In der Predigt heute konzentriere ich mich auf die zehn Gebote, also die Lesung, und da besonders auf die ersten drei. Aus aktuellem Anlass noch auf das vierte; alle Zehn sind jedoch Grundlage für gelingendes Leben weit über das Juden- und Christentum hinaus.

Wer einen genauen Blick auf die zehn Gebote wirft, merkt, dass sie in zwei Teile gegliedert sind. Überdies besitzen sie eine interessante Einleitung: Gott erinnert die Menschen, die an ihn glauben, an die Befreiung aus der Sklaverei. Unser Gott ist also jemand, der die Freiheit von Menschen will, ihre Selbständigkeit, ihre Selbst-Verantwortung – ihre Würde. Nur als aufrechte und freie Menschen können wir uns für oder gegen Gott entscheiden. Diese Freiheit schenkt uns Gott und will, dass wir uns daran erinnern.

Die Gebote selbst sind gegliedert in drei Gebote, die das Verhalten gegenüber Gott betreffen und sieben Gebote, die das Verhalten der Menschen untereinander regeln. Das erste Gebot: Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Auch dieses Gebot verstehen wir so richtig erst, wenn wir uns vorstellen, was passiert, wenn wir an die Stelle Gottes andere Menschen setzen; diese gottähnlich verehren, bzw. gezwungen werden sie zu verehren – man denke an Nordkorea, Adolf Hitler, andere Despoten, oder unseren Besitz, unsere Fitness, den Sport, eine Ideologie. Geben wir unsere gottgewollte Freiheit und damit unsere Würde auf für Götzen, für Ersatz, der nicht trägt?

Das zweite Gebot: Du sollst Gottes Namen nicht missbrauchen. Oft verstanden als: Du sollst nicht fluchen. Das greift zu kurz. In seinem Namen war Gott für das Volk Israel gegenwärtig. Und diese Gegenwart Gottes in seinem Namen dürfen wir nicht für unsere Zwecke einspannen. Sich an die Stelle Gottes setzen oder Gott für eigene Zwecke missbrauchen – das lässt Gott nicht ungestraft; die “Strafe“ ist die Folge unseres Handelns. Jeder Missbrauch von Macht, alle Arten von Kriegen, besonders jene, die in Gottes Namen geführt wurden oder werden, sind schon eine Strafe an sich und die Folgen für die Menschen entsetzlich. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, wirkt umso schlimmer, wenn sie im Namen Gottes ausgeübt wird. Jesus selbst hat ausdrücklich vor Gewalt in jeder Form gewarnt. In seinem Leben hat er die Spirale der Gewalt durchbrochen und dafür mit dem eigenen Leben „bezahlt“. Trotzdem hat er Unrecht beim Namen genannt und konnte zornig werden, wenn er sah, wie Menschen Gott für ihre eigenen Zwecke benutzen wollten. Die schrecklichen Folgen unseres Handelns ertragen, so sieht die „Strafe“ Gottes aus. Davor warnt Gott.

Da dritte Gebot: Gedenke des Sabbats und halte ihn heilig. Alle drei abrahamitischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, kennen und halten einen Ruhetag: Samstag, Sonntag, Freitag. Mit diesem Gebot sorgt Gott für die Würde des Menschen. Wie Gott selbst sollen wir nach 6 Tagen Ruhe haben und damit „schöpferisch“ wie Gott im Wortsinn sein können. Es war in der Antike – und in manchen Gesellschaften ist es leider immer noch so – ein Vorrecht von Freien und Bürgern, Feiertage zu haben. Leibeigene, Sklaven und Gefangene hatten dieses Recht nicht. Nur im jüdischen Volk galt das Gebot, dass auch Sklaven an der Sabbatruhe teilhaben sollen. Dass sich manche Menschen freiwillig an ihre Arbeit versklaven – göttlich gewollt ist das nicht.

Aus aktuellem Anlass will ich noch etwas zum Ersten der sieben Gebote sagen, die das Zusammenleben der Menschen regeln. Ehre Vater und Mutter, damit du lange lebst, in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt. Oft wurde so interpretiert: Gehorche Deinen Eltern! Jemanden ehren bedeutet etwas anderes. Es bedeutet, diesen Menschen würdevoll zu behandeln. Ihm/ihr Respekt zu erweisen. Gerade das wurde zu Beginn der Pandemie in den Altenheimen oft vernachlässigt, wenn alte Menschen isoliert wurden, allein sterben mussten. Der Schutz der alten Menschen wurde erst spät umfassend verstanden; mit der Impf-Priorisierung wurde ein Weg gefunden, sie zu ehren, indem ihnen Schutz zugestanden wurde und ihre Isolierung beendet werden kann. In Japan gibt es eine Weisheit: Die größte Kulturleistung eines Volkes, sind die zufriedenen Alten. So könnte dieses Gebot heute verstanden werden.

Um die restlichen Gebote, sechs bis zehn, in ihrer ethischen Sinnhaftigkeit zu erfassen, brauchen wir uns nur zu fragen, wie unser Leben aussähe, wenn die Mehrheit der Menschen sich nicht an diese Gebote hielte – wenn z. Bsp. Mord und Totschlag erlaubt wären, wenn alle sich am Eigentum anderer bedienen dürften, wenn lügen und betrügen gang und gäbe wäre. Wir sehen, wie sehr Menschen leiden, die geld- und machtgierigen Staatschefs untergeordnet sind. Wir sehen, wie Gewalt, Ausbeutung und Repression wächst wo Gerichte nicht unabhängig urteilen; wir sehen was Korruption anrichtet, Lügen zwischen Menschen und in Medien. Die Auswirkungen auf Familien, Gesellschaften und Staaten sind überall und durch alle Zeiten hindurch ähnlich: Angst, Resignation, Wut, Hass, Elend bei vielen. Wohlergehen, Sicherheit nur bei wenigen. Sich vorzustellen, es gäbe die Ethik der zehn Gebote nicht, hat genügt und genügt vielen Gesellschaften immer noch, um auf der Grundlage dieser oder ähnlicher Gebote das gedeihliche, gerechtere und friedlichere Zusammenleben der Menschen zu regeln.

Auf diesem Hintergrund lässt sich für mich besser verstehen, weshalb Jesus im Tempel zornig wird: Gottes Anwesenheit im Tempel, sein Name, wird missbraucht. Dabei hat Gott uns die Würde verliehen, lebendige Tempel zu sein, in denen das ewige Sein wohnen will. Jesus ist mit seiner Botschaft und seinem Leben dafür eingestanden. Richten wir uns als Christen ebenfalls danach?

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