Lieben und Leiden – 4. Fastensonntag B

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 3
In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus:
14 wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden,
15 damit jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben hat.
16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.
19 Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse.
20 Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.
21 Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin der Diözese Rottenburg-Stuttgart a.D., jetzt Pfarrgemeinderätin in St. Bruno Würzburg

 
Die Predigt:
Lieben und Leiden IMG_1718 (2)

Liebe Leserin, lieber Leser,
könnte der Verfasser des Johannesevangeliums das Kreuz in der St. Bruno Kirche Würzburg, vom Goldschmiedemeister Josef Amberg, sehen, wäre er bestimmt begeistert. Denn es erfasst genau das, worauf der Johannesevangelist hinaus will: Das ewige Wort ist hinabgestiegen, hat Fleisch angenommen und wurde ein Mensch wie wir. Durch sein Leben, das ins Leiden und und zum Tod am Kreuz führte, stieg er wieder hinauf zum Vater. Das Kreuz ist für Johannes nicht nur das Sinnbild seines Leidens, sondern vor allem seiner Erhöhung und Verherrlichung. Auch Johannes kennt die Geschichten von der Begegnung des Auferweckten mit den Jüngerinnen und Jüngern. Aber das Entscheidende ist für ihn am Kreuz geschehen: Dort hat Jesus Tod und Finsternis besiegt. Im Tod ist das Leben. Alle, die an den Erhöhten glauben, das heißt so handeln, dass es vor Gottes Augen bestehen kann, tragen schon jetzt das ewige Leben in sich. So der Johannesevangelist, der seine Worte aus seiner Betrachtung des Lebens Jesu heraus, Jesus in den Mund legt.

Die Worte des Johannesevangeliums im heutigen Abschnitt sollten wir meditieren, verinnerlichen, damit umgehen, damit sie sich uns erschließen können. Einige dürre Sätze, wie die meinen, reichen dazu nicht aus. Das gilt besonders für den zweiten Abschnitt.

Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.
Kein Mensch würde das tun: sein einziges Kind der Gewalttätigkeit und Bosheit auszuliefern, um jemanden zu retten. Aber genau das ist, nach Johannes, Gottes Opfer gewesen. Jesus sollte die Welt endgültig aus ihrer Finsternis des schlechten Handelns befreien und zu Gottes Weisung zurückführen. Und was ist daraus geworden? Jede Tageszeitung zeigt neben den guten Taten wie dem Einsatz für Bedürftige und die Natur z.B. so unvorstellbar viel an Lug und Betrug, Bereicherung ohne Recht, Machtbesessenheit, Gewalt und Elend.

Lieben und Leiden
Durch die 2000jährige Geschichte der Menschheit seither zieht sich eine schreckliche Blutspur. Wir wissen alle vom Hunger im Jemen, der Verzweiflung in Syrien, den Gewalttaten in Afrika um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wie wichtig ist es doch, dass es Ordensleute und Hilfsorganisationen gibt, die aufhelfen und etwas Licht in die Finsternis bringen. Wenn Gott die Welt und ihre Menschen, jede und jeden einzelnen liebt, kann ihn das unberührt lassen?

Manche fragen heute: Wo bleibt Gott in der Corona-Krise. Aber tausendmal härter empfinde ich die Frage: Wo war Gott in den schrecklichen Kriegen des letzten Jahrhunderts? Wo war er in Auschwitz und in den anderen Konzentrationslagern, als sein bevorzugtes und auserwähltes Volk von den Nazis ausgelöscht werden sollte. Der jüdische Philosoph Hans Jonas gibt darauf die Antwort, man könne sich Gott nur noch als einen mitleidenden Gott denken. Auf dieser Spur weiter zu denken, bedeutet schließlich, dass Gott das Leben keines Menschen gleichgültig ist. Gott geht unseren Lebensweg mit und erleidet ihn mit: Einsamkeit, ungestillte Sehnsucht nach Liebe, Krankheit, Behinderung – Gott leidet mit. Ein unglaublicher und doch so notwendiger Gedanke, denn wie anders sollte Gott nach allem, was geschehen ist und geschieht, gedacht werden.

Wir begehen in diesem Jahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Unzählige jüdische Menschen haben das kulturelle, das wissenschaftliche und das wirtschaftliche Leben in Deutschland geprägt. Viele haben im ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft. Der Dank war Hass, Verleumdung und Vernichtung. Gott sei Dank hat es seit den 90er Jahre ein Wiedererstarken des jüdischen Lebens in Deutschland gegeben. Wir alle müssen – und das ist ein echtes Muss – gegen jede Form des Antisemitismus, und wenn er scheinbar nur in Witzen daherkommt, entschieden wehren. Wir können auch dieses Jahr mit den vielen Veranstaltungen aktiv begleiten und uns intensiver mit dem Judentum beschäftigen.

Es ist ein ungewohnter Gedanke zum Schluss: Gott in seinem Leiden an der Welt beizustehen. Dietrich Bonhoeffer hat es schon einmal formuliert: „Christen stehen bei Gott in seinem Leiden.“ Wo immer wir Lichtvolles leben und so in die Welt tragen, machen wir nicht nur die Welt besser im Sinne Jesu, sondern erleichtern auch Gottes Leiden. Nehmen wir das Wort mit in die kommende Passionszeit: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab. Amen

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

66 − = 57

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>