Dem Himmel so nah – 2. Fastensonntag B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 9
In jener Zeit
2 nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihnen verwandelt;
3 seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann.
4 Da erschien vor ihnen Elija und mit ihm Mose und sie redeten mit Jesus.
5 Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.
6 Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren vor Furcht ganz benommen.
7 Da kam eine Wolke und überschattete sie und es erscholl eine Stimme aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören.
8 Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemanden mehr bei sich außer Jesus.
9 Während sie den Berg hinabstiegen, gebot er ihnen, niemandem zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei.
10 Dieses Wort beschäftigte sie und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.

Autorin:
4f42d070Gabriele Thönessen, Gemeindereferentin in der Gemeinschaft der Gemeinden St. Servatius, Selfkant im Bistum Aachen

 
Die Predigt:
Dem Himmel so nah

Liebe Leserin, lieber Leser,
sind Sie schon einmal auf einen Berg oder Hügel gewandert? Für mich gibt es viele gute Gründe, ab und an einen anstrengenden Aufstieg auf mich zu nehmen. Mit jedem Schritt bekommen ich mehr Abstand vom Alltag mit all seinen Anforderungen und Sorgen. Je anstrengender es wird, je mehr konzentriere ich mich nur noch darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und werde ruhiger und achtsamer. Oben angekommen lasse ich mich gerne vom Wind durchpusten, schöpfe neue Kraft und genieße den weiten Blick. Oft fühle ich mich hier dem Himmel näher. Von jeher werden Berge als Orte der Gottesnähe und Gottesbegegnung erlebt, auch in der Bibel. Ich denke an Mose und Elia auf dem Berg Horeb, an den Ölberg, den Tempelberg in Jerusalem. Und nun führt Jesus im heutigen Evangelium drei seiner Jünger auf einen nicht näher bezeichneten Berg, um zu beten.

Seine Verkündigung befindet sich in einer schwierigen Situation. Es wird immer deutlicher, dass er nicht das ganze Volk Israel hinter sich scharen kann. Einige, die ihm schon nachfolgen, wenden sich wieder ab. Die religiösen Machthaber in Jerusalem trachten ihm nach dem Leben. Wenige Tage vorher fragte Jesus seine Jünger, für wen die Leute ihn halten, für wen sie ihn halten. Gut nachvollziehbar, dass er sich, wie schon mehrfach vorher, aus dem Alltag zurückziehen will, um in Zwiesprache mit Gott neue Kraft und Orientierung zu bekommen.

Auf dem Gipfel ereignet sich dann Außergewöhnliches. Während Jesus betet, verwandelt er sich sichtbar. Es geschieht etwas mit ihm, in ihm, für das der Evangelist kaum Worte findet. Er kann das Geschehen nur von „außen“ beschreiben – als besonderes Leuchten. Eine solche Gotteserfahrung ist im wahrsten Sinne des Wortes unbeschreiblich. Doch es geschieht noch mehr. Mose und Elia erscheinen, beide leidenschaftliche Gottessucher. Mose, der mit Gott auf dem Berg Horeb redete und danach auch ein besonderes Leuchten im Gesicht hatte. Der Prophet Elia, der Gott erfahren hat in der Stille, in einem sanften Säuseln. Beide Gestalten stehen im ersten Testament für Befreiung; Befreiung aus der Gefangenschaft Ägyptens, Befreiung von Götzendienst und Unglaube. Die drei Jünger haben sie erkannt und gemeinsam mit ihren Zeitgenossen glauben sie, kurz bevor der Messias kommt, werden Mose und Elia ihn ankündigen. Auch Jesus wird Befreiung bringen, weit über das hinaus, was sich die Jünger zu diesem Zeitpunkt vorstellen konnten.

Petrus meldet sich, wie so oft, schnell zu Wort. Er will Hütten bauen, will das, was geschieht, diese Gottesoffenbarung, festhalten. Doch schon der Evangelist kommentiert diesen Wunsch als unmöglich. Besondere Glücksmomente, ja göttliche Augenblicke kann man nicht festhalten, man kann sich ihnen öffnen, sie mit allen Sinnen durchleben – und als kostbaren Schatz im Herzen bewahren.

Wieder geschieht etwas Unglaubliches. Plötzlich stehen sie im Schatten einer Wolke, aus der eine Stimme spricht: Dieser ist mein geliebter Sohn. Da erübrigt sich das Fragen danach, für wen die anderen einen halten. Diese Stimme, diese Worte hörte Jesus auch bei seiner Taufe am Jordan. Sie erinnern an den Anfang von Jesu Verkündigung, sie erinnern auch daran, wozu Jesus gekommen ist.

Von Gott geliebt! Das möchte ich immer wieder neu für mich in allen Lebensbereichen durchbuchstabieren. Dann brauche ich mich nicht mehr zu fragen, was die anderen von mir denken, wie sie mich wahrnehmen, was sie von mir erwarten. Kein Mensch ist gänzlich frei von der Meinung anderer über ihn. Und das ist auch gar nicht schlimm. Wichtig ist, dass ich zuallererst nicht vergesse, dass ich, wie alle Menschen, Kind Gottes bin. So kann ich mich – und die Menschen um mich herum – in einem anderen Licht sehen.

Wenn ich mich von dieser Liebeserklärung Gottes berühren lasse, dann ist auch bei mir Verwandlung möglich. Ich brauche niemandem mehr zu beweisen – auch mit selbst nicht – dass ich wertvoll bin. Ich muss auch nicht mehr ängstlich auf all das schauen, was in meinem Leben bedrohlich und lebensfeindlich wirkt. Gerade dann kann ich mich dem Gott des Lebens anvertrauen, der mächtiger ist als der Tod, der mit mir ist und mir durch all die kleinen Tode und Abschiede hindurchhilft, die ich in meinem Leben durchleide. Ich muss mein Glück auch nicht in außergewöhnlichen Erlebnissen und Events suchen, damit mein Leben – scheinbar – Sinn bekommt und lebenswert ist. Das Außergewöhnliche ist bereits von Beginn an gesagt: Du bist geliebt. Das ist befreiend. Es ist noch mehr. Es bedeutet Auferstehung mitten im Leben.

Auf wen wir hören sollen, sagt die Stimme dann ebenfalls. Auf ihn sollt ihr hören schallt es den Jüngern entgegen. Wenn ich heute, im 21.Jahrhundert den gleichen Wunsch verspüre wie damals Mose und Elia, den Wunsch, Gott kennenzulernen, seine Nähe zu erfahren, dann schaue ich auf Jesus Christus. In seinem Gesicht kann ich Gottes Blick erkennen, in Jesu Worten Seine Stimme hören, in Jesu Taten Gottes Wirken spüren. Wo immer Menschen seit damals Gott suchen, sie finden ihn in Jesu Worten und Taten.

Diese Botschaft war so groß und neu, dass die Jünger das damals noch gar nicht ganz verstehen konnten. Vielleicht verbietet Jesus deshalb den Dreien auf dem Rückweg, davon zu erzählen. Erst nach Jesu Tod und Auferstehung ist es möglich, das Geschehene in all seiner weitreichenden Konsequenz zu verstehen und – dann erst – zu verkünden. Doch seit dieser Bergerfahrung müssen die drei Jünger Jesus buchstäblich in einem anderen Licht gesehen haben. Denn sie waren – für einen Moment – dem Himmel so nah.

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