Habt Vertrauen! – 19. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 14
Nachdem Jesus die Menge gespeist hatte,
22 drängte er die Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken.
23 Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um für sich allein zu beten. Als es Abend wurde, war er allein dort.
24 Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind.
25 In der vierten Nachtwache kam er zu ihnen; er ging auf dem See.
26 Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst.
27 Doch sogleich sprach Jesus zu ihnen und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!
28 Petrus erwiderte ihm und sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme!
29 Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus.
30 Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst. Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich!
31 Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
32 Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind.
33 Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du.

Autorin:
Passfoto A.R.Angela Repka, Offenbach, Literaturübersetzerin, verheiratet, zwei Söhne, vier Enkelkinder, Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische Tätigkeit in der Pfarrgemeinde

 
Die Predigt:
Habt Vertrauen!

Liebe Leserin, lieber Leser,
nachdem Jesus die Menge gespeist hatte… Mit diesen Worten, die sich auf das gerade geschehene Brotwunder beziehen, setzt das heutige Evangelium ein. Jesus hatte die Menschen gelehrt und sie erfahren lassen, dass gesegnetes und geteiltes Brot für alle reicht. Nun schickt er die so an Leib und Seele Gestärkten nach Hause. Auch die Seinen schickt er weg. Sie sollen mit dem Boot ans andere Seeufer fahren. Keine leichte Aufgabe, wie sich herausstellen wird, denn der Wind ist nicht günstig.

Jesus selbst zieht sich in die Einsamkeit zurück und geht auf einen Berg – ein Ort, der in der Bibel immer wieder für Gottesnähe steht. Jesus will allein sein mit Gott, um zu beten, um sich an der göttlichen Quelle des Lebens auszuruhen und neue Kraft zu schöpfen. Und er lässt sich viel Zeit, bis zum späten Abend. Nichts drängt ihn, nichts lenkt ihn ab.

Während Jesus in Gebet und Stille verweilt, kämpfen seine Leute im Boot gegen Wind und Wellen an, bis in die Nacht hinein. Sie mühen sich ab und kommen kaum vorwärts. Was für ein Bild! Jesus hat, so könnte man sagen, die kleine Schar allein auf das Meer des Lebens hinausgeschickt, wo ihnen der Wind heftig entgegen bläst.

Wir können gut mit ihnen mitfühlen, denn auch wir werden vom Leben zuweilen ordentlich geschüttelt und gerüttelt, drohen Schiffbruch zu erleiden, das Ziel zu verfehlen. Wie vieles ist in dieser Corona-Zeit ins Schwanken geraten oder einfach weggebrochen. Die ganze Weltlage hat sich in den letzten Jahren stark verändert und destabilisiert: Machthungrige Staatenlenker kämpfen um Einfluss, Ressourcen, Vorteile, oft auf Kosten ganzer Völker und Ethnien, die sie in Stellvertreterkriegen mit Gewalt und Tod überziehen. Fast täglich sehen wir Bilder von Geflüchteten, die in brüchigen Booten auf hoher See treiben und darauf hoffen, gerettet zu werden. Auch die Kirche segelt in unruhigen Gewässern. Viele sind schon von Bord gegangen in der letzten Zeit.

Doch zurück zum See Genezareth, der rau und gefährlich werden kann wie ein Meer, wenn die Winde toben wie damals. Den kritischsten Moment ihrer Überfahrt erleben die Jesusleute aber, als sie ihren Meister über das Wasser auf sich zukommen sehen. Sie halten ihn für ein Gespenst und schreien vor Angst – bis Jesus beginnt, ihnen Mut zuzusprechen: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! Als erster fasst sich Petrus ein Herz: Herr, wenn Du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme. Und Jesus antwortet: Komm!

Auf dieses Wort hin steigt Petrus tatsächlich aus dem Boot und geht auf Jesus zu. Petrus vertraut darauf, dass es Jesus ist, der ihn ruft, er vertraut auf Gott und erfährt, dass der Grund ihn trägt, wenn auch nur für einen Augenblick. Denn als er den Blick nicht mehr nur auf Jesus richtet und plötzlich die tobenden Winde um sich her wahrnimmt, packt ihn die Angst und er beginnt sinken. Er schreit Jesus zu: Rette mich! – und dieser rettet ihn sogleich. Sobald die beiden im Boot zurück sind, legt sich der Sturm. Nun sehen alle, dass es Jesus ist, und sie bekennen ihn als Gottes Sohn. Was für eine dramatische Glaubensgeschichte wird uns hier vor Augen geführt!

Fassen wir zusammen: Einer überwindet seine Angst, wagt Vertrauen, geht ungewohnte, ja abenteuerliche Schritte, wird gerettet, als er in Not gerät, und die anderen mit ihm. Wie wäre es gewesen, wenn Petrus sich nicht vorgewagt hätte, wenn er im schlingernden Boot geblieben wäre und nicht auf Jesus vertraut hätte? Wie wäre es gewesen, wenn die besorgten Freunde ihn an seinem „verrückten“ Tun gehindert und schnellstmöglich das Weite gesucht hätten? Und das, weil sich ihnen Jesus, der sie berufen hat und dem sie gefolgt sind, auf ungewöhnliche Weise nähert? Weil ihre Zukunft unerkannt auf sie zukommt und sie glauben, ein Gespenst zu sehen?…

Auf jeden Fall wären wir ärmer um eine starke Glaubensgeschichte, um eine wegweisende Predigt, die uns auch heute noch herausfordert und Mut machen will. Ich denke an den Nachfolger Petri, Papst Franziskus, der in unserer Kirche einen Aufbruch gewagt und vielen Menschen Hoffnung gemacht hat, der aber im heftigen Gegenwind von Kräften steht, die in die vorkonziliare Zeit zurückdrängen und in Reformen nur Gespenster sehen. Desgleichen denke ich an den Synodalen Weg, auf den sich unsere Kirche in Deutschland begeben hat, um im Geiste Jesu neue Lösungen für drängende Probleme zu finden. Wie wird es weitergehen nach der kürzlich ergangenen Instruktion der Kleruskongregation aus dem Vatikan, die Laien jegliche Kompetenz zur Gemeindeleitung abspricht und die Position von Pfarrern stärkt, die gegen anstehende Gemeindereformen ihrem Bischof Widerstand leisten?

Werden wir mutig vorangehen, um im Vertrauen auf Jesus Christus über das Meer unserer Ängste und Sorgen zu schreiten, mitten hinein in die Zukunft, die Gott für uns bereithält? – Auch wenn es oftmals nicht so scheint: Die Welt braucht uns, braucht die Kirche, trotz allem – aber nicht in einer verzagten oder autoritären rückwärtsgewandten Form, sondern in einer rundum erneuerten zugewandten Gestalt. Die Zukunft steht uns offen, heute vielleicht mehr denn je. Wagen wir die nötigen Schritte – im Vertrauen auf Gottes helfende Hand!

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