In der Voll-macht Jesu – 11. Sonntag im Jahreskreis A

Erste Lesung aus dem Buch Exodus, Kapitel 19
In jenen Tagen
1 kamen die Israeliten in die Wüste Sinai.
2 Sie schlugen in der Wüste das Lager auf. Dort lagerte Israel gegenüber dem Berg.
3 Mose stieg zu Gott hinauf. Da rief ihm der HERR vom Berg her zu: Das sollst du dem Haus Jakob sagen und den Israeliten verkünden:
4 Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe.
5 Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde,
6 ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören.

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 9-10
In jener Zeit,
9,36 als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.
37 Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.
38 Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.
10,1 Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.
2 Die Namen der zwölf Apostel sind: an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes,
3 Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus,
4 Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn ausgeliefert hat.
5 Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht den Weg zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter,
6 sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel!
7 Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe!
8 Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.

Autorin:
Karin_2016 (3)Karin Stump, Pastoralreferentin im Katholischen Forum Dortmund

 
Die Predigt:
In der Voll-macht Jesu

Einführung
Schwestern und Brüder, wem geben Sie eine Vollmacht? Zum Beispiel für Ihre Bankangelegenheiten oder für den Fall, dass einmal eine Betreuung von Nöten wäre? Wem wir eine Vollmacht geben, die oder den wählen wir uns genau aus. Und wir setzen besonderes Vertrauen in diese Personen!
Mit Vollmacht oder voller Macht – so erleben wir manchmal andere Personen, denen diese Macht qua Amt zukommt, oder die diese Macht ergreifen – oder eine innere Autorität ausstrahlen.
Vollmacht erteilt auch Jesus seinen Jüngern. Sie sollen in seiner Kraft verkünden: Das Himmelreich ist nahe. Auch wir haben Gottes Heilige Geistkraft empfangen. In der Taufe sind wir bevollmächtigt. Jesus setzt auf uns – heute.

Predigt
Liebe Leserin,lieber Leser,
einen Gott voller Macht haben die Israeliten bei ihrer Wüstenwanderung erfahren. Gott ist beschrieben im Bild des Adlers mit majestätischem Flügelschlag. Wie ein starker Held oder bodyguard. So rettet und bewahrt Gott sein Volk in der Wüste. Denn er liebt dieses kleine Volk ganz besonders, das Sklavenvolk, das er aus Ägypten in die Freiheit führt. Dieses Volk Israel hat Gott sich besonders ausgesucht. Er umsorgt es, auch wenn es sich unterwegs so misstrauisch zeigt. An diesem Volk möchte Gott sich offenbaren für alle Völker und Menschen. Israel soll auf die Stimme seines Gottes hören. Es wird so mitverantwortlich dafür, dass die Völker der Erde Gott erkennen und Gottes Shalom erfahren. Für Gott heißt es „Israel first“. Seine Stärke, seine Macht setzt er besonders für dieses geliebte Volk ein.

Und auch Jesus scheint sich so zu verstehen – es geht zuerst um das Haus Israel, wo Gottes Heil offenbar werden soll. Jesus beginnt im von Gott besonders erwählten Haus Israel. Hier, unter der jüdischen Bevölkerung, seinen Glaubensgeschwistern, sammelt er Jüngerinnen und Jünger. Jesus sieht müde und erschöpfte Menschen, die die Auflagen der damaligen jüdischen Obrigkeit nicht erfüllen können und sich von Gott verlassen oder verstoßen fühlen. Diese Menschen, die von der damaligen religiösen Führung klein gehalten werden, sind für Jesus wie ein Erntefeld, um das er sich sorgen will. Gerade diese Menschen brauchen die Zusage der Nähe und Freundlichkeit Gottes. Ihnen zuerst gilt: „Das Himmelreich ist nahe!“ Es scheint paradox. Jesus kehrt die Verhältnisse um, spricht gerade den Menschen Gottes Nähe zu, denen er nach gängigem Denken ferne scheint.

Den verlorenen Schafen des Hauses Israel soll das Himmelreich verkündet werden in Wort und Tat. Dazu wählt Jesus 12 Jünger aus und gibt ihnen Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.

Wie gut wäre es, wenn das gelingen könnte, alle Krankheiten und Leiden zu heilen. Im Moment denken wir besonders an Corona. Aber es gibt viele andere Krankheiten. Und es gibt die seelischen Leiden, die durch das Virus ausgelöst oder verstärkt wurden. Einsamkeit und Depression. Es fehlen physische Kontakte. Auch die Gewalttaten sind leider gestiegen. Frauenhäuser verzeichnen Nachfrage. Viele sind und vieles ist krank.1)

Das sind Erntefelder heute. Und Jesus beruft die Jünger als Erntehelfer!

Diese haben wir in der Coronakrise auch neu zu schätzen gelernt. Erntehelfer leisten eine anstrengende, mühsame Arbeit, aber so lebenswichtig, so nährend und sinnvoll.

Das Bild der Ernte steht auch für das Gericht Gottes. Gott wird scheiden, ent-scheiden darüber, was gut und förderlich ist für sein Reich. Da gilt es falsches religiöses und soziales Verhalten abzustellen. Aufrichten, stärken, Gottes Nähe zusprechen, befreien und befähigen – so zeigt sich Gottes Menschenfreundlichkeit und Liebe. Das gibt eine gute Ernte! Für die bisherigen Unterdrücker und Ausbeuter ist das ein bedrohliches Gericht, für die Befreiten eine Freude und ein Erntefest! Aufrichten, stärken, Gottes Nähe zusprechen, befreien und befähigen – das zählt auch heute, wo viele Menschen orientierungslos sind oder nach Sinn für ihr Leben suchen. Menschen ohne Ruhe und Ziel. Menschen in sozialen Nöten, Menschen in Einsamkeit oder Krankheit.

Jesus beauftragt und bevollmächtigt seine engsten Freunde zur Mitarbeit und Übernahme der Verantwortung. Er, der Menschensohn, hat Vollmacht (Mt 9,6), ja alle Vollmacht im Himmel und auf Erden (Mt 28,18). Und diese gibt er an seine Jünger weiter. Er teilt seine Macht mit. Das ist empowerment, Be-vollmächtigung.

Voll der Kraft und Macht Gottes können die Jünger Hoffnung schenken, Gottes Nähe zusprechen, sich den Schwachen zuwenden, gegen Erstarrung und Vorurteile, ja „Todesurteile“ angehen. Durch sie wird Gottes Liebe aktuell und konkret lebendig. Jesus traut ihnen das zu – und sie vertrauen ihm und gehen los.

Setzen wir an die Stelle der 12 Apostelnamen unsere Namen. Jesus ruft seine Jünger und Jüngerinnen heute: Gaby, Maria, Wolfgang, Stefan, Magdalene, Günther, Brigitte, Thomas, Johannes, Ulrike, Jutta und Andreas. Wir alle sind gemeint, als Getaufte und Gefirmte oder Konfirmierte, die Nöte unserer Mitmenschen, gerade der Schwächsten, zu sehen. In der Voll-macht Jesu sind wir gestärkt und beauftragt, jede und jeder auf die eigene Weise, Menschen kreativ und befreiend zu begegnen: Das Himmelreich ist nahe.

So kann auch heute neu Wirklichkeit werden, was Gott seinem Volk am Sinai zugesagt hat: Ihr habt gesehen, … wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe. Amen
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1) Weihbischof Ludger Schepers, in: Predigt plus+ Juni 2020

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