In liebender Einheit – Gott um uns, mit uns, in uns / Dreifaltigkeitssonntag A

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 3
16 Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat.
17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.

Urschalling_Pfingsten
Autorin:
SigridHaas, Diplomtheologin in Mannheim

 
Die Predigt:
In liebender Einheit – Gott um uns, mit uns, in uns

Liebe Leserin, lieber Leser,
Ist die Dreifaltigkeit männlich…?
„Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“ – Tausende Male haben wir so gebetet. Vater – Sohn – Heiliger Geist, die Dreifaltigkeit scheint männlich zu sein! Stimmt das wirklich und ist das überhaupt logisch: Gott, die Quelle allen Seins und der bedingungslosen Liebe, soll männlich sein…?

Schauen wir ins Alte Testament, so lesen wir etwa in Jes 66,13 vom mütterlichen Verhalten Gottes: Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch. Und schon im Schöpfungsbericht heißt es in Genesis 1,27-28: Gott schuf also den Menschen als sein Abbild…, als männlich und weiblich. Das bedeutet ganz klar – Gott ist nicht männlich, sondern vereint das Männliche und das Weibliche in sich. Und die erschaffende, weiblich-männliche Kraft gab ihren Geschöpfen den Auftrag: Seid fruchtbar und vermehrt euch. Menschliches Leben entsteht also immer aus der Vereinigung von weiblich und männlich. Die menschlichen Geschöpfe setzen somit den göttlichen Schöpfungsprozess unaufhörlich fort. Und aus der – hoffentlich – liebenden Verschmelzung von Mann und Frau entsteht ein neuer Mensch.

Trotzdem hält die patriarchale Amtskirche bis heute am männlichen Gottesbild fest. Es wäre ja auch wirklich gewöhnungsbedürftig, wenn wir plötzlich etwa beten würden „Im Namen der Mutter-Vater-Gottheit und des Sohnes und der Heiligen Geistkraft.“ Möglicherweise würde die Dreifaltigkeit dann als Vierfaltigkeit oder sogar Vielgötterei missverstanden werden. Denn die Trinität ist ja nicht nur für nichtchristliche Menschen sehr schwer verständlich, sondern ebenfalls für manche christliche Gläubige…

Gott, die Urquelle alles Seins
Ein weiterer Aspekt zeigt sich, wenn wir über die Interpretation der Anrufung Gottes nur als Vater hinausgehen (wie auch im Vaterunser, mehr dazu unter http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=7274). „Abwoon“, das geschlechtsneutrale aramäische Wort für Vater, ist ein familiäres Kosewort. Es bezeichnet vertraute, geliebte Menschen und kann sowohl mit Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Bruder oder Schwester übersetzt werden. Die Bandbreite der Übersetzungsmöglichkeiten im Hebräischen lässt ebenfalls eine weitere Dimension zu: „atmendes Leben in allem.“ Also eine göttliche, schöpferische Kraft, welche in allen Lebewesen im ganzen Kosmos, ja in jeder einzelnen Zelle vorhanden ist, eine liebende Urquelle, die größer ist als wir.

Ein außergewöhnliches Dreifaltigkeitsgemälde
Maria, die Mutter Jesu, wurde durch einen außergewöhnlichen göttlichen Schöpfungsakt schwanger. Durch den Heiligen Geist (Lk 1,35), ist die gängige Übersetzung. Doch ein Blick auf den hebräischen Urtext zeigt, dass רוּחַ Ruach, welches Geist, Atem bedeutet, weiblich ist.

Häufig wurde die Dreieinigkeit dargestellt in Form dreier Engel, angelehnt an den Besuch der drei Männer bei Abraham (Genesis 18,1-16). Im Mittelalter wurde der Heilige Geist zur Taube, die über dem Vater und dem gekreuzigten Sohn schwebt. Dass die Weiblichkeit des Heiligen Geistes dennoch eine Tradition hat, zeigt ein außergewöhnliches gotisches Dreifaltigkeitsfresko aus dem 14. Jahrhundert in der Kirche Sankt Jakobus in Urschalling am Chiemsee. Im Zentrum des Gemäldes steht eine weiblich wirkende Figur mit langen Haaren. Sie wird links und rechts von zwei bärtigen Männern mit weißen Obergewändern eingerahmt. Die drei Heiligenscheine der Figuren bilden gemeinsam den Kreuznimbus, da jede Figur nur einen Balken hat. Außerdem hat die Gruppe nur zwei Hände, je eine von dem jungen, eine von dem alten Mann. Die drei Gewänder verschmelzen nach unten hin zu einem einzigen. Die weibliche Figur trägt nur ein Untergewand, das unterhalb der Brust gerafft ist. Der Blick wird auf den unteren Gewandteil gelenkt, der in raffinierter Symbolik eindeutig die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane erkennen lässt. Die Erfahrung von Liebe, Einheit und Verschmelzung ist für uns Menschen am intensivsten erfahrbar, wenn Mann und Frau in gegenseitiger Liebe eins werden. Denn daraus kann neues Leben entstehen.

Der Heilige Geist – die Mutter im Himmel
Dem Heiligen Geist wurden grundsätzlich auch weibliche Züge zugeschrieben. Die westliche Theologie ließ dies weitgehend unbeachtet, wahrscheinlich aufgrund der griechischen Philosophie. Diese sah zwei Prinzipien in der Wirklichkeit: Das Männliche – das formgebende, unsichtbare, geistige – und das Weibliche – das zu formende, sichtbare, materielle.

In den frühchristlichen Schriften wurde der Geist mit der alttestamentlichen weiblichen Weisheit, der Sophia, verbunden. Auch das nicht in den Bibelkanon aufgenommene apokryphe Thomasevangelium bezeichnete den Geist ausdrücklich als Mutter. Diese frühchristliche Tradition wurde in der syrischen Theologie beibehalten. Das Hervorgehen des Heiligen Geistes vom Vater und vom Sohn wurde in Bildern von weiblicher und mütterlicher Liebe ausgedrückt, manchmal wurde der Geist sogar als Zweiter innerhalb der Dreieinigkeit und Mutter im Himmel bezeichnet. Das Taufbecken wurde auch als Schoß der neuen und geistlichen Mutter interpretiert. In der Liturgie wird bei der Eucharistie der Heilige Geist als wiedergebärendes Prinzip gesehen – ähnlich der geistlichen Empfängnis bei Maria.

Analogien zur Dreieinigkeit
Die Natur zeigt uns beispielsweise im Kleeblatt ein Bild für die Dreieinigkeit: Die drei herzförmigen Blätter sind gleichberechtigt und auf die Mitte hin ausgerichtet. Miteinander verbunden, sind sie gleichzeitig auch nach außen geöffnet und symbolisieren Liebe, Beziehung, Gemeinschaft – und Gott in allem und allen.

Die Trinität kann auch in Verbindung zur ganzheitlichen Natur des Menschen gesehen werden. Wir bestehen aus Körper, Geist und Seele. So sind wir als Abbild Gottes dazu eingeladen, durch den liebenden Blick auf uns selbst die Einheit in uns herzustellen. Denn auch Gott schaut uns mit liebenden Augen an. Wir haben viele Aspekte in unserer Persönlichkeit. Manche mögen wir, andere nicht, lehnen sie sogar ab. Doch auch das Dunkle und Böse will gesehen und durch die Liebe erlöst werden.

Menschen, die Schreckliches in ihrem Leben erfahren mussten wie Krieg oder Missbrauch, spalten sehr oft einen Teil von sich ab. Sie verdrängen diese starken Gefühle, was früher oder später zu Krankheiten führt. Doch wir können nur im Frieden mit uns selbst sein, wenn wir alles in uns annehmen. Entscheidend ist deshalb, welche Seite wir nähren: die helle oder die dunkle. Das haben wir selbst in der Hand. Sehr wichtig ist es, immer gut für uns selbst zu sorgen, indem wir auf die Bedürfnisse unseres Körpers, unseres Geistes und unserer Seele hören und sie erfüllen. Nur dann können wir die Einheit in uns selbst erhalten bzw. wieder herstellen.

Sind unsere Gefühle, Gedanken, Worte und Handlungen nicht eins, befinden wir uns ständig im Kampfzustand. Das hat nicht nur für unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele sehr negative Auswirkungen, sondern auch für die Menschen, die in unserem Leben sind. Denn alle sehnen sich nach Liebe, Gemeinschaft, Austausch und Frieden.

Letztlich wurzeln alle Probleme im Gefühl der Getrenntheit – von Gott, uns selbst, anderen und auch der Natur. Wenn wir jedoch eins sind mit uns selbst und mit allen und allem, dann handeln wir aus der Liebe und der Verbundenheit heraus.

Das Liebesgebot (Mt 22,37-39) können wir ebenfalls mit der Dreieinigkeit vergleichen. Fälschlicherweise als Doppelgebot bezeichnet, ist es nämlich ein Dreifach-Gebot (mehr dazu unter http://www.kath-frauenpredigten.de/?p=6141): Es gebietet die Gottesliebe (Gott Vater-Mutter), die Selbstliebe (Sohn) und die Nächstenliebe (Heilige Geistkraft). Wenn wir diese drei Dimensionen der Liebe in uns im Gleichgewicht halten, dann leben wir unsere innere Trinität der Liebe.

Gott ist Liebe, Gemeinschaft und Beziehung: „Gott um uns“, der erschafft und beschützt, „Gott mit uns“, der uns als Bruder und Freund begleitet und im Dialog ist, und „Gott in uns“, der uns tröstet und inspiriert. Und wir als Gottes Abbilder sind dazu bestimmt, dies nach Jesu Vorbild ebenfalls zu leben.

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Bildnachweis:
Dreifaltigkeitsfresko Kirche St. Jakobus Urschalling
http://www.stereo-denken.de/urschalling.jpg

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