Zumutungen und Zutrauen – Fest der Heiligen Familie

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 2
13 Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.
14 Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten.
15 Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.
19 Als Herodes gestorben war, erschien dem Josef in Ägypten ein Engel des Herrn im Traum
20 und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und zieh in das Land Israel; denn die Leute, die dem Kind nach dem Leben getrachtet haben, sind tot.
21 Da stand er auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das Land Israel.
22 Als er aber hörte, dass in Judäa Archelaus an Stelle seines Vaters Herodes regierte, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und weil er im Traum einen Befehl erhalten hatte, zog er in das Gebiet von Galiläa
23 und ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden.

Autorin:
Karin_2016 (3)Karin Stump, Pastoralreferentin im Katholischen Forum Dortmund

 
Die Predigt:
Zumutungen und Zutrauen
Einführung
Nach Weihnachten feiert die Kirche heute das „Fest der Heiligen Familie“. Es ist in der Moderne von Kanada aus aufgekommen. Papst Benedikt XV. führte es als weltweites Fest der lateinischen Kirche 1920 ein. Durch die Liturgiereform ist das Fest in die Weihnachtszeit gerückt. Familie – das ist für viele von uns gerade an Weihnachten Thema gewesen, real erlebt oder in der Erinnerung. Freudig oder mit Verstimmungen oder Problemen belastet. Familie, ein hohes Gut, ein Sehnsuchts- , aber zuweilen auch ein Leidensort. Familie braucht Wertschätzung und Unterstützung, das Engagement von allen, innerhalb wie außerhalb der Familie. Das Evangelium heute erzählt von einer Familie auf der Flucht. Eine Geschichte der Zumutungen und des Zutrauens. Wie gehen wir damit um, was uns zugemutet und zugetraut wird? Was trauen wir einander zu?

Liebe Leserin, lieber Leser,
die heilige Familie auf der Flucht! Eine wahre Geschichte aus unserer Zeit, die tief unter die Haut geht, erzählt Fabio Geda in seinem Buch „Im Meer schwimmen Krokodile“ (2012). Es geht um den afghanischen Jungen Enaiat. Der Zehnjährige wird zum Schutz vor den Taliban von seiner Mutter nach Pakistan gebracht. Sie schärft ihm ein:

    „Drei Dinge darfst du nie im Leben tun, Enaiat, niemals, versprich es mir: Erstens, Drogen nehmen. Zweitens, Waffen benutzen. Versprich, dass deine Hand nicht einmal zu einem Holzlöffel greifen wird, wenn er dazu dient, einen Menschen zu verletzen. Drittens, stehlen. Was dir gehört, gehört dir. Was dir nicht gehört, nicht. Und merk dir, dass es sich zu leben lohnt, wenn man immer einen Wunsch vor Augen hat wie der Esel eine Karotte“.

Der ein Jahrzehnt dauernde Flucht- und Leidensweg des Jungen wird hier und da durch hilfsbereite Menschen glücklich unterbrochen. Bis der junge Mann in einem ihm fremden Land endlich ankommt und einen Platz zum Leben, nicht nur zum Überleben findet.

Gott, den wir als gütigen Gott verehren, mutet diesem jungen Menschen einiges zu und nicht nur ihm. Und auch Jesus mutet Gott einiges zu und auch denen, die ihm nahe sind. Jesus kommt am Rande der Gesellschaft zur Welt. Noch bevor er laufen kann, muss seine Familie mit ihm fliehen. Wie hat Maria sich wohl gefühlt, als sie mit ihrem Neugeborenen plötzlich ihre Sachen packen und auf einem Esel in ein fernes Land ziehen musste? Ägypten war weit und der Weg mühsam. Ägypten – biblisch ein Land der Unterdrückung, aber auch ein Zufluchtsland der Israeliten. Um dort Zuflucht zu finden, musste die Familie die lebensgefährliche Wüste durchqueren. Was ist das für ein Gott? Der heute wie damals Menschen Schlimmstes zumutet!

Oft wird von Gott in Machtkategorien gesprochen: Er ist der Allmächtige, der Allwissende. So heißt es im Katechismus und in Gebeten und Liedern. Hat er denn andererseits zu wenig Macht den Tyrannen gegenüber, angefangen bei Herodes bis zu Hitler und den Diktatoren und autoritären Herrschern unserer Tage? Was zählt bei Gott?

Auf keinen Fall sind es Macht und Gewalt. Vielmehr: er „entäußert sich all seiner Gewalt, wird niedrig und gering,“ so heißt es in dem alten Weihnachtslied „Lobt Gott ihr Christen alle gleich“. Was bei Gott zählt, ist die Liebe. Sie ist die einzige Macht, die die Mächte dieser Welt zusammenbrechen lässt, die Menschen und Gesellschaft verändert, ohne zu zerstören. So erkennen wir in der biblischen Erzählung ein Bild eines gewaltfreien Gottes, der den unteren Weg wählt, bei ihm zählt die Kraft der Liebe. Und wir erfahren, wer Jesus ist: Das Kind muss nach Ägypten, damit es wie Mose mit dem Volk Israel aus Ägypten herauszieht; Jesus ist ein neuer Mose. Als Befreier kommt er in das gelobte Land. Der Evangelist deutet an: Er führt auch euch alle wie Mose aus eurer persönlichen oder kollektiven Gefangenschaft.

Ja, Gott mutet wahrhaftig einiges zu. Aber er hat auch großes Vertrauen zu den Menschen. Er traut uns zu, mit den Zumutungen des Lebens umzugehen. Gott glaubt an uns. Gott geht mit! Dies ist die Grundlage des biblischen Glaubens: Wie Abraham Gottes Weisung folgt und seine angestammte Heimat verlässt, so auch Josef mit Maria und dem Kind. Und Gott geht mit. Dieses Evangelium ist so reich an biblischen Bezügen. Es zeigt uns, dass wir als Christen unsere Wurzel im befreiten Gottesvolk Israel haben. Außerdem stellt der Evangelist die heilige Familie und Jesus der Königsfamilie und König Herodes gegenüber. Welch ein Kontrast! Nicht der Gewaltherrscher wird siegen, sondern der arme und gewaltlose Prediger Jesus.

Nach dem Tod des Herodes geht Josef mit seiner Familie nicht ins Zentrum der Macht, sondern nach Galiläa am Rande des verheißenen Landes. Dort fing Jesus an mit der Verkündigung von Gottes Herrschaft. Die Erlösung kommt nicht aus den Zentren der Macht, seien sie militärischer, politischer, ökonomischer oder religiöser Art.

So ruft auch Papst Franziskus dazu auf, Mut zu haben, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen. Und es werden die Taten der Liebe sein, die Menschen den christlichen Glauben nahebringen.

Das Leben Jesu war bereits zu Beginn eine Randexistenz, eine bedrohte Existenz. Jesus, ein Flüchtlingskind. Es ist ein Trauerspiel für die Völkergemeinschaft, dass es heute so viele Geflüchtete wie nie zuvor auf der Welt gibt. Etliche unter 18 Jahren. So lange Unternehmen und Staaten durch Waffenexporte an „War-Lords“ und gewalttätige Regierungen Geschäfte machen; solange die internationale Gier nach Erdöl und Bodenschätzen nicht durch gerechte Regeln begrenzt wird; so lange keine einschneidenden Maßnahmen für den Klimaschutz ergriffen werden – so lange machen sich Menschen auf den Weg oder müssen fliehen. Zumutungen, von Menschen gemacht.

Aber Gott schickt auch heute Engel, um Menschen zu retten. Er traut auch uns viel zu. – Im Buch von Fabio Geda konnte der junge Afghane eine Heimat finden mit Hilfe von Menschen, die sich für ihn einsetzten. Immer wieder erschienen auf seinem Weg Engel in Menschengestalt. Da geschieht „heilige Familie“. Und Gott geht mit. Amen.
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(Anregungen von K.P. Suder)

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