Eine Begegnung, die verwandelt – 31. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 19
In jener Zeit
1 kam Jesus nach Jericho und ging durch die Stadt.
2 Und siehe, da war ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war reich.
3 Er suchte Jesus, um zu sehen, wer er sei; doch er konnte es nicht wegen der Menschenmenge, denn er war klein von Gestalt.
4 Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste.
5 Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben.
6 Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf.
7 Und alle, die das sahen, empörten sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt.
8 Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.
9 Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist.
10 Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.

Kastanie
Autorin:
Sigrid Haas, Diplomtheologin, Mannheim

 
Die Predigt:
Eine Begegnung, die verwandelt

Liebe Leserin, lieber Leser,

Die Komfortzone verlassen
Wir erfahren nicht viel über Zachäus, nur dass er von kleiner Statur ist und sehr reich, weil er Oberzöllner ist. Wir wissen nicht, ob er diese Arbeit gerne macht. Materiell hat er jedenfalls mehr wie genug, was ihm aber trotz seiner Bekanntheit fehlt, das sind gesellschaftliche und religiöse Anerkennung, vielleicht auch Freunde und eine Familie. Doch irgend etwas treibt ihn an, sich aus seinem sicheren Leben, aus seiner Komfortzone auf den Weg zu machen. Vielleicht ist er einsam und unzufrieden mit seiner Lebenssituation, die ihn offen werden lässt für Veränderungen, vielleicht geht er auch nur aus Neugier hin. Nachdem er von Jesus gehört hat, macht er sich jedenfalls auf den Weg, will wissen, was das für ein Mann ist und was er zu sagen hat. Möglicherweise erhofft er sich auch irgend etwas.

    Zum Nachdenken: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben? Haben Sie den Mut, die Sicherheit Ihrer Komfortzone zu verlassen?

Hindernisse überwinden
Jesus ist von einer großen Menschenmenge umgeben. Die Leute versperren dem kleinen Zachäus die Sicht. So einfach kommt er also nicht an ihn heran. Dieses Hindernis ist eine Prüfung, ob es ihm ernst ist, doch es hält ihn nicht auf, sondern weckt seinen Einfallsreichtum. Schnell läuft er den Weg voraus, wo Jesus vorbeikommen muss, klettert auf einen Baum und wartet still. Sein Plan geht auf, von dort kann er Jesus sehen. Als er vorbeikommt, nimmt er Zachäus sogar wahr, ohne dass dieser auf sich aufmerksam macht. Jesus belohnt seine Anstrengungen, bleibt stehen und schaut ihn liebevoll an. Ja, mehr noch, völlig unerwartet ruft er Zachäus sogar bei seinem Namen, obwohl er ihn noch nie gesehen hat. Damit signalisiert er: Ich kenne dich ganz genau, weiß, was du getan hast, kann in dein Herz, deine Seele schauen, ich kenne dein Leid und deine Sehnsucht.

    Zum Nachdenken: Geben Sie bei Hindernissen auf oder suchen Sie Möglichkeiten, sie zu überwinden?

Die Chance ergreifen
Zachäus ist sicher erstaunt, vielleicht sogar erschrocken, dass dieser Fremde ihn kennt. Die Liebe, die Jesu ausstrahlt, öffnet sein Herz. Doch ihm bleibt gar keine Zeit sich zu wundern, denn Jesus lädt sich selbst bei ihm ein, bietet Gemeinschaft und Gespräch an. Er gibt ihm die Chance, jetzt, in diesem Augenblick seinem Leben eine positive Wendung zu geben. Zachäus fragt sich weder, was Jesus von ihm erwartet noch ob er würdig ist, ihn zu empfangen. Auch sorgt er sich nicht, was die Leute über ihn denken oder ob sein Haus aufgeräumt ist. Er hätte auch Nein sagen können zu dieser Überrumpelung. Aber er zögert keinen Augenblick, weiß er doch, diese Chance kommt nie wieder. Deshalb ergreift er sie sofort und denkt auch nicht nach über mögliche Folgen. Er darf Gast-geber sein für Jesus, er kann etwas geben, wo er doch sonst immer nur von anderen nimmt. Er verliert kein Wort, sondern drückt sein Ja durch sofortiges Handeln aus.

    Zum Nachdenken: Ergreifen Sie Chancen, ohne zu zögern? Oder lassen Sie sich von negativen Gedanken und Ängsten abhalten und leiden lieber weiter?

Bereit sein zur Veränderung
Zachäus öffnet Jesus nicht nur freudig die Tür seines Hauses, sondern auch sein Herz und seinen Geist für das Neue, das Jesus in sein Leben bringen will. Die Menschenmenge dagegen verschließt ihr Herz. Sie verurteilen Jesus, wie viele andere Male, dass er mit, in ihren Augen, sündigen Menschen verkehrt. Doch kümmert Jesus sich wie immer nicht um das Gerede der Leute, sondern wendet sich Zachäus ganz zu. Es interessiert ihn nicht, was dieser bis jetzt getan hat, er macht ihm keine Vorwürfe und fordert auch nichts von ihm. Zachäus fühlt sich von Jesus gesehen und ganz angenommen und die Verwandlung geschieht. Er ist bereit zur Veränderung seines Lebens.

    Zum Nachdenken: Sind Sie offen für Neues, für Veränderungen? Urteilen Sie über andere Menschen oder verurteilen sie gar als sündig?

Selbstannahme
Da Jesus Zachäus nicht verurteilt, braucht er auch sich selbst nicht klein zu machen und sich ständig zu schämen und als Sünder zu verurteilen (wie im Schuldbekenntnis der Messe). Das schwächt nur und macht krank. Er kann sich selbst lieben, so wie er ist, mit all seinen Taten, Gedanken, Gefühlen, Bedürfnissen, Wünschen, Sehnsüchten und Träumen, weil Jesus ihn bedingungslos liebt. Was geschehen ist, kann er nicht mehr ändern, doch sich weiterentwickeln und ab sofort anders leben und handeln. In Freiheit entscheidet er, wie diese Veränderung aussehen soll. Jesus schreibt ihm nichts vor. Zachäus ist bereit, seinen Reichtum zu teilen, jedoch nicht bis zur Selbstaufgabe. Die Hälfte seines Vermögens will er den Armen geben, das ist sehr viel mehr, als es das jüdische Gesetz vorschreibt (ein Fünftel). Und von wem er zu viel verlangt hat, dem will er als Wiedergutmachung das Vierfache geben. Indem er Jesus mit „Herr“ anredet, drückt er aus, dass er sich wieder als Teil der göttlichen Schöpfung, als Kind Gottes sieht.

    Zum Nachdenken: Lieben Sie sich bedingungslos selbst, mit all Ihren dunklen Seiten, Ihrer ganzen Vergangenheit, Ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten? Sind Sie bereit, sich weiterzuentwickeln?

Heil werden
Zachäus steht zu seinen dunklen Seiten, lehnt sie nicht ab oder verdrängt sie, sondern entscheidet sich, ab sofort anders zu handeln. So kann er das Dunkle integrieren und die Verwandlung geschieht. Er kann heil werden, ganz werden, denn Gott liebt alles, was ist (vgl. Weish 11,24). Deshalb sagt Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, dieser Mann ist ein Sohn Abrahams. Er ist, trotz seiner Vergangenheit, ein Kind Gottes. Dass Zachäus heil geworden ist, betrifft nicht nur ihn, sondern es wirkt sich auch aus auf alle, die mit ihm leben und Kontakt haben. Diese Heil-ung konnte allerdings nur geschehen, weil Zachäus sein Herz und seinen Geist geöffnet hat, nicht stecken geblieben ist in der Vergangenheit und den (verdrängten) Schuld- und Schamgefühlen, sich weiterentwickelt hat, bereit war, die sichere Komfortzone zu verlassen und grundlegend sein Leben zu ändern.

Jesus kommt jeden Tag in Menschengestalt zu uns, vor allem zu jenen, die sich verloren haben in Ängsten und selbstzerstörerischen Taten. Er ist gekommen, damit wir das Leben in Fülle haben, denn Gott ist ein Freund des Lebens (vgl. Weish 11,26). Es liegt nur an uns, ob wir empfangsbereit sind für die Chancen der Veränderung.

    Zum Nachdenken: Öffnen Sie Herz und Geist für Veränderungen und ein Leben in Fülle? Sind Sie mutig, Ihrer Sehnsucht zu folgen und die Sicherheit Ihres gewohnten Lebens zu verlassen?

Sich für Begegnungen öffnen
Wahrscheinlich hatten Sie auch schon Begegnungen, die Ihr Leben total verändert haben. Vielleicht die berühmte Liebe auf den ersten Blick, die sich zu einer lebenslangen, tiefen Liebesbeziehung mit diesem Menschen entwickelt hat. Vielleicht war es auch nur eine kurze Begegnung mit einem Menschen, der Ihre Leidenschaft für einen Beruf, ein Hobby oder ein Land geweckt hat. Vielleicht war es ein Buch, in dem der Autor oder die Autorin Ihr Herz berührt hat mit einem Gedanken, der Ihr ganzes Leben verändert hat. Oder es war ein Ort, vielleicht eine Kirche oder ein Platz in der Natur, der zu einer Veränderung in Ihrem Leben geführt hat.

In all diesen Begegnungen spricht Gott zu uns, ganz besonders durch Menschen, denn Jesus ist in jedem und jeder. Öffnen wir uns jeden Tag, jede Sekunde für die Begegnung, damit die Verwandlung, die Heil-ung geschehen kann. Amen

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