Christus nachfolgen – Zum Gedenktag der heiligen Klara von Assisi am 11. August

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 19
In jener Zeit
27 sagte Petrus zu Jesus: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen?
28 Jesus erwiderte ihnen: Amen, ich sage euch: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet auch ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.
29 Und alle, die um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen haben, werden dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben.

Klara
Autorin:
Sigrid Haas, Diplomtheologin, Mannheim

 
Die Predigt:
Christus nachfolgen

Liebe Leserin, lieber Leser,
Vom Privileg des Reichtums zum Privileg der Armut

Klara wurde 1194 in einer reichen Adelsfamilie geboren. Ihre Mutter erzog sie zur Hingabe an Gott und unterrichtete sie in der lateinischen Bibel. Als die attraktive Achtzehnjährige zum familiären Machterhalt standesgemäß verheiratet werden sollte, widersetzte sie sich selbstbewusst dem väterlichen Willen. Sie wollte Gott dienen, nicht einem für sie ausgewählten Mann.

Eines Tages hörte sie Franziskus predigen. Der Heilige hatte sich 1206 öffentlich von seinem Vater losgesagt und als Symbol des Erbverzichts nackt ausgezogen. Diese Radikalität beeindruckte Klara. Sie traf sich mehrmals mit ihm und entschied, den Weg der radikalen Christusnachfolge in Armut und Dienst an den Armen zu gehen, gemeinsam mit dem zwölf Jahre älteren Franziskus. Am Palmsonntagabend 1212 brach Klara die verbarrikadierte Hintertür ihres Elternhauses auf und floh in die Portiunkula-Kapelle. Franziskus schnitt ihr die Haare ab, sie zog ein Bettelgewand an und legte die Gelübde ab. Ihr Vater versuchte zweimal vergeblich, sie zurückzuholen. Zusammen mit ihrer Schwester Agnes und einer Freundin zogen sie schließlich nach San Damiano. Bald folgten ihre Schwester Beatrice, weitere Verwandte und ihre inzwischen verwitwete Mutter.

Klara wollte weder feste Einkünfte noch Grundbesitz und drängte den Papst, ihr das „Privileg der Armut“ zu gewähren. Doch erst nach jahrzehntelangem Kampf – es gab inzwischen bereits 70 Klöster – wurde zwei Tage vor ihrem Tod ihre Ordensregel vom Papst bestätigt. Nachdem sie als erste Frau eine Ordensregel verfasst hatte, krönte sie ihr Lebenswerk mit der Verankerung des „Privilegs der Armut“. Am 11. August 1253 starb sie mit den Worten „Herr, sei gelobt, weil du mich geschaffen hast.“ Ihr bis heute unversehrt gebliebener Leichnam ruht in der Basilika Santa Chiara. Schon 1255 wurde sie aufgrund mehrerer Wunder heiliggesprochen.

Ein Leben in Liebe, Geschwisterlichkeit und Anbetung

Klara kämpfte beharrlich um eine eigene Ordensregel und sagte damit: Wir Frauen lassen uns nicht von Männern vorschreiben, wie wir zu leben haben, nur eine Frau weiß, was Frauen brauchen, denken und fühlen. Ihr Amt verstand sie immer als Dienst, sie tröstete und pflegte kranke Schwestern, wusch ihnen sogar die Füße. Sie war einfühlsam, verständnisvoll und erlaubte Schwestern, welche die strengen Vorgaben nicht alle erfüllen konnten, eine gemilderte Lebensweise.

Im Bewusstsein, dass alle Menschen Geschwister sind und einander lieben sollen, rief sie unermüdlich zu Einheit, Güte und Eigenverantwortlichkeit auf. Jede Woche trafen sich alle Schwestern, um Probleme zu besprechen und möglichst einstimmig zu lösen. Jede hatte Rederecht (ähnlich wie im Redekreis der indigenen Völker). Außerdem bekannten sie voreinander ihre Fehler, so dass es keine Geheimnisse gab, sie voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen konnten. In demokratischer Wahl wurden die Dienstämter bestimmt.

Klara lebte ein zurückgezogenes, eng begrenztes Leben hinter dunklen Klostermauern in Stille und Anbetung. Als sie ab 1226 bettlägerig wurde, blieben ihr nur noch das Anfertigen von Paramenten und das Gebet. Doch um so mehr strahlte ihr Licht aus ihrem weit geöffneten Herzen hinaus in die Welt. Und sie war bis zu ihrem Tod für unzählige Menschen Seelsorgerin, Trösterin und Ratgeberin. Sie konnte sogar durch bloßes Gebet oder ein Kreuzzeichen heilen, nur sich selbst offenbar nicht, wohl weil sie stellvertretend leiden wollte. Sie liebte es, besonders die Menschwerdung, die Eucharistie und das Leiden Jesu zu betrachten.

Wenn nötig, war Klara auch tatkräftig und mutig. Etwa als der Papst forderte, die Brüder dürften nur mit seiner Erlaubnis kommen; da schickte sie alle Brüder zurück. Oder als 1240 die Sarazenen vor Assisi standen. Trotz ihrer Bettlägerigkeit ließ sie sich betend hinaustragen, der Legende nach mit der Monstranz „bewaffnet“, worauf die Angreifer die Flucht ergriffen.

Ein Leben in Buße und Selbstkasteiung

Sowohl Klara als auch Franziskus achteten sich selbst gering. Klara bezeichnete sich als „unnütze und unwürdige Magd Christi“ und Franziskus schämte sich für sein früheres gottloses Leben. Sie unterdrückten ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche, betrieben Askese und Buße bis zur Selbstzerstörung. Sie glaubten, andere dadurch retten zu können. Klara trug ein Bußkleid aus Schweinsborsten, ging immer barfuß, schlief auf dem Steinboden mit einem Holzklotz als Kissen, ernährte sich von Wasser und Brot, fastete oft und schlief sehr wenig. Ab 1224 antwortete ihr gequälter Körper darauf mit Krankheit. Nach Franziskus‘ Tod 1226 war sie gelähmt und bettlägerig, später erlitt sie noch einen Unfall, die letzten drei Lebensjahre war sie schwerkrank. Auch Franziskus quälte „Bruder Esel“, wie er seinen Körper abschätzig nannte, in ähnlicher Weise, erst todkrank erkannte er seine schwere Sünde. Sorgen um den Orden und Klara verdunkelten seine Seele, sodass er schließlich erblindete. Zudem steigerte er sich so sehr in Christi Leiden hinein, dass sich 1224 die Wundmale an ihm manifestierten.

Klara und Franziskus – ein heiliges Paar

Klara und Franziskus verband eine sehr starke, tiefe Liebe miteinander. Wahrscheinlich fühlten die jungen Leute mehr als nur geistig-seelische Anziehung, jedoch schützte sie ihr Ehelosigkeitsgelübde davor, auch die körperliche Ebene auszuleben. Dass Franziskus mit Versuchungen kämpfte, ist belegt, wälzte er sich doch einmal nackt im Schnee deswegen.

Niemand hat Franziskus so verstanden wie Klara. Er behandelte sie gleichberechtigt und erkannte in ihr sein Ebenbild, sein eigenes Herz. Sie ergänzten einander: Klara, die weibliche, stille, hütende Seite der Nachfolge, Franziskus der männliche, aktive, verkündende Teil. Klara war für ihn Ratgeberin, Trösterin und Stütze. In ihrem Herzen und der tiefen Vertrautheit fand der Rastlose Ruhe, sie war seine Quelle, aus der er neue Kraft schöpfte. Er bat sie sogar, Gottes Sprachohr zu sein, weil er nicht wusste, ob er Einsiedler oder Prediger sein sollte, und sie vermittelte Gottes Antwort: Er müsse verkünden, sie hüte die Einsamkeit. Deshalb litt Klara sehr darunter, dass Franziskus aus Angst vor dem Gerede der Leute immer seltener zu ihr kam. Sie weinte viel um ihn und liebte ihn um so stärker. Ein Ausdruck davon war etwa die Albe, die sie für ihn anfertigte – eines der schönsten Exemplare des Mittelalters. Erst todkrank suchte Franziskus 1225 wieder Klaras Nähe und ließ sich von ihr trösten und pflegen. In dieser Atmosphäre der Verbundenheit und Liebe dichtete er den Sonnengesang.

Eine wunderschöne Legende beschreibt ihre Leiden und Gottes Antwort darauf: An einem Wintertag wanderten die beiden nach Hause und waren sehr beunruhigt. Denn als sie in einem Haus um Wasser und Brot gebeten hatten, hörten sie Geflüster mit Anspielungen. Plötzlich fragte Franz: „Klara, hast du verstanden, was die Leute über uns gesagt haben?“ Klara schwieg, denn ihr Herz schmerzte so sehr und sie war den Tränen nahe. „Es ist Zeit, wir müssen uns trennen! Geh du voraus, ich werde von weitem folgen“, sagte Franziskus schließlich. Sein Herz war verschlossen vor dem Leid, das er ihr und sich zufügte. Da fiel Klara auf die Knie, betete und ging dann schweigend mit gesenktem Kopf in den Wald. Doch ihre Pein und Trauer waren so groß, dass sie auf Franziskus wartete. „Wann werden wir uns wiedersehen?“ fragte sie verzweifelt. „Wenn die Rosen blühen“, antwortete Franziskus ausweichend. Da geschah etwas Magisches: Überall blühten plötzlich Rosen. Gott gab ihm zu verstehen: Steh mutig zu der wunderbaren Gefährtin, die ich dir geschenkt habe, und sei für sie da. Staunend pflückte Klara einen Strauß und gab ihn Franziskus. Von diesem Tag an waren die beiden nie mehr getrennt. Denn eine heilige Liebe will mutig gelebt werden, weil durch sie die Liebe Gottes erstrahlt. Amen.

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Eine Antwort auf Christus nachfolgen – Zum Gedenktag der heiligen Klara von Assisi am 11. August

  1. koptschalitsch Evita sagt:

    Endlich mal eine ehrliche Beschreibung der Beziehung von Franziskus und Klara.
    Ich kenne solche Erwägungen nur aus den Büchern von Helmut Feld.
    Berichtet wird dass Franziskus Klara die Haare in Portiunkula geschnitten hat. Was ihm gar nicht zustand. Ob sich da auch schon erotische Anziehung und Distanz zeigte? Danke für die Predigt.

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