Wann bin ich für mich da? – 16. Sonntag im Jahreskreis B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 6
30 Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten.
31 Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen.
32 Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein.
33 Aber man sah sie abfahren und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an.
34 Als er ausstieg, sah er die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.

Autorin:
Dr. Ulrike AltlherrDr. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in Herrenberg

Die Predigt:
Wann bin ich für mich da?

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Wann gehen Sie in Urlaub?“, habe ich in letzter Zeit öfters gehört. Es wird Zeit, dass bald Ferien sind. So vieles soll noch erledigt werden in diesem Sommer, aber bei vielen ist die Luft raus, sind die Kraftreserven aufgebraucht. Sehnen Sie sich auch danach, sich aus dem Trubel zu verabschieden, sich zurückzuziehen und sich mit der Familie oder guten Freunden zu erholen. Weg von allem, was auf einen einstürmt, endlich `mal seine Ruhe haben, irgendwo hin gehen, wo einen keiner kennt und keiner `was von einem will…. Das wär’s.

In Ruhe gelassen werden, sich erholen dürfen, ist ein wichtiges Thema des heutigen Evangeliums. Die Jünger, die Jesus ausgeschickt hat, kehren zurück zu ihm. Sie sind zu Fuß losgegangen und haben den Menschen vom Reich Gottes erzählt, viele Kranke geheilt und Dämonen ausgetrieben. Denn daran wird das Reich Gottes erkennbar, dass Kranke gesund werden und Menschen von dem, was sie in Besitz nimmt und unfrei macht – zur Zeit Jesu Dämonen genannt – frei werden.

Die Jünger haben viel geleistet. Nun sind sie abgekämpft und müde. Und Jesus sagt nicht, „Macht gleich weiter, wir haben noch viel zu tun. Es sind noch viele Menschen da, die etwas von euch wollen.“ Nein er sagt: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und ruht euch ein wenig aus. Also nicht: rastloser Einsatz für das Gute, das Reich Gottes, sondern: auch Pausen und Erholung dürfen bei Jesus sein. Man oder frau muss nicht immer etwas leisten, auch religiös nicht. Jeder und jede darf auch loslassen, sich einmal fallen lassen, nichts tun, für niemanden da sein.

Vielen Menschen fällt es schwer, Pause zu machen. Sie fühlen sich immer verantwortlich, glauben, dass ohne sie der Betrieb zusammenbricht: Viele solcher Menschen sind wirklich unersetzlich. Was würde eine Gemeinde, die Kirche tun, ohne solche Menschen, die sich oft über die Maßen für andere einsetzen. Dabei merken sie oft gar nicht, wie die Kräfte immer mehr schrumpfen, die Akkus leer sind, sie nur noch funktionieren für andere und manches Mal schon gar nicht mehr merken, was sie selbst bräuchten. Diese Menschen ermutigt das Evangelium, etwas nur für sich zu tun, sich wirklich auszuklinken und zu erholen.

Aber es gibt auch das andere: im Evangelium bleibt es nicht beim Ausruhen und der Erholung. Die Leute haben gemerkt, dass Jesus etwas Besonderes ist. Sie suchen Orientierung bei ihm. Deshalb gehen sie ihm und seinen Jüngern zu Fuß voraus und sind schon da, als Jesus mit seinen Jüngern im Boot ankommt. Die Menschen brauchen ihn. Und Jesus merkt, dass er sich jetzt nicht zurückziehen kann. Sonst würde er sie im Stich lassen. Denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben., so drückt es das Markusevangelium aus. Hirten hatten die Sorge für ihre Tiere. Sie beschützten sie und führten sie zu Plätzen mit gutem Gras und Wasser. Ohne Hirten wären Schafe schutzlos und orientierungslos. So würden wir heute vielleicht sagen: sie hatten niemanden, der sich um sie gekümmert hätte und ihnen Orientierung gegeben hätte.

Im Alten Testament ist oft von Hirten die Rede. Da gelten die Könige als Hirte des Volkes Israel. Da gab es gute und schlechte. Denen, die schlecht für ihr Volk sorgten, drohten die Propheten, dass Gott selbst, der wahre Hirte seines Volkes, ihnen die Macht wegnehmen und selbst für sein Volk sorgen will. Schlechte Hirten gab und gibt es leider immer wieder, Menschen, die ihre Macht nicht zum Wohl der ihnen Anvertrauten sondern zu deren Schaden gebrauchen.

Die Menschen im Markusevangelium sehen in Jesus einen guten Hirten, einen, der wie Gott wirklich für sie sorgt. Und Jesus nimmt die Aufgabe an. Er wird dem gerecht, was die Menschen von ihm brauchen. Er lehrte sie lange. Jesus bleibt ansprechbar, wenn Menschen ihn brauchen. Er hat keine festgelegten Sprechzeiten, sondern wird dann tätig, wenn er gebraucht wird.

Vielleicht ist es Ihnen auch schon so ergangen, das sie meinten: „so jetzt kann ich wirklich nicht mehr und alle können mir gestohlen bleiben.“ Und dann kam ein Anruf, dass Sie jemand braucht, weil es ihm oder ihr schlecht geht. Und Sie haben noch einmal alle Kräfte mobilisiert und waren für diesen Menschen da.

So etwas kann natürlich auch ausgenutzt werden. Und es nicht leicht, zu entscheiden, wann ziehe ich mich zurück und wann bin ich für andere da? Oder anders formuliert, wann bin ich für mich da, wann für andere? Die anderen sind wichtig, aber ich bin genau so wichtig. Denken wir an das Hauptgebot: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

So ist unser Evangelium für mich beides: einerseits ein Plädoyer für Erholung und Sich-Zurückziehen, andererseits auch die Aufforderung, ansprechbar zu bleiben, wenn einen Menschen wirklich brauchen. Amen!
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Am heutigen 22. Juli ist auch der Festtag der heiligen Maria Magdalena. Wir gedenken dieser mutigen Frau in Verehrung und Dankbarkeit. Sie war eine der engsten Jüngerinnen und Jünger Jesu, die erste Zeugin der Auferstehung und Apostelin der Apostel. Herzlichen Glückwunsch allen Frauen, die ihren Namen tragen.

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