Verstehen die Menschen die Eucharistie noch? / Eine Nachbetrachtung – Fronleichnam B

Aus dem Evangelium nach Markus, Kapitel 14
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
12 Am ersten Tag des Festes der ungesäuerten Brote, an dem das Pessachlamm geschlachtet wurde, fragten seine Jüngerinnen und Jünger Jesus: »Sage uns: Wohin sollen wir gehen und Vorbereitungen treffen, damit du das Pessachmahl essen kannst?«
13 Da schickte er zwei von ihnen mit den Worten los: »Geht in die Stadt Jerusalem. Da wird euch eine Person begegnen, die trägt einen Krug mit Wasser. Folgt ihr,
14 und wo sie hineingeht, da sagt zur Besitzerin oder zum Besitzer des Hauses: ›Der Lehrer fragt: Wo ist meine Unterkunft, in der ich mit meinen Jüngerinnen und Jüngern das Pessachmahl essen und feiern kann?‹
15 Dann wird euch ein großes Zimmer im Obergeschoss gezeigt, das mit Kissen ausgelegt und vorbereitet ist. Dort sollt ihr für uns die Vorbereitungen treffen.«
16 Die Jüngerinnen und Jünger gingen los, kamen in die Stadt und fanden alles so vor, wie Jesus es beschrieben hatte. Da begannen sie, das Festessen vorzubereiten.
22 Als sie aßen, nahm Jesus ein Brot, sprach den Brotsegen und brach es, gab es ihnen und sagte: »Nehmt, dies ist mein Leib.«
23 Dann nahm er einen Becher, sprach den Segen über ihm, gab ihn an sie weiter, und sie tranken alle daraus.
24 Jesus sprach weiter: »Das ist mein Blut des Bundes, das für alle vergossen wird.
25 Ja, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, an dem ich sie in der Welt Gottes neu trinken werde.«
26 Am Schluss des Pessachmahls priesen sie Gott mit einem Lied. Dann gingen sie hinaus auf den Ölberg.

Abendmahl
Autorin:
Sigrid Haas, Diplomtheologin, Mannheim

 
Die Predigt:
Verstehen die Menschen die Eucharistie noch? – Eine Nachbetrachtung

Liebe Leserin, lieber Leser,

Schwer verständliche Rituale

An Fronleichnam zeigen wir öffentlich unseren Glauben an einen Gott, der uns immer nahe ist, an Jesus, der in der Eucharistie in den Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig ist. Doch verstehen die Menschen das heute noch oder braucht es ein Umdenken und neue Formen?

Wirkt auf Außenstehende die Prozession nicht vielmehr wie eine folkloristische Darbietung oder ein abergläubisches Ritual, wenn ein Priester in prächtigen Gewändern über Blumenteppiche schreitend und von einem Baldachin geschützt ehrfürchtig eine Oblate in einer goldenen Monstranz herumträgt und die niederknienden Menschen segnet?

Und die Eucharistie an sich, erscheint die durch den Priester zelebrierte Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut des gekreuzigten und auferstandenen Christus, welche die Gläubigen dann zu sich nehmen, nicht eher als archaisches Opferritual?

Außerdem, macht dieses Fest nicht ganz besonders die Trennung der an Christus Glaubenden sichtbar, da keine andere Konfession eine eucharistische Anbetung kennt?

Eucharistie in der Krise

Nicht nur die Kirche, auch die Eucharistie befindet sich in einer Krise. Lediglich 10 % der Gläubigen besuchen noch regelmäßig die Messe. Nicht nur, weil in vielen Gemeinden aufgrund des dramatischen Priestermangels immer weniger die Eucharistie gefeiert wird. Sondern weil sogar sehr vielen Gläubigen die Eucharistiefeier mit ihren altertümlichen, komplizierten Riten und lebensfernen Worten heute nicht mehr verständlich ist. Besonders die im Mittelalter aufgekommene einseitige Interpretation der Eucharistie als „Messopfer“ hat so gar nichts mit dem Leben der heutigen Menschen zu tun. Inzwischen hinterfragen sogar prominente Theologen wie Eugen Biser, ob Jesus sich am Kreuz geopfert hat, um uns von unseren Sünden zu erlösen. Die Entfremdung wird auch verstärkt durch die Diskussion über die sehr strengen Zulassungsbedingungen zur Eucharistie und die Ablehnung anderer Interpretationen jenseits der katholischen Eucharistielehre.

Die Eucharistie ist ein Geheimnis, das nur das Herz begreifen kann. Es gibt keine Trennung mehr zwischen Gott und Mensch. Jesus will uns ganz nahe sein, uns in „Fleisch und Blut“ übergehen. Deshalb hat er das Sakrament von Brot und Wein als Ausdruck seiner Liebe eingesetzt, an der alle Menschen ohne Ausnahme teilhaben dürfen.

Eine Wandlung der Kirche

Die Menschen sehnen sich nach einer wirklichen „Wandlung“ in der katholischen Kirche, nach einer Rückbesinnung auf das Wesen und das Wesentliche der Eucharistie, ja der Kirche an sich, nach der Botschaft von einem Gott der Liebe und einer Kirche, die in der Sprache und der Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts zu Hause ist.

Die Heilige Geistkraft tut ihr Bestes, um dies zu bewirken, doch stößt sie noch immer auf heftigen Widerstand. Glücklicherweise gab und gibt es immer wieder mutige Amtsträger. Um die Eucharistie regelmäßig feiern zu können, wurden beispielsweise in der kommunistischen Ära der Tschechoslowakei circa 200 verheiratete Männer zu Priestern und etwa ein Dutzend Frauen zu Priesterinnen geweiht. Und der österreichisch-brasilianische Bischof Erwin Kräutler fordert, die verheirateten Männer und Frauen, welche die weit auseinander liegenden Urwaldgemeinden leiten, zu Priesterinnen und Priestern zu weihen, damit die Menschen regelmäßig die Eucharistie feiern können, sonst verlieren sie den Bezug dazu, wie der Bau einer neuen Kapelle ohne Altar bezeugt.

Zurück zum Ursprung

Das griechische Wort „ευχαριστία“ heißt Danksagung. Würde die ursprüngliche Bedeutung wieder im Mittelpunkt stehen, könnten die Menschen Zugang zur Eucharistie finden. Der Theologe Albert Pichler regt eine „Schale der Dankbarkeit“ an: Eine leere Klangschale wird zur Gabenbereitung oder beim Wortgottesdienst still emporgehoben, damit alle ihren Dank hineinlegen können, dann wird sie angeschlagen und vom Wunsch begleitet, der Dank möge zu Gott aufsteigen und sich wie die Klangwellen in der Welt verbreiten. Er motiviert auch zu einer eucharistischen Lebenskultur, indem Dankrituale auch etwa bei Gruppentreffen und mit Kindern ihren Platz finden.

In der Urgemeinde gehörte das gemeinsame Liebesmahl (ἀγάπη – Agape), zu dem alle etwas mitbrachten, vor der liturgischen Feier dazu (vgl. Apg 2,46 ). Welche Ausstrahlung hätten Gemeinden, die zu dieser Praxis zurückkehren würden? Bischof Erwin Kräutler beschreibt ein Weihnachtsfest in Amazonien: Vor der Messe empfing er an der Tür alle Gemeindemitglieder mit einer Umarmung und nach der Christmette wurde das mitgebrachte Essen miteinander geteilt, gesungen und gelacht. Was für ein Unterschied zu unseren Gottesdiensten, wo einsame Menschen nach der Messe traurig nach Hause gehen müssen.

Die Eucharistie ist Geschenk und Auftrag zugleich: Wir sind miteinander und mit Gott verbunden und werden durch das Wort, das Sakrament und die Gemeinschaft genährt, damit wir andere nähren können.

Neue Ausdrucksformen entwickeln

Wie könnte ein Fronleichnamsfest auf eine versteh- und erlebbare Weise gefeiert werden? Ein „Fest der Dankbarkeit“ würde an den ursprünglichen Sinn anknüpfen, ein gemeinsames Mahl an die urchristliche Agape. In Zusammenarbeit mit einer Bäckerei könnte eine Gruppe Brote backen für das gemeinsame Mahl und zum Mitnehmen für Kranke und alte Menschen. Um das Verbindende zu zeigen, könnten alle christlichen Gemeinden einer Stadt, eines Stadtteils oder eines Dorfes gemeinsam einen Dankgottesdienst feiern, bei dem jede Konfession erzählt, was das Abendmahl für sie bedeutet, eventuell auch eine ökumenische Mahlfeier nach der Lima-Liturgie. Die Gläubigen könnten zuvor eingeladen werden, ein Bild oder Symbol für das mitzubringen, was sie nährt, was für sie das „Brot des Lebens“ ist und die Bilder könnten dann an eine Pinwand gehängt werden. Der Abschluss des Gottesdienstes könnte eine Prozession mit einem Abendmahlsbild sein mit Stationen für jede Konfession. Wie würde solch ein ökumenisches Fest nach außen wirken, wie würden sich die Feiernden dabei fühlen, welche Erfahrungen würden sie dabei machen? Es könnte eine Wandlung der anderen Art sein… Amen.

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