Wer oder was steht für mich an höchster Stelle? – 29. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 22
15 In jener Zeit kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen.
16 Sie veranlassten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Herodes zu ihm zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person.
17 Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?
18 Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle?
19 Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denar hin.
20 Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das?
21 Sie antworteten: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
22 Als sie das hörten, waren sie sehr überrascht, wandten sich um und gingen weg.

Autorin:
D1000001 2Brigitte Hofstätter, Pfarrbeauftragte in St. Albert / Würzburg/ Lindleinsmühle, Sprecherin der PastoralreferentINNen der Diözese Würzburg, verheiratet, fünf Kinder.

 
Die Predigt:
Wer oder was steht für mich an höchster Stelle?

Liebe Leserin, lieber Leser,
Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu Dir. Er ist friedfertig und reitet auf einer Eselin und einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers. Mit diesen Worten deutet Matthäus im Kapitel zuvor den Einzug Jesu in Jerusalem und sieht in diesem Geschehen die Erfüllung der Verheißung der Profeten. Nach seinem Einzug finden wir Jesus immer wieder im Tempel. Dort lehrt er, und die Hohenpriester und Ältesten des Volkes stellen ihn zur Rede. Nach Matthäus spitzt sich die Situation immer mehr zu.

Im heutigen Evangelium wollen die Pharisäer Jesus einen Strick drehen, damit er sich durch eine unvorsichtige Äußerung selbst disqualifiziert. Und sie suchen sich Verbündete, Zeugen, die gegen Jesus aussagen können. Die besten Verbündeten sind in diesem Fall die „Herodianer“. Diese Herodianer waren vermutlich Parteigänger der Herodes – Dynastie und gegenüber der römischen Besatzungsmacht zwiespältig eingestellt. Vermutlich wegen dieser zwiespältigen Einstellung gegenüber Rom werden sie in der Steuerfrage für den Kaiser als Zeugen gebraucht, um Jesus auf jeden Fall denunzieren zu können. Um Jesus so richtig auf´s Glatteis zu führen, schleimen sich die Schüler der Pharisäer bei Jesus ein. „Lehrer“ sagen sie zu Jesus und betonen gleich zweimal die Wahrhaftigkeit Jesu, der, so steht es im griechischen Urtext, nicht auf das Angesicht der Menschen schaut, d.h. der Menschen nicht nach ihrer gesellschaftlichen Position beurteilt. Jesus sei absolut unparteiisch, sagen sie zu ihm und wollen ihn durch ihre Fangfrage gleich darauf einer Parteilichkeit für oder gegen den Kaiser in Rom überführen: „Ist es erlaubt dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht?“

Worum geht es eigentlich in dieser Frage, die im Judentum zur Zeit Jesu heftig umstritten war? Zunächst geht es einmal um eine Kopfsteuer, die die Römer ab dem Jahr 6 nach Christus in der Provinz Judäa von allen Männern, Frauen und Sklaven ab dem 12. bzw. 14. bis 65. Lebensjahr verlangten. Eine Gruppierung innerhalb des Judentums, nämlich die Zeloten, lehnte diese römische Kopfsteuer aus religiösen Gründen ab. Andere Gruppierungen jedoch, auch die Pharisäer, hatten sich für die Zahlung entschieden.
Wenn Jesus also mit einem Ja antwortet, dann stellt sich die Frage, inwieweit die von ihm verkündete Königsherrschaft Gottes noch Absolutheitsgeltung hat, und inwieweit sie über dem Befehl des „göttlichen“ Kaisers steht. Beantwortet er aber die Frage mit nein, dann kann er als Aufrührer gegenüber der römischen Herrschaft angezeigt werden.

Jesus durchschaut dieses hinterlistige Spiel. Er lässt sich die Münze zeigen, die als Steuer zu entrichten ist und fragt nach dem Bild und der Aufschrift der Münze. Jetzt wird die Situation wirklich brisant. Denn bei der Münze handelt es sich um einen Silberdenar mit der Abbildung des Kaisers Tiberius. Er trägt die Aufschrift : Kaiser Tiberius, des Göttlichen Augustus Anbetungswürdiger Sohn, Oberster Priester.
Ich stelle mir vor, dass es den Gesprächspartnern Jesu jetzt heiß und kalt gleichzeitig wird, als Jesus zu ihnen sagt: „Gebt den Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört.“ Wohlgemerkt, unsere Szene spielt im Tempel zu Jerusalem. In diesem Tempel lautet das oberste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ und die Hohenpriester sorgen dafür, dass der Kult und die Verehrung Jahwes in rechter Weise zelebriert wird. Jetzt geht es also gar nicht mehr um die Steuerfrage, sondern um die Frage, wer ist Gott und wem schulde ich die höchste Verehrung?

Wer oder was ist Gott für mich und wem schulde ich die höchste Verehrung? Das ist – glaube ich – die Lebensfrage jedes Menschen, auch unserer Tagesheiligen Teresa von Avila: Sie hat für sich und für den von ihr neugegründeten Orden des Teresinischen Karmels eine eindeutige Antwort gefunden: Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, der in Freundschaft mit uns Menschen lebt und mit dem wir freundschaftlichen Umgang haben können. So schreibt sie in ihrer Vita: „Denn meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“ Für Anfänger im Gebet ist es gut, „sich vorzustellen, bei Christus zu sein, und es sich zur Gewohnheit machen, sich sehr in seine heilige Menschheit zu verlieben, ihn immerfort bei sich zu haben und mit ihm zu sprechen, ihn in seinen Nöten zu bitten, sich in seinen Plagereien bei ihm zu beklagen, in glücklichen Stunden sich mit ihm freuen und ihn deswegen nicht zu vergessen, ohne sich um vorformulierte Gebete zu bemühen, sondern mit Worten, wie sie seinen Wünschen und seinem Bedürfnis zu entsprechen.“ Obwohl sie hier von Anfängern im Gebet spricht, korrigiert sie sich gleich anschließend: Sie schreibt: „Dies ist ein ausgezeichnetes Mittel, um voranzukommen, und dazu in sehr kurzer Zeit. Wer sich darum bemüht, diese erlesene Gesellschaft bei sich zu haben, und viel Nutzen daraus zieht und zu diesem Herrn, dem wir so viel verdanken, echte Liebe fasst, den halte ich für fortgeschritten“

Für Teresa relativiert sich im Umgang mit diesem Freund jeglicher menschliche Herrschaftsanspruch und sie findet zu einer inneren Freiheit, die sie schonungslose Herrschaftskritik üben lässt. So schreibt sie: „Ich kann mit ihm (Jesus) umgehen wie mit einem Freund, obwohl er doch Herr ist. Denn ich erkenne, dass er nicht ist wie die, die wir hier als Herren haben, die ihr ganzes Herrsein auf „Autoritätsprothesen“ gründen: Man braucht Sprechstunden und privilegierte Leute, die mit ihnen sprechen. Wenn es irgendein armer Kerl ist, der irgendein Geschäft hat, wird es ihn noch mehr Hin und Her und Beziehungen und Mühen kosten, es vorzubringen!
Und wenn er es gar mit dem König zu tun hat, dann dürfen arme und nichtadelige Leute erst gar nicht hinzutreten, sondern man muss fragen, wer die einflussreichsten Günstlinge sind. Und das sind ganz gewiss keine Personen, die die Welt unter ihren Füßen haben, denn solche sagen Wahrheiten, die sie weder fürchten noch schuldig bleiben; sie taugen nicht für den Palast, denn Wahrheiten dürfen dort nicht vorkommen, sondern man muss verschweigen, was einem schlecht erscheint, ja, sie dürfen noch nicht einmal wagen, es zu denken, um nicht in Ungnade zu fallen.“

Schonungslos spricht Teresa die Missstände ihrer Zeit an. Kein Wunder, dass sie befürchtet, ihr Buch könnte der Inquisition zum Opfer fallen und verbrannt werden. Zum Glück gab es in Spanien im 16. Jahrhundert keine Hexenverbrennungen.
Was hätte Teresa von Avila alles zustoßen können, die mit ihrem Ordensnamen Teresa de Jesus heißt, und der am 27. September 1970 als erster Frau in der katholischen Kirche der Titel „Doctor Ecclesiae“, d.h. Kirchenlehrerin verliehen wurde? Diese Frau betet:
Herr meiner Seele! Als Du noch in dieser Welt wandeltest, hast Du den Frauen immer deine besondere Zuneigung bewiesen. Fandest Du doch in ihnen nicht weniger Liebe und Glauben als bei den Männern.
Auch befand sich ja unter ihnen deine Heilige Mutter, deren Verdienste uns zukommen und deren Habit wir tragen. Die Welt irrt, wenn sie von uns verlangt, dass wir nicht öffentlich für Dich wirken dürfen, noch Wahrheiten aussprechen, um derentwillen wir im Geheimen weinen, und dass Du, Herr, unsere gerechten Bitten nicht erhören würdest.
Ich glaube das nicht, Herr, denn ich kenne deine Güte und Gerechtigkeit, der Du kein Richter bist wie die Richter dieser Welt, die Kinder Adams; kurz, nichts als Männer, die meinen, jede gute Fähigkeit bei einer Frau verdächtigen zu müssen.
Aber es wird der Tag kommen, mein König, wo dieses alles bekannt wird.
Ich spreche hier nicht für mich selbst, denn die Welt kennt meine Schwachheit, und das ist mir lieb.
Aber ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt,
nur weil es sich um Frauen handelt. Amen

(Teresa von Avila, 1515-1582)

Literatur:
Joachim Gnilka: Das Matthäusevangelium 14,1-28,20 in Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament S. 245 und folgende
Teresa von Avila: Das Buch meines Lebens, Herder 2001, Seiten156, 157, 197, 554, 555

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7 Antworten auf Wer oder was steht für mich an höchster Stelle? – 29. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Benedikta sagt:

    Danke für die intensive Erinnerung an Teresa von Avila, unsere 1. „Kirchenlehrerin“.
    „Inneres Beten ist nichts anderes als Verweilen bei einem Freund“ bei Jesus, der uns
    liebt. Daraus zog sie ihre Kraft !

  2. Volker sagt:

    @IWE Sie haben völlig Recht, wenn Sie sich gegen pauschale Kritik am Pharisäertum zur Zeit Jesu wehren. Jesus wehrt sich in konkreten Situationen gegen einzelne Menschen, die man nicht für welche Gruppen auch immer vereinnahmen darf. Nun kommt man aber bei Jesus an einigen Besonderheiten nicht vorbei, die letztendlich auch zu seinem gewaltsamen Tod führen, für den natürlich wiederum nur einzelne historische Personen verantwortlich gemacht werden können. So scharrt er einen Kreis von 12 Jüngern um sich, die wohl als Symbol für die 12 Stämme, also für ganz Israel stehen. Auffällig dabei, er selbst stellt sich darüber, ordnet sich nicht ein. Dann kommt er aus der Schule Johannes des Täufers, der zur Umkehr aufruft und die Abrahamskindschaft als Erlösungskriterium relativiert (Lk 3,8). Auf dieser Linie ist wohl auch Jesus, wenn er sich gegen die Tempel-Aristokratie stellt, wenn er jüdische Gesetze relativiert (Sabbatgesetz, Reinheitsgesetze, Ehescheidungsgesetz etc.). Selbst beim ersten Märtyrer, Stephanus, wird diese Lehre deutlich, wenn man ihm vorwirft gegen Gott, Mose und den Tempel zu agieren (Apg 6,11ff). Und schließlich ist es Paulus, der diese Linie fortführt, indem er dem Gesetz die rettende Kraft abspricht (Gal 3,11). Jesus war ein Jude, der den Blick für das Wesentliche des jüdischen Glaubens eröffnen wollte, den Gottesglauben. In seiner Predigt und in seinem Handeln demonstriert er das Reich-Gottes, in dem es Heil und Vergebung für alle Sünder gibt, die glauben.

  3. IWe sagt:

    @Volker
    in meinem gelöschten Beitrag war die Rede davon, daß ich die Idee zu einer Predigtseite von Frauen gut finde, mir aber die liberale-katholisch-feministische Variante des christlichen Antijudaismus wie sie in obiger Predigt zum Ausdrck kommt – nicht gefällt. Offensichtlich sind solche Äußerungen unerwünscht und ein Austausch darüber nicht oportun. Sonst wäre nicht – kommentarlos – gelöscht worden.

    Dass nun Jesus Gebote im Hinblick auf Schabbat, rituelle Reinheit oder Scheidung relativiert haben soll, kann ich nicht nachvollziehen.

    Das Jesuszitat, der Schabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Schabbat ist kein orginales Jesuswort, sondern ein Zitat eines pharisäischen Gelehrten, der eine Generation vor Jesus gelebt hat.

    Das Judentum hatte immer die sehr realistische Sicht, dass eine Ehe scheitern kann. Wenn ich nun sehe, daß in der katholischen Kirche geschiedenen Wiederverheirateten die Teilnahme an der Kommunion verweigert wird bzw. diese ihren Arbeitsplatz in katholischen Institutionen verlieren können, dann stellt sich die Frage, wer hier Scheidungsgesetze verschärft. Ich kenne keine/n Rabbiner/in oder in einer jüdischen Institution arbeitenden Menschen, der durch eine Scheidung den Arbeitsplatz verloren hat.

    • admin sagt:

      Es tut uns sehr Leid. Wir haben zur Zeit mit sehr vielen Spam-Kommentaren zu kämpfen. Leider wurde ihr Beitrag versehentlich mitgelöscht. Wir bitten das zu entschuldigen.

  4. Volker sagt:

    @IWe Dass es schon Vorläufer für Teile der Botschaft Jesu gab, ist nur normal, bedeutet aber was? Er ist Jude und gerät mit bestimmten jüdischen Gruppen bzw. Menschen in Konflikt. Scheinbar auch wegen seiner Gesetzes- und Tempelkritik. Dass er sich über das mosaische Ehescheidungsgesetz hinweg setzt, zeigt in meinen Augen, dass er sich mitunter für den Schutz der Frauen einsetzt, denn das Ausstellen der Scheidungsurkunde stand nur dem Mann zu. Mit der realistischen Sicht des Judentums gebe ich Ihnen aber Recht, bei dem Judenchristen Matthäus kann man wunderbar verfolgen, wie ihm das radikale Ehescheidungsverbot des Herrn Probleme macht, er fügt die Unzuchtsklausel ein (Mt 5,32). Jesus war halt ein Radikaler 😉

  5. IWe sagt:

    @Volker – ja, nur diese Normalität wird gern von Christen ausgeblendet und so getan, als ob diese Aussage
    1. von Jesus selbst stammt im Sinn eines originären Jesuswortes und
    2. er sich dadurch vom Judentum unterscheidet.

    Die Möglichkeit der Scheidung sehe ich als positiv und nicht als negativ an. Die Versorgung der Scheidung nach der Ehe ist für eine jüdische Frau im Ehevertrag geregelt. Und dass in einem patriarchalen Umfeld das Scheidungsdokument nur vom Mann ausgestellt werden kann, heißt nicht, daß es für Frauen keine Möglichkeiten gab, eine Scheidung herbeizuführen. Bei einer sehr übersichtlichen Gesellschaft gibt es da Möglichkeiten der sozialen Kontrolle, die das dann ermöglichen. Übrigens hatten schon – in dieser Zeit – jüdische Frauen das Recht auf sexuelle Befriedigung, und wenn der Mann dies nicht tat, war dies ein Scheidungsgrund.

    Ich finde nicht, daß eine schlechte Ehe schutzwürdig ist. Es ist schlimm, wenn Frauen in Gewaltbeziehungen bleiben müssen, weil Scheidung nicht in Frage kommt.

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