Welchem Stern wollen wir folgen? – Hochfest der Erscheinung des Herrn

Neue Einheitsübersetzung
Antwortpsalm 72
Kehrvers: Alle Könige werfen sich vor ihm nieder,
es dienen ihm alle Völker.
1 Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König,
dem Königsohn gib dein gerechtes Walten.
2 Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit
und deine Elenden durch rechtes Urteil. – Kehrvers
7 In seinen Tagen sprosse der Gerechte
und Fülle des Friedens, bis der Mond nicht mehr da ist.
8 Er herrsche von Meer zu Meer,
vom Strom bis an die Enden der Erde. – Kehrvers
10 Die Könige von Tarschisch und von den Inseln bringen Gaben,
mit Tribut nahen die Könige von Scheba und Saba.
11 Alle Könige werfen sich vor ihm nieder,
es dienen ihm alle Völker. – Kehrvers
12 Ja, er befreie den Armen, der um Hilfe schreit,
den Elenden und den, der keinen Helfer hat.
13 Er habe Mitleid mit dem Geringen und Armen,
er rette das Leben der Armen.

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindepastoral, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Welchem Stern wollen wir folgen?

Liebe Leserin, lieber Leser,
Friede und Gerechtigkeit gehören zu den Begriffen, die in der Bibel – im ersten und im zweiten Testament – am häufigsten vorkommen. Nach Frieden und Gerechtigkeit sehnen sich so viele Menschen, die sie schmerzlich vermissen. Die Bibel ist d a s Buch, das die urmenschliche Sehnsucht aufgreift, ihr Raum gibt und den Messias verheißt, der beides bringen wird: Frieden und Gerechtigkeit.

Friede und Gerechtigkeit, beide gehören untrennbar zusammen. Ohne Gerechtigkeit wird Friede niemals möglich sein. Jeder Mensch hat Grundbedürfnisse. Von Geburt an brauchen Menschenkinder Geborgenheit, Liebe, Fürsorge, Nahrung zum Überleben und Wachsen, aber auch Bildung, Nahrung für Seele und Geist. Das alles ist nicht möglich ohne ausreichendes Einkommen und ein Leben in Freiheit und Würde. Wo diese Grundbedürfnisse und Grundrechte nicht gewährleistet sind, wird niemals Friede sein können.

In unserem Land wird zur Zeit viel über den „sozialen Frieden“ gesprochen, der in Gefahr ist: „soziale Kälte“ statt „sozialer Friede“. Obwohl es dem Land wirtschaftlich und freiheitlich gut geht, mangelt es doch an Gerechtigkeit. Kardinal Wölki hat in seiner Weihnachtsansprache ein Beispiel herausgegriffen, das Problem der Wohnungsnot und der unverschämten und für viele unerschwinglichen Mietpreise, besonders in den Städten. Menschen müssen aufs Land ziehen und lange Fahrzeiten zur Arbeit in Kauf nehmen, Tag für Tag. Das wird ihren Bedürfnissen nicht gerecht. Die einen bereichern sich an ihrem Immobilienbesitz. Die anderen bezahlen dafür z.B. mit ihrer Lebenszeit und Gesundheit. Verkehrsströme schädigen die Umwelt. Wer wenig verdient, hat keine Chance auf dem Wohnungsmarkt und die Zahl der Obdachlosen ist in unserem viel bewunderten und beneideten Land auf über 50Tausend gestiegen.

Ohne Gerechtigkeit kein Friede. Je mehr Menschen sich sozial benachteiligt fühlen, in ihren Bedürfnissen nicht ernst genommen, desto stärker wird auch die Abwehr gegen Flüchtlinge, wenn es den Anschein hat, dass sie stärker gefördert und unterstützt werden als man selbst. Da ist viel an Emotionen im Spiel. In einer bisher unbekannten Weise wird die Auseinandersetzung und der Ton rauer und entzweit bis in die Familien hinein. Wer sich für das Recht und die Gerechtigkeit gegenüber allen Menschen einsetzt, wird schnell als sog. „Gutmensch“ und unverbesserlicher Sozialromantiker belächelt.

So ist gerade heute am Fest der Erscheinung des Herrn vor aller Welt wichtig, dass wir uns darüber klar werden, welchem Stern wir denn folgen wollen: Dem „Mercedesstern“ unseres privaten Glücks – Hauptsache meiner Familie und mir geht es gut mit erstklassiger Bildung, wachsendem Konto, tollen Reisen, schönem Auto, Geselligkeit und sportlichen Aktivitäten? – Oder dem Stern von Gerechtigkeit und Frieden für alle, der über der Krippe von Betlehem steht, und dem wir mit den Weisen aus dem Morgenland in unendlich vielen kleinen Schritten hinterher ziehen, Tag für Tag und Stunde für Stunde?

Diesem Stern folgt jedenfalls die Aktion der Sternsinger in diesem Jahr aufs Neue. Unter dem Motto: Gemeinsam gegen Kinderarbeit – in Indien und weltweit. Natürlich kann man einwenden: Armut wird es immer geben. Ohne die Kinderarbeit könnten die Familien nicht überleben. Wir können nicht die ganze Welt retten und wie all die Argumente der Ausrede heißen mögen. Aber die Mädchen und Jungen, die als Sternsinger unterwegs sind, setzen mit der Missio-Aktion ein Ausrufezeichen:
– Hört erstmal her! – In Indien gibt es die größte Zahl an arbeitenden Kindern weltweit: hart und gesundheitsgefährdend arbeitende Kinder im Steinbruch, auf dem Feld, im Haushalt, in den Fabriken, in der Teppichknüpferei. Viele Millionen. Die meisten haben nie eine Schule gesehen und damit auch keine Chance, jemals eine besseres Leben zu erreichen. Die Kinder bekommen sehr wenig Lohn. Sie werden ausgenutzt und manchmal wie Sklaven behandelt. Deshalb spricht man auch von „ausbeuterischer“ Kinderarbeit. Unternehmer machen damit ein gutes Geschäft. Kinder sind noch billigere Arbeitskräfte als Erwachsene und können sich noch schlechter gegen Ausbeutung wehren.
– Und! – man kann die Kinderarbeit nicht abschaffen, aber man kann helfen. Mit dem Geld, das die Sternsinger sammeln, werden Hilfsprojekte finanziert, die Schulbesuche und Ausbildung ermöglichen. Außerdem unterstützen wir alle mit dem Kauf von fair gehandelten Waren den Kampf gegen Kinderarbeit, weil diese Waren nachweislich nicht von Kindern produziert werden dürfen. *

Welchem Stern wollen wir also folgen? Als Christinnen und Christen gibt es nur eine Antwort, beharrlich einzutreten für Frieden und Gerechtigkeit für a l l e Menschen. Jeder noch so kleine Schritt in diese Richtung lohnt sich und kann eine Glückserfahrung schenken. Wir müssen auch all denen laut widersprechen, die angeblich für „unsere“ Werte eintreten wollen, aber statt an der Integration von geflüchteten Menschen zu arbeiten, ständig davon reden, wie sie nur möglichst von uns ferngehalten werden können. Das ist die Pflicht aller, die mit den Weisen aus dem Morgenland an der Krippe stehen wollen. Amen.
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*s. Missio-Material zur Sternsingeraktion

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