Gott sagen heißt Gerechtigkeit meinen – 26. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, 21,28-32
Übersetzung der „Bibel in gerechter Sprache“ *
In jener Zeit sagte Jesus zu den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes:
Wie denkt ihr über folgenden Fall? Ein Mann hatte zwei Kinder. Er kam zum ersten und sagte: ‚Mein Kind geh’ heute und arbeite im Weinberg’. Der Junge antwortete: ‚Ich will nicht.’ Später tat es ihm leid und er ging. Der Vater kam zum zweiten und sprach genauso. Dieser Junge antwortete: ‚Ja , Herr’, aber er ging nicht. Wer von beiden hat den Willen des Vaters getan? Sie antworteten: “Das erste Kind.“ Jesus sagte zu ihnen :“Wahrhaftig ich sage euch mit allem Ernst: die Zöllner und die Prostituierten werden vor euch in Gottes Welt gelangen. Johannes kam zu euch mit der Praxis der Gerechtigkeit, und ihr habt nicht geglaubt. Die Zöllner und die Prostituierten haben ihm geglaubt. Und ihr – obwohl ihr das gesehen habt – seid doch nicht umgekehrt, um ihm endlich doch zu glauben.“

Autorin:
scale-210-210-12_25508028_2Maria Sinz, Gemeindereferentin, Aalen,
stellvertretende geistliche Leiterin der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung)

 
Die Predigt:
Sie stellt das Evangelium in den Zusammenhang der anderen Tageslesungen: Ezechiel, 18, 25 – 28, Psalm 25, 4 – 9 und Brief des Apostels Paulus an die Philipper, 2, 1 – 11

Gott sagen heißt Gerechtigkeit meinen

Liebe Leserin, lieber Leser,
Mit dem Bild der beiden Kinder verknüpfen sich bei mir sofort Alltagssituationen.
Beim ersten Kind sehe ich den Unmut auf dem Gesicht einer 13jährigen, die zur Mithilfe bei der Hausarbeit aufgefordert ist. Sie hat, weiß Gott, Besseres zu tun oder schlicht keine Lust. In seiner Antwort ist das erste Kind ganz bei sich, zeigt die momentane Stimmung, geht auf Distanz, verzichtet auf Höflichkeit, sagt schlicht ich will nicht. Später revidiert es das Nein und entscheidet selbständig doch zu arbeiten.
Ein anderes Mal sagt das Kind „Ja“, und tut es nicht. Ob das Vergesslichkeit war oder
Vortäuschung des „guten Willens“, beides ist möglich.

Während bei liegengebliebener Hausarbeit die zentrale Frage ist : An wem bleibt sie hängen?, geht es im Evangelium darum, den Willen des Vaters zu erfüllen. Der Text könnte auch mit der Frage weitergehen : Was wird aus dem Weinberg? Er könnte die Notwendigkeit dessen, was zu tun ist, im Blick haben. Nein, es geht hier nicht um die Arbeit als solche. Im Mittelpunkt steht die Frage: wer erfüllt den Willen des Vaters?
Dabei hat die Bibel nicht etwa einen Tyrannen im Blick. Im Psalm 25 wird die Zuneigung und Freundlichkeit Gottes betont: „Erinnere dich an deine Zuneigung. Adonaj, an deine Freundlichkeit. Die waren immer schon da.“
Es geht hier auch nicht um ein Zeichen der Anhänglichkeit oder einen vordergründigen Loyalitätsbeweis.
Vielmehr steckt in den Worten: ‚Wer erfüllt den Willen des Vaters?’ die Frage
nach Autorität und Legitimation. Wer ist der rechtmäßige Erbe? Das arglose Beispiel des Vater – Kind – Konflikts wird brisant im Blick auf die konkrete Lebenslage Jesu: das Establishment versucht Jesu Legitimation streitig zu machen, eine Situation, die für den Menschen Jesus lebensbedrohlich ist. Dennoch fährt Jesus fort und setzt mit der nun folgenden Aussage noch eins drauf: Zöllner und Prostituierte seien die wahren Kinder Gottes.

Sind da – im Eifer des Gefechts – „ die Pferde mit ihm durchgegangen“?
Woran misst sich der Wille des Vaters?
Jesu Antwort ist einfach und leidenschaftlich: im Tun der Gerechtigkeit.
Nicht um den Akt der Pflichterfüllung, sondern um des Lebens willens!
Das biblische Menschenbild misst grundsätzlich zwei Fähigkeiten zu: Unrecht zu erkennen und an Unrecht zu leiden. Und mittels dieser Fähigkeiten bleiben Menschen lebendig, statt z.B. in Formalismus zu erstarren oder in Anpassung zu ersticken.

Jesus wählt Zöllner und Prostituierte als Beispiel, weil er einen offensichtlichen Zusammenhang bewusst machen will, jenseits von moralischer Bewertung oder Lust am Provozieren. „Gott lässt die Demütigen im Recht gehen“(Psalm 25,9). Im Blick sind Menschen, die gleich ob Stricher oder Hure, zum Erwerb des Lebensunterhalts darauf angewiesen sind, ihren Körper zu verkaufen. Und Menschen, die für andere die Drecksarbeit des Geldeintreibens übernehmen. Beide Realitäten werden von ‚der Gesellschaft’ so gut es geht ausgegrenzt. Jesus nimmt sie mittenrein. Er nimmt die Gedemütigten in Schutz und spricht ihnen Integrität zu.

Johannes kam mit der Praxis der Gerechtigkeit zu euch…, und die Zöllner und Prostituierten haben ihm geglaubt. Sie werden vor den anderen in Gottes Welt gelangen. Wer unter Lebensbedingungen wie Ausgrenzung, Verachtung, sexueller Ausbeutung, das Gespür für die eigene Würde nicht verliert, der ist dort vielleicht schon angekommen. So würde ich hier „zum Glauben kommen“ interpretieren. Sehr viel schwieriger scheint es für die auf der ‚anderen Seite’ zu sein, sensibel für Unrecht zu bleiben und darum zu wissen, dass Glaube im biblischen Sinn immer „inklusiv“ ist, die soziale Wirklichkeit mit einschließt. Jesus setzt sich mit seinem ganzen Leben dafür ein, seine Zeitgenossen zu einem Glauben zu bewegen, der die Kraft der Mitmenschlichkeit ernst nimmt. Alles gibt er dafür, bis zum Sklaventod am Kreuz.(Brief des Apostels Paulus an die Philipper 2,8) Im Rückblick, nach Jesu Tod wertet Paulus, der Begründer christlicher Theologie, dies als Gottes Antwort auf menschliche Existenz.

An diesen leidenschaftlichen Geist Jesu, der auch in unserer Zeit in konkretes Tun münden will, knüpfen wir an, wenn wir in der KAB (Katholische Arbeitnehmerbewegung) von „Gerechtigkeitshandeln“ sprechen, und dieses ins Zentrum unserer geistlichen Reflektion stellen. In der KAB finden aktive Christen zusammen, die sich durch ihr soziales Engagement verbunden wissen: Betriebsrätinnen, Gewerkschafter, aktive Eltern, Rentner, Kirchengemeinderäte, Pädagoginnen, Engagierte im Gemeinwesen, kommunalpolitisch Aktive.
Die Anfänge gehen auf die christlichen Arbeitervereine zurück, unter Bismarck verboten, zu Beginn des 20. Jahrhunderts als katholische Arbeitervereine wieder gegründet, im Nationalsozialismus aufgelöst, in der Nachkriegszeit als Selbsthilfebewegung, kirchlicher Sozialverband und, bei uns in Württemberg, vielfach als Heimat für Vertriebene gewachsen.

Stelle ich mich heute als geistliche Leiterin der KAB vor, ist mein Gegenüber oft kurz irritiert, danach folgt die Bemerkung „ Wie? –Die Zeit des Verbandskatholizismus ist doch vorbei….“ Ja, – und gleichzeitig ist die Notwendigkeit einer christlich begründeten starken sozialen Bewegung brennend aktuell. Wir engagieren uns derzeit in Bündnissen:

· für eine solidarische Alterssicherung
· für Fairness im Gesundheitssystem
· für bessere Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern
· für ein bedingungsloses Grundeinkommen

In biblischer Tradition ist Gott sagen und Gerechtigkeit meinen ein und dasselbe! (siehe: Ezechiel 18,25 und folgende Verse)
Auch wenn wir vielfach hinter unseren Möglichkeiten zurück bleiben, verbindet uns der Wille auf den – in dieser Hinsicht- durch und durch „berechenbaren“ Gott in unserem Leben zu antworten. Im Einsatz für gute Lebensbedingungen für alle, kommen wir unweigerlich zu einer Lebenshaltung der immer größer werdenden Liebe. Sie leidet an der Not des Anderen mit – und wird aktiv.

So schließe ich mit den Worten aus Psalm 25:
4 Deine Wege, Adonaj, lass mich erkennen,
deine Pfade lass mich lernen.
5 Lass mich in deiner Verlässlichkeit gehen, belehre mich.
Du bist Gott, meine Befreiung. Auf dich hoffe ich jeden Tag.
6 Erinnere dich an deine Zuneigung. Adonaj, an deine Freundlichkeit.
Die waren immer schon da.
7 An die Verfehlungen meiner Jugend
und an meine Vergehen erinnere dich nicht.
Weil du freundlich bist, erinnere dich an mich, du!
Weil du gütig bist, Adonaj!
8 Gütig und gerecht ist Adonaj.
Deshalb belehrt Gott die, die gesündigt haben, über den Weg,
9 lässt die Demütigen im Recht gehen,
lässt die Gebeugten Gottes Weg lernen. Amen

* Die „Bibel in gerechter Sprache“ ist eine neue Bibelübersetzung aus dem Jahr 2006. Das Ziel der Theologinnen und Theologen ist es, „dem Ausgangstext gerecht zu werden und gleichzeitig verständlich zu sein. Darüber hinaus strebt die Bibelübersetzung – als ihr Spezifikum – „Gerechtigkeit“ in der Wahrnehmung der Geschlechter, der sozialen Gegebenheiten der antiken Welt und durch Berücksichtigung der Einsichten des jüdisch – christlichen Dialogs an. Ein zentrales Anliegen ist es dabei, eine einseitig männliche Rede von Gott zu vermeiden und angemessene Übersetzungsmöglichkeiten für den biblischen Namen Gottes zu finden.“
Christine Gerber, Benita Joswig, Silke Petersen in: Gott heißt nicht nur Vater, S. 7

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2 Antworten auf Gott sagen heißt Gerechtigkeit meinen – 26. Sonntag im Jahreskreis A

  1. W. sagt:

    Diese Predigt ist sehr lang und enthält verschiedenste Aussagen. Zum Glück kann ich als Leserin immer wieder zurückblättern. Ich möchte aber nur zu einer Aussage etwas anmerken
    Jesus hat nicht gesagt, sie sind die wahren Kinder Gottes und jene nicht. Er hat gesagt, sie werden vor ihnen ins Himmelreich gelangen. Das Ja-Sagen ist für sich genommen zunächst auch eine „Leistung“. Es fällt nicht immer leicht auf Gottes Anfrage mit Ja zu antworten. Dieses Ja verliert erst an Wert, als die Zusage nicht eingelöst wird.

  2. Birgit Droesser sagt:

    „Gott sagen und Gerechtigkeit meinen ist ein und dasselbe.“ Diese Aussage kann man in ihrer Deutlichkeit nur dick unterstreichen, besonders heute, wo Papst Benedikt die „Entweltlichung“ der Kirche fodert, was auch immer genau damit gemeint ist. Nicht Innerlichkeit an sich, sondern der Einsatz für Gerechtigkeit, das konkrete Tun ist es, was uns das Evangelium in aller Klarheit sagt.

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