Wo stehe ich auf der Skala? – 6. Sonntag der Osterzeit A

Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 14
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern und Jüngerinnen:
15 Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
16 Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll.
17 Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.
18 Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch.
19 Nur noch kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet.
20 An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch.
21 Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Autorin:
C-Bettin-komprimiert-200x300Christina Bettin, Gemeindereferentin in der Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach – Süd im Bistum Aachen

 
Die Predigt:
Wo stehe ich auf der Skala?

Liebe Leserin, lieber Leser,
eine grundlegende Ausgangsfrage bei Umfragen von Meinungsforschungsinstituten ist jedes Mal: „Sehen Sie der Zukunft eher mit Sorgen und Bedenken oder mit Hoffnung und Zuversicht entgegen?“ – Gruppieren Sie sich ein auf einer Skala vom 1-10, wenn „1“ mit Sorgen bedeutet und „10“ mit Hoffnung. Wo stehen Sie auf solch einer Skala? – Wo stehe ich auf dieser Skala? Ich bin dabei immer eine, die sich eindeutig im oberen Bereich einordnet. Diese Erkenntnis kam mir beim Lesen der heutigen Bibeltexte in den Sinn, verbunden mit der persönlichen Frage: „Woher kommt das? Was begründet meine hoffnungsvolle Grundeinstellung?“

Ich laufe nicht blind durch die Welt. Ich sehe ganz genau, wie alle anderen auch, die täglichen Nachrichtensendungen mit Schreckensmeldungen von Verfolgung, Terror und Flucht, von Umweltzerstörung und Klimaerwärmung, von Hunger und ungerechter Verteilung der Güter, und vielem mehr. Was nährt da Hoffnung und Zuversicht? Auch wenn ich in mein eigenes Leben schaue, im persönlichen Bereich gibt es durchaus Bedrückendes: Krankheit, das Sterben lieber Menschen, Scheitern der Ehe, Verkehrsunfall, Sorgen beim Werdegang der Kinder, Krankenhausaufenthalt mit OP. Was nährt da Hoffnung? Diese Frage stellt sich und ist nicht so schnell oder leichthin zu beantworten. Wie geht es Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, haben Sie angesichts von Leid in der Welt und auch Sorgen im persönlichen Umfeld noch Hoffnung?

Meine Antwort bei den Fragen des Meinungsforschungsinstitutes ist trotz allem ehrlich und ernstgemeint: Ja, ich sehe der Zukunft mit Hoffnung und Zuversicht entgegen! Und ja, der Grund dieser Hoffnung ist mein christlicher/österlicher Glaube! Rede und Antwort zu stehen fällt mir allerdings manchmal schwer. Wobei mit der Aufforderung aus dem heutigen Lesungstext, allen Rede und Antwort zu stehen, die nach der Hoffnung fragen, die uns erfüllt, sicher auch nicht gemeint ist, jedem ungefragt meine Antwort aufzudrängen. Ich habe einfach Sorge, belächelt zu werden. Mir persönlich gibt der Glaube Halt und Zuversicht. Wie genau das geht? Man kann es nicht einfach übertragen und verallgemeinern. Jeder darf seinen und ihren ganz eigenen Weg finden. Jede und jeder darf es selbst er-leben, durch das eigene Leben, also durch manche Sorge hindurch es erfahren. Ich denke, dadurch erst gibt es so etwas wie Glaubenssicherheit und dadurch nährt sich die Zuversicht, von der ich Rede und Antwort stehen kann. – Durch meinen Glauben bin ich allerdings nicht imprägniert gegen Rückschläge oder Zweifel. Bei mir fühlt es sich vielmehr so an, als hätte ich eine Art „Gegenmittel“, wenn der nächste Tiefschlag kommt.

Der heutige Abschnitt aus dem Johannes Evangelium ist den sogenannten Abschiedsreden entnommen. Jesus spricht angesichts des drohenden, nahen Endes seiner Mission und seines Lebens. Die Lage ist sehr zugespitzt. Schweres steht nicht nur ihm persönlich bevor, sondern Schweres, Verfolgung und Glaubenszweifel, stehen auch seinen Anhängerinnen und Anhängern bevor. In diese Situation und Stimmung hinein, möchte der Text Mut zusprechen. Man hört ihn förmlich mit wohlwollender, warmer Stimme gesprochen… Jesus will die Glaubensgrundlage und Kraftquelle ins Bewusstsein rücken. In bedrängenden Situationen hat jede und jeder, also damals wie heute, die Sicherheit und Vergewisserung der Kraftquelle nötig. Bei „Sonnenschein“, also wenn alles glatt läuft, da kann man vielleicht recht leicht zu seinem Glauben stehen, doch angesichts von Schwierigkeiten und Bedrohung, da fällt es um einiges schwerer. Die Gefahr besteht, gleich den ganzen Glauben über Bord zu werfen und sich von Jesus zu distanzieren. Selbst dem Petrus ging es ja, wie wir wissen, so. Das führte zur dreimaligen Verleugnung. – Jesus weiß um diese besondere Schwierigkeit und um diese allzu menschliche Eigenschaft. Er nimmt uns ernst, in dem er es eben nicht weg redet, sondern vielmehr Mut zuspricht.

Glaubensschwäche, Wankelmütigkeit, Verfehlungen, Unterlassungen, Scheitern sind unser aller Erfahrungen. Da tut es gut, sich gegenseitig Mut zuzusprechen. Da tut es gut, die Kraftquelle neu vor Augen geführt zu bekommen. Da tut es gut, wieder neu aus der gemeinsamen Kraftquelle zu schöpfen. Oft waren es gerade die Frauen der ersten Christengemeinden, die den Zugang zur Kraftquelle verspürten und davon erzählten. Vielleicht weil sie etwas weniger rational und mit mehr Emotion durch die Ereignisse gingen? Empfindsam und mit offenem Blick, das sind gute Voraussetzungen, um auch zarte Hoffnungszeichen wahrzunehmen. Wichtig ist dann noch, dass auch der Mut da ist, von meinen Überzeugungen zu verkünden, freimütig zu berichten und Zeugnis zu geben.

Mit den Jugendlichen in meiner Firmvorbereitung versetzen wir uns in die Pfingstszene der ängstlichen Jünger und Jüngerinnen Jesu hinter verschlossenen Türen… Wir fantasieren, was wäre, wenn das mutmachende Wehen des Geistes ausbliebe… Dann würden die Freundinnen und Freunde noch heute hinter verschlossenen Türen sitzen; dann würden sie voll Sorge und mit Ängsten in die Zukunft schauen; dann würden sie vielleicht ihre früheren Berufe wieder ausüben; in jedem Falle fehlte ihnen die Hoffnung und Jesu Leben bliebe folgenlos. … – Und wir heutigen Christen hätten niemals den Zugang zur Kraftquelle des österlichen Glaubens bekommen! –

Ich bin sehr froh, dass der versprochene Beistand, der Geist der Wahrheit auf die Jüngerinnen und Jünger damals herab kam. Ich bin froh, dass auch ich diesen Geist als Beistand verspüre und ihn an so manchen Stellen, selbst in unserer Kirche noch, entdecken kann; denn auch, dass es „kath. Frauenpredigten“ gibt, ist für mich ein deutliches Zeichen, dass wir von einem österlichen Glauben erfüllt sind. Das ist für mich ein Grund zur Hoffnung und ich sehe der Zukunft mit Zuversicht entgegen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen den Beistand bei der Beantwortung der anfänglich gestellten Frage „Wo stehen Sie auf der Skala?“ Vielleicht entwickeln wir sogar Ideen, was passieren müsste, damit wir auf der Skala einen Punkt nach oben rutschen…

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