Der Sehnsucht nach Leben Raum geben – 3. Fastensonntag A

Aus dem Evangeliuum nach Johannes, Kapitel 4
In jener Zeit
5 kam Jesus zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte.
6 Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde.
7 Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagte zu ihr: Gib mir zu trinken!
8 Seine Jünger waren nämlich in den Ort gegangen, um etwas zum Essen zu kaufen.
9 Die samaritische Frau sagte zu ihm: Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.
10 Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.
11 Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser?
12 Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden?
13 Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen;
14 wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.
15 Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.
16 Er sagte zu ihr: Geh, ruf deinen Mann und komm wieder her!
17 Die Frau antwortete: Ich habe keinen Mann. Jesus sagte zu ihr: Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann.
18 Denn fünf Männer hast du gehabt und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt.
19 Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist.
20 Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss.
21 Jesus sprach zu ihr: Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.
22 Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden.
23 Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden.
24 Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.
25 Die Frau sagte zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, das ist: der Gesalbte, Christus. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.
26 Da sagte Jesus zu ihr: Ich bin es, ich, der mit dir spricht.
27 Inzwischen waren seine Jünger zurückgekommen. Sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach, aber keiner sagte: Was willst du?, oder: Was redest du mit ihr?
28 Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen, eilte in den Ort und sagte zu den Leuten:
29 Kommt her, seht, da ist ein Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Messias?
30 Da liefen sie hinaus aus dem Ort und gingen zu Jesus.
31 Währenddessen drängten ihn seine Jünger: Rabbi, iss!
32 Er aber sagte zu ihnen: Ich lebe von einer Speise, die ihr nicht kennt.
33 Da sagten die Jünger zueinander: Hat ihm jemand etwas zu essen gebracht?
34 Jesus sprach zu ihnen: Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen.
35 Sagt ihr nicht: Noch vier Monate dauert es bis zur Ernte? Ich aber sage euch: Blickt umher und seht, dass die Felder weiß sind, reif zur Ernte.
36 Schon empfängt der Schnitter seinen Lohn und sammelt Frucht für das ewige Leben, so dass sich der Sämann und der Schnitter gemeinsam freuen.
37 Denn hier hat das Sprichwort recht: Einer sät und ein anderer erntet.
38 Ich habe euch gesandt zu ernten, wofür ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet und ihr erntet die Frucht ihrer Arbeit.
39 Viele Samariter aus jenem Ort kamen zum Glauben an Jesus auf das Wort der Frau hin, die bezeugt hatte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.
40 Als die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, bei ihnen zu bleiben; und er blieb dort zwei Tage.
41 Und noch viel mehr Leute kamen zum Glauben an ihn aufgrund seiner eigenen Worte.
42 Und zu der Frau sagten sie: Nicht mehr aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt.

Autorin:
A. TrautmannAndrea Trautmann, Pastoralreferentin, Geistliche Diözesanleiterin BDKJ/BJA in der Diözese Rottenburg – Stuttgart

 
Die Predigt:
Der Sehnsucht nach Leben Raum geben

Liebe Leserin, lieber Leser,
in unserer Region ist Wasser nicht knapp und in unseren Zeiten gibt es reichlich Angebote, den Durst nach Leben zu stillen. Wir haben ein Überangebot an Lebensmitteln und ein Überangebot an Lebenssinn stiftenden Gelegenheiten. Manche Menschen fühlen sich trotzdem leer. Wasser ist auch eine Metapher für die Sehnsucht nach Leben, nach Lebenssinn, nach Erfüllung.

Die Geschichte der Samariterin hat ihren Ort am Jakobsbrunnen in Samarien. Mit diesem Ort ist die Weitergabe der Verheißung Gottes an die Menschen tief verbunden. Das Alte Testament erzählt von der Brautwerbung Abrahams für seinen Sohn Isaak. Sein Gesandter begegnet Rebekka am Brunnen, die zur Frau Isaaks wird , und so die Verheißung Gottes weiterträgt. Auch ihr Sohn Jakob begegnet seiner Frau Rahel, um die er viele Jahre dient, am Brunnen.

Die Begegnung zwischen Jesus und der Samariterin ist ein tiefes Gespräch, das beide verändert. Ein jüdischer Mann will von einer Frau Wasser nehmen, ein Mann will eine Frau bedienen. Dieser Vorgang ist so ungewöhnlich, dass die Auslegungstradition sich daran abarbeitet. In damaliger Zeit gab es Berührungsängste zwischen jüdischen und samaritischen Menschen. Dass ein Mann mit einer Frau alleine spricht, unvorstellbar. Und noch dazu mit einer Frau, die bereits fünf Ehemänner hatte und mit einem Mann unverheiratet zusammenlebt.

Eine Sündern, die von Jesus bekehrt wird. Sicherlich. Wenn wir allerdings genau auf die Erzählung schauen, dann gibt es keinen moralischen Zeigefinger. Die Ehe war zur Zeit Jesu eine wirtschaftliche Angelegenheit. Für Frauen war sie der einzige Weg ihre Existenz zu sichern und Kettenehen daher nicht selten. Hören wir die Erzählung aus der Sicht einer Frau, deren Existenz ständig bedroht ist, da immer wieder neu nach einem Ernährer und Beschützer zu suchen ist, und der letzte sie nicht einmal mehr durch eine rechtliche Eheschließung absichert, so wird die Notlage und das Leid dieser Frau deutlich.

Dies erzählt sie Jesus. Ihr Lebensentwurf ist an ein Ende gekommen. Jesus wertet sie nicht ab, sondern er lobt ihre Beschreibung, ihre Selbsterkenntnis. Sie teilt ihr Leid, sie bittet um Heilung und sie erfährt Jesus als den Heiler der Welt. Beide bitten um Wasser und beide geben einander Wasser, beide verändern sich durch die Begegnung: Jesus wird als Messias anerkannt und die Frau wird zur Botin Gottes, die ihrem Dorf sagt, dass Jesus der Messias, der Heiler der Welt ist.

Die Frau wird von der Wasserträgerin zur Jüngerin Jesu. Im Vertrauen auf Jesus lässt sie ihren Krug stehen, befreit von den belastenden Situationen ihres Lebens und gerufen zu einem Leben in Fülle. Mit Jesu Hilfe hat sie durch die Dunkelheiten ihres Lebens hindurch das Licht Gottes gesehen, die Quelle lebendigen Wassers, die nie versiegt. So kann sie die frohe Botschaft denen verkünden, die mit ihr leben und ihre Freude teilen, und wird anderen zur Botin Gottes und zum Wasser des Lebens.

Die Verheißung Gottes gilt. Bis heute. Auch für uns. Lassen wir uns von der Erzählung der Samariterin anstecken und uns von Gott mit lebendigem Wasser beschenken. Amen.

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Eine Antwort auf Der Sehnsucht nach Leben Raum geben – 3. Fastensonntag A

  1. Hubert Jacobs sagt:

    Als ich den Text von der Begegnung Jesu mit mit der namenlosen Frau las, da kam mir der Gedanke, dass die Frau als solche, zweifellos sich als Mithelferin von Jesu Botschaft angesprochen fühlte. Dies konnte sie nicht für sich behalten. Als Schlussfolgerung ziehe ich daraus, dass jeder diese überraschende Begegnung nicht für sich behalten sollte. Die Frau hat bei der Verkündigung keine geringe Aufgabe, Jesus nimmt sie als Vermittlerin für seine Botschaft in Anspruch und ist somit wertvoll auch heute in der Kirche, wenn es auch noch nicht überall eingesehen wird.

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