In der Abgeschiedenheit der „Wüste“ – 1. Fastensonntag A

Aus dem Evangelium nach Matthäus , Kap 4
In jener Zeit
1 wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden.
2 Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger.
3 Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.
4 Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
5 Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel
6 und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, /
dich auf ihren Händen zu tragen, /
damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
7 Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
8 Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht
9 und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.
10 Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
11 Darauf ließ der Teufel von ihm ab und es kamen Engel und dienten ihm.

Autorin:
C-Bettin-komprimiert-200x300Christina Bettin, Gemeindereferentin in der Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach – Süd im Bistum Aachen

 
Die Predigt:
In der Abgeschiedenheit der „Wüste“

Liebe Leserin, lieber Leser,
die alljährliche Fastenzeit als Vorbereitungszeit auf das nahe Osterfest beginnt in den Schriftlesungen im Lesejahr A traditionell mit dem Rückzug Jesu in die Wüste. Der Geist Gottes selbst, führt Jesus hier hin und konfrontiert ihn mit dem „Widergöttlichen“. Als der Hunger sich meldet, wird Jesus mit drei Versuchungen auf die Probe gestellt. Er erteilt dem eine klare Absage und bekräftigt seine Hinwendung zu Gott. Jesus fastet in der Wüste, wie vor ihm schon Mose und Elija im Alten Testament. Die Worte „Wüste“ und „vierzig“ erinnern darüber hinaus natürlich an die Wüstenwanderung des Volkes Israel nach dem Auszug aus Ägypten.

Was es bedeutet, in die Wüste zu gehen und eben nicht nur einen geographischen Ort zu meinen; wo im übertragenen Sinne meine ureigenen, persönlichen Wüsten oder Einöden liegen…; wo ich für mich Rückzugsgebiete und Stille pflege; das frage ich mich jedes Jahr wieder neu, wenn ich die Texte des Matthäusevangeliums meditiere.

Eine spirituell sehr dichte und doch auch praktikable Form, sind für mich die Exerzitien im Alltag, die ich mit einem wöchentlichen Treffen in der Exerzitiengruppe beginne. Hierbei gönne ich mir täglich eine „Stille Zeit“ in meinem oft hektischen Tagesverlauf. – Dazu habe ich eine ruhige Ecke in meiner Wohnung hergerichtet. Eine Kerze wird entzündet. Ich nehme eine aufrechte Körperhaltung ein. Ich werde mir meiner Erdung und auch meiner Aus-richtung bewusst. Ich atme tief in meine Mitte. Ich lasse mich durchströmen vom Geist Gottes. Dann meditiere ich mantraförmig einen Bibelvers, z.B. „Der Herr ist mein Hirte“, und lausche in die Stille.

Alles Laute, Ablenkende tritt in den Hintergrund. Die Abgeschiedenheit bringt mich ganz neu und überraschend in Kontakt; in Kontakt mit mir selbst und mit dem Göttlichen. Tief in mir kommen Dinge zum Klingen. Oftmals steigen Gedanken und Impulse in mir auf. Neben meinen persönlichen Abgründen, denen ich unausweichlich begegne und denen ich mich stellen kann, bietet sich die Chance der Begegnung mit Gott. – Eine Kraft wächst mir zu. Oder ich entdecke eine neue Richtung für meine nächsten Schritte. Ich spüre, dass mir persönlich diese Form der Gott-suche sehr gut tut und mir Halt und Orientierung gibt. – So viel zu meinen Erfahrungen mit selbstgewählter Abgeschiedenheit und Stille. Dabei erlebe ich diese stillen Auszeiten weniger als tote, leblose Wüste, sondern vielmehr als Oase und Quelle. Hieraus wächst mir Neues zu; hierdurch bekommen ausgetrocknete Suchbewegungen neue Impulse, Lebendigkeit und Tiefe.

Wie ist das Erleben wohl bei einer echten, geographischen Wüstenerfahrung? Ganz ähnlich oder auch ganz anders? In diesem Jahr bringt mich die beginnende Fastenzeit ins Heilige Land. Mit einer Reisegruppe von 28 Personen werde ich für 10 Tage sowohl in die Wüste, als auch nach Jerusalem und nach Nordgaliläa reisen. In drei Vortreffen, sowie mit der Lektüre von Reiseführern, haben wir uns intensiv auf diese Reise und ihre verschiedenen Etappen vorbereitet. Ich bin sehr gespannt auf die verschiedenen Begegnungen, auf die Kontakte während der Interreligiösen Projekte und die geschichtsträchtigen, religiösen Stätten. Doch wenn ich ehrlich bin, bin ich am meisten in vorfreudiger Erwartung auf das Land mit seinen Landschaften. Wie wird es sein in der Wüste? Wie wird es sich anfühlen im Lande Jesu? Was löst es für Emotionen aus, sich auf seinen Spuren, in seiner Landschaft zu empfinden? – Na klar, es hat sich seit der Zeit Jesu auch vieles verändert im Heiligen Land. Mich erwartet nicht ein Bild wie vor 2000 Jahren. Und doch habe ich die Frage: Kommt mir Jesu Botschaft dort noch einmal näher? Geht mir dann mehr und noch intensiver unter die Haut, was ich hier in meinem rheinländischen Kämmerlein so mühsam einzufangen suche?

Die Abgeschiedenheit der „Wüste“, sie scheint mir unerlässlich als bewusster Beginn hinein in die Fastenzeit, als Vorbereitung auf Ostern. In der Reduktion können wir eine neue Wachheit und Aufmerksamkeit erleben. Die Suche kann zum Gebet werden, denn der Kopf kann nicht schon vorher wissen, wohin wir durch unser Herz geführt werden. Am Ende kann die Stille zu uns sprechen.

Jesus bietet in seiner Begegnung mit dem „Versucher“ Bibelverse als Sätze der Auseinander-setzung an. Er geht gestärkt aus dieser Erfahrung hervor und beginnt, den Menschen die frohe Botschaft von Gottes Barmherzigkeit zu verkünden. Diese Barmherzigkeit Gottes, sie wird uns täglich überreich geschenkt und kann die Grundlage für einen barmherzigen Umgang untereinander sein. So sind wir eingeladen am Reich Gott mit zu bauen.

Man sollte meinen das geht sowieso und immer und an jedem Tag des Jahres. Das stimmt natürlich. – Doch mir persönlich helfen solche von außen vorgegebenen „geprägten Zeiten“, mit hilft dieser festgelegte Zeitraum der „Fastenzeit“. Ich weiß mich dann in guter Gemeinschaft mit vielen Mitchristinnen und Mitchristen, die ebenfalls 40 Tage eine bewusstere Zeit zu erleben suchen, ob mit klassischen Fastenvorsätzen und Verzicht, ob mit stillen Zeiten in Abgeschiedenheit, bei der persönlichen Schriftlesung, in Haus-Bibelkreisen oder sogar mal mit einer Reise ins Heilige Land. 40 Tage sind uns geschenkt, sie sind ein Angebot. Wie der Geist Gottes Jesus in die Wüste führt, so können auch wir uns führen lassen.

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2 Antworten auf In der Abgeschiedenheit der „Wüste“ – 1. Fastensonntag A

  1. Walter sagt:

    Wüstenerfahrung…
    seit ein paar Jahren lebe ich meinen Glauben als „antiklerikaler“Christ; erkenne in den „Schriften “ nichts Heiliges,mehr nur “ Erzählung „.
    Dennoch wirkt die nahezu 70 -jährige Tradition und Identität so, dass ich bei jedem Kirchenglockenläuten und jedem Hahnschrei innehalte und den Blick auf
    „die andere Seite“ richte.
    Hatte es dazu eine Sündentheologie, einen Satan ,eine Höllenangst ,ein Jüngstes Gericht gebraucht ?
    Vielleicht.
    Auf jeden Fall wurde ich durch/nach diese(r) „Wüstenwanderung“ beschenkt mit einem Frieden,
    den ich als junger Mensch dringender gebraucht hätte als alles andere.

  2. F.-J. Hay sagt:

    Liebe Schwestern im Glauben und in der Geschwisterlichkeit.

    Jesaia 61… und das Recht wohnt in der Wüste
    und die Gerechtigkeit haust auf dem Acker
    und die Frucht der Gerechtigkeit ist Friede…

    HL. Augustinus -Ein Staat bestehend nur aus Recht und nicht auch aus Gerechtigkeit
    gleicht einer Räuberhöhle …

    H.-J. Abs …. Die Freiheit zur Unternehmung
    und gesellschaftliche Verantwortung
    gehören zusammen.

    Joschi – Rheinischer Profankathole -:))

    #########################
    Katholisch ist nicht nur der “ Kral “ von
    Düsseldorf bis Koblenz ,
    sondern da gabs und gibts die O. Romeros , die Dr. Kamphaus ,
    die Boffs , die Cardenals , die Erwin Kräutlers
    und nicht zu vergessen all die Frauen , welche im Weinberg arbeiten ,
    ohne dass sie “ viel Aufhebens “ von ihren Mühen machen…
    Allerdings ist auch Vorsicht geboten ;
    denn wo Franziskus drauf steht , ist schon mal
    ein Jesuit drin….smile..

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