Mach dein Herz so weit wie Gott – 7. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5
Übersetzung von Albert Kammermayer
In jener Zeit sprach Jesus: 
38 Es heißt auch:
„Auge um Auge, Zahn um Zahn!“
39 Ich aber sage:
Wenn man euch Böses antut,
dann vergeltet nicht Gleiches mit Gleichem!
Ertragt es lieber!
Wenn man dir eine Ohrfeige gibt,
dann halte die andere Wange auch noch hin!
40 Wenn einer mit dir einen Prozess um dein Hemd führen will,
so gib ihm auch noch den Mantel!
41 Und wenn ein Soldat von dir verlangt,
eine Meile weit sein Gepäck zu tragen,
dann geh zwei Meilen mit ihm!
42 Gib dem, der dich um etwas bittet,
und auch dem, der etwas von dir leihen will.
43 Es heißt bei euch:
„Liebt eure Freunde und hasst eure Feinde!“
44 Ich aber sage:
Liebt eure Feinde
und betet für alle, die euch verfolgen!
45 So erweist ihr euch als Kinder eures Vaters im Himmel.
Denn er lässt seine Sonne für Böse wie für Gute scheinen,
und er lässt es regnen für Fromme und Gottlose.
46 Wollt ihr etwa noch dafür belohnt werden,
wenn ihr nur die Menschen liebt,
die euch auch lieben?
Das tun sogar die,
die sich nicht um Gott kümmern!
47 Wenn ihr nur euren Freunden liebevoll begegnet,
ist das etwas Besonderes?
Das tun auch die, die von Gott nichts wissen.
48 Ihr aber sollt zu allen Menschen gut sein,
wie euer Vater im Himmel zu allen gut ist!“

Autorin:
wetzel-140x150Sabine Wetzel, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Ailingen, Ettenkirch, Oberteuringen

 
Die Predigt:
in einer Wortgottesfeier
Mach dein Herz so weit wie Gott

Liebe Leserin, lieber Leser,
bei der Einleitung und Begrüßung der Kinder, die jetzt den sogenannten Kindergottesdienst feiern, habe ich gesagt, dass wir hier, fast alle Erwachsene, die Bibelstellen hoffentlich verstehen.
Wie haben Sie darauf spontan reagiert?
na klar, die Bibel ist ja ins Deutsche übersetzt, also verstehe ich die Texte – oder:
die meisten Texte kenne ich ja eh, weil ich oft in die Gottesdienste komme – oder:
Naja, manchmal sind das schon recht schwierige, schwerfällig formulierte Sätze, da muss ich gut aufpassen, was denn gemeint ist – oder:
verstehen schon, aber steckt nicht oft noch mehr in einem Text als das, was ich auf Anhieb verstehe, einfach, weil die Zeit und das Umfeld früher ganz anders waren? – oder, oder, oder.
Und überhaupt, das heutige Evangelium, Auge um Auge, Zahn um Zahn … dann halte auch die andere Wange hin – das kennen ja alle! Da trifft es sich gut, dass es in den letzten zwei Wochen gerade Vorträge dazu gegeben hat, warum es denn seit Ende letzten Jahres sowohl eine neue Lutherbibel wie auch eine neue Einheitsübersetzung gibt. Und was daran neu ist. Denn die vor rund zwei- bis dreitausend Jahren entstandene Bibel in hebräischer und griechischer Sprache haben sich ja nicht geändert.

In den Vorträgen wurde erläutert, dass ein Aspekt der Überarbeitungen war, die Bibeltexte hier und da dem heutigen Sprachgebrauch anzupassen. Bei der neuen Ausgabe der Lutherbibel wurde an einigen Stellen wieder dem in evangelischen Kreisen so bekannten Sprachduktus Martin Luthers „zurückangepasst“. Für unseren katholischen Bereich ist angesagt, dass ab 2018 die Lektionare in der überarbeiteten Version der Einheitsübersetzung herausgebracht und angewendet werden sollen, also auch hier im Gottesdienst. Die eine oder andere, oft nicht große, Änderung wird Ihnen dann sicher auffallen.

Nun sagen manche, unser Pfarrer nimmt ja eh meistens eine andere Bibelversion als wir sie seit langer Zeit kennen. Warum denn überhaupt? Das irritiert richtig. Ja, auch heute haben wir die neutestamentlichen Bibelstellen aus dieser Übersetzung von Albert Kammermayer gehört. Das Ziel ist sicher nicht, Sie zu verwirren! Nein, im Gegenteil: Das Ziel ist, die Bibeltexte verständlicher zu machen. So erklärt es Kammermayer selbst auch in seinem Vorwort dieser Übersetzung, nach 17 Jahren intensiver Arbeit im Jahre 2005 herausgekommen. Und er lässt nicht unerwähnt, dass er viele gute Beraterinnen und Berater in seiner Arbeit hatte. Ganz sicher waren sich alle ihrer großen Verantwortung bewusst, den ursprünglich angedachten Sinn und Inhalt der Bibeltexte nicht zu verfälschen.

Ich persönlich finde es gut, dass es unserem Pfarrer wichtiger ist, dass Sie den Bibeltext hoffentlich besser verstehen, als dass er sich immer an die Vorgabe hält, im Gottesdienst die Texte der Einheitsübersetzung zu nehmen. Und so vergleiche auch ich immer vorab, welche Bibelausgabe ich im Gottesdienst auswähle.

Dieses Vorgehen können Sie sicher auch gut nachvollziehen für Kinder- oder Schülergottesdienste. Kinder haben noch nicht den vollen Wortschatz, vor allem tun sie sich schwer mit langen, verschachtelten Sätzen, manche Redewendungen sind ihnen fremd. Und darum gibt es inzwischen unzählige Kinderbibeln. Dort geht es zum einen um eine ansprechende Bebilderung, aber auch um eine angemessene Auswahl an Textstellen aus der kompletten Bibel sowie vor allem um die Verständlichkeit. Haben Sie nicht auch schon immer wieder eine Kinderbibel in der Hand gehabt – und gerne darin gelesen? Vielleicht gerade deswegen, weil sie so verständlich war?

In letzter Zeit steht auch eine weitere Zielgruppe im Blickwinkel derer, die für die Verkündigung des Wortes Gottes Sorge tragen: Es gibt auch viele Erwachsene, die grundsätzlich Schwierigkeiten haben, Texte zu verstehen. Im Sinne der so genannten Barrierefreiheit gibt es immer mehr Texte, ob nun von Behörden oder eben auch im gottesdienstlichen Bereich, in „leichter Sprache“, wie sie genannt wird. Und auch hier finde ich es sehr hilfreich, immer wieder mal einen Blick in diese Texte zu werfen. Ich lade Sie jetzt ein, das heutige Evangelium in dieser Übersetzung neu zu hören – und damit vielleicht neu zu verstehen:

Einmal sagte Jesus zu seinen Jüngern:
Die Menschen haben manchmal Streit.
Zum Beispiel gibt es eine Schlägerei.
Ein Mann schlägt einen anderen Mann.
Dann schlägt der andere Mann zurück.
Oder:
Ein Mann boxt einem anderen Mann einen Zahn aus.
Dann boxt der andere Mann dem einen Mann auch einen Zahn aus.
Oder:
Ein Mann haut dem anderen Mann aufs Auge.
Dann haut der andere Mann dem einen Mann auch aufs Auge.
Jesus sagte:
Die Menschen finden das richtig:
Was der eine Mann tut, darf der andere Mann genauso tun.
Die Menschen finden das gerecht.
Jesus sagte:
Gott macht das anders.
Gott behandelt alle Menschen gut.
Die guten Menschen.
Und die bösen Menschen.
Gott lässt die Sonne für alle Menschen scheinen.
Für die guten Menschen.
Und für die bösen Menschen.
Gott schickt den Regen für alle Menschen.
Für die guten Menschen.
Und für die bösen Menschen.
Jesus sagte:
Ihr seid die Söhne und Töchter von Gott.
Darum macht euer Herz so weit wie Gott.
Wenn dich einer haut,
dann mach dein Herz so weit wie Gott.
Bleib stehen.
Bleib in deinem Herzen ruhig.
Hau nicht zurück.
Sonst hört das Hauen niemals auf.
Wenn ein Mensch eine Sache von dir haben möchte,
dann mach dein Herz so weit wie Gott.
Gib die Sache her.
Wenn dir einer etwas klaut,
dann mach dein Herz so weit wie Gott.
Schenk dem Dieb noch mehr dazu.
Wenn dich einer zum Arbeiten zwingt,
dann mach dein Herz so weit wie Gott.
Arbeite freiwillig.
Arbeite freiwillig noch mehr als du sollst.
Wenn du Feinde hast,
dann mach dein Herz so weit wie Gott.
Liebe deine Feinde.
Bete für deine Feinde.
Wenn ihr das tut, tut ihr etwas Besonderes.
Wenn ihr das tut, tut ihr das, was Gott tut.
Wenn ihr das tut, seid ihr so gut wie Gott.
Gott ist euer guter Vater im Himmel.

Mach dein Herz so weit wie Gott – braucht es da noch weitere Erklärungen? Jesus sagt nicht, dass es einfach wäre. Aber er sagt es uns, den Kindern Gottes, heute und immer wieder: mach dein Herz so weit wie Gott.

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Eine Antwort auf Mach dein Herz so weit wie Gott – 7. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Walter sagt:

    … Last,Burn-out, Todessehnsucht,Flucht in die Krankheit…

    wer dies kennt, der weiss vom – göttlichen- Geschenk der Grenze ( -der Belastbarkeit ).
    So lässt sich der Feind nur lieben, weil/wenn ich -ohne Zwanghaftigkeit- Gott lieben kann…

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