Kurze Anleitung zum Leben im Glauben – 6. Sonntag im Jahreskreis A

Erste Lesung aus dem Buch Jesus Sirach, Kapitel 15
15 Gott gab den Menschen seine Gebote und Vorschriften. /
Wenn du willst, kannst du das Gebot halten; /
Gottes Willen zu tun ist Treue.
16 Feuer und Wasser sind vor dich hingestellt; /
streck deine Hände aus nach dem, was dir gefällt.
17 Der Mensch hat Leben und Tod vor sich; /
was er begehrt, wird ihm zuteil.
18 Überreich ist die Weisheit des Herrn; /
stark und mächtig ist er und sieht alles.
19 Die Augen Gottes schauen auf das Tun des Menschen, /
er kennt alle seine Taten.
20 Keinem gebietet er zu sündigen /
und die Betrüger unterstützt er nicht.

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern und Jüngerinnen:
20 Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.
21 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein.
22a Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein.
27 Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen.
28 Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.
33 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast.
34a Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht.
37 Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

Autorin:
Utta Hahn (2)Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Kurze Anleitung zum Leben im Glauben
zum Beginn der Firmvorbereitung

Liebe Leserin, lieber Leser,
die Lesung schenkt uns heute einen Text aus dem Buch Jesus Sirach. Dieses Buch ist im Vergleich zu vielen anderen Büchern des Ersten Testaments ein sehr junges Buch. Es entstand nur etwa 190 vor Christus und es ist das einzige Buch, dessen Autor wirklich namentlich bekannt ist, weil er es sozusagen unterschrieben hat. („Weisheit des Jesus, des Sohnes Sirachs“, 50,27). Das Buch wurde auf Hebräisch geschrieben, vermutlich in Jerusalem und schon bald ins Griechische übersetzt.

Der Übersetzer vom Hebräischen ins Griechische versah das Buch mit einem Vorwort, das seither als Bestandteil des Buches gilt. Darin schreibt er: Ihr seid nun aufgefordert, mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit das Lesen zu betreiben und Nachsicht zu üben, wo wir den Anschein erwecken, bei der Übersetzung einigen Formulierungen, um die wir uns mit Hingabe bemüht haben, nicht zu entsprechen. Denn es hat nicht die gleiche Kraft, wenn etwas ursprünglich in Hebräisch ausgedrückt wird oder wenn es in eine fremde Sprache übertragen wurde. Aber nicht nur dies, sondern auch das Gesetz und die Prophetenworte und die übrigen Schriften weisen keinen geringen Unterschied auf, wenn sie in ihren Ursprachen gelesen werden. (Prolog)

Faszinierend, die zweifache Leseanleitung im Text selbst zu finden.
1. Jeder Text der Bibel – auch der des Buches Jesus Sirach soll uns helfen, Gottes Willen, seine Weisung, seine Botschaft an uns, seinen Traum von unserem Leben besser zu verstehen, besser lernen zu können.
2. Alle Texte der Bibel liegen uns heute und hier nur in Übersetzungen vor und es ist unsere Aufgabe, dies beim Lesen und Verstehen zu berücksichtigen. Übersetzungen versuchen einen Brückenschlag von einer Sprache zur anderen, von einer Art zu Denken in eine andere, von einer Kultur zu einer anderen, von einer Zeit in eine andere.
Und was der Übersetzer im Prolog schreibt, dass es bei aller Kenntnis und allem Bemühen sein kann, dass man in der neuen Sprache nicht ganz genau den Sinngehalt des ursprünglichen Textes trifft – das gilt heute noch genau gleich. Logisch, dass wir uns fragen, wie wir denn dann genau wissen können, was im ursprünglichen Text gemeint war?

Wir glauben, dass wahr ist, was in der Bibel steht – aber für welche Bibel, von welcher Übersetzung gilt dies, wenn doch mit jeder Übersetzung auch je neue Interpretationsmöglichkeiten dazukommen? Noch vor ein paar Jahrzehnten hat die katholische Kirche solche Fragen per se als verdächtig und unzulässig angesehen. Die Angst war groß vor nachsinnenden, studierenden, suchenden und zweifelnden Gläubigen. Die Angst vor „Unwahrheiten“, vor „falscher Lehre“, vor „Sünde“ , vor der „bösen Welt“ zurrte ein sehr enges Verständnis von Glaube und Bibelverständnis. Das Vertrauen in den Heiligen Geist, der allen Gefirmten und jeder in Jesu Namen versammelten Gemeinschaft zugesagt ist, musste erst wieder wachsen. Das Zweiten Vatikanische Konzil hat dafür den Boden bereitet und dies möglich gemacht. Ausdrücklich sind wir herausgefordert, mitzudenken, mitzufeiern, die Welt als Frage in unser Glaubensleben einzubinden, die Welt mit glaubenden Augen neu sehen lernen.

Das Wort Gottes, die Bibel ist uns gegeben, um uns zum Heil zu führen – zum Leben in Fülle, wie Jesus das sagt. Suchen und zweifeln, nachforschen und verstehen wollen – das alles kann uns helfen, uns selbst und die Welt besser zu verstehen. Gott hat uns den scharfen Verstand gegeben, damit wir uns ein Urteil bilden können, damit wir die Welt erforschen, Zusammenhänge verstehen und Lösungen für Probleme finden können. All dies wäre nicht möglich, wenn wir Christen nur nach vorgegebenen Richtlinien leben müssten, diese vielleicht aber weder verstehen noch gutheißen würden. Nun also schreibt Jesus Sirach in unserer Lesung heute etwa eine kurze Anleitung zum Leben im Glauben:
Gott gab den Menschen seine Gebote und Vorschriften.

Wir Menschen leben in Beziehung und Gott steht von Anfang an in Beziehung zu uns. Als unser Ursprung, als unser Schöpfer gibt er uns das Leben und den Rahmen für das Leben. Der Mensch der Bibel drückt das in diesem Satz aus: Gott gab den Menschen seine Gebote und Vorschriften. Nicht aus Gründen der Erziehung, Strafe oder Bedingung, sondern einfach als Teil des Lebens.

Wenn du willst, kannst du das Gebot halten; Gottes Willen zu tun ist Treue.
Feuer und Wasser sind vor dich hingestellt; streck deine Hände aus nach dem, was dir gefällt.
Der Mensch hat Leben und Tod vor sich; was er begehrt, wird ihm zuteil.

Und weiter – der Mensch ist nicht mechanisch dazu verurteilt zu tun, was die Gebote und Vorschriften sagen, sondern ist mit Freiheit begabt und mit Denkvermögen. Ganz anschaulich zeigt uns der Text, was es heißt, entscheiden zu können. Feuer oder Wasser – was ich davon wähle hängt davon ab, was ich gerade brauche und welchen Vorteil ich kurzfristig oder langfristig vom einen oder anderen habe. Wer oder was kann meine Entscheidung beeinflussen? Zugespitzt gilt das schließlich auch für Leben und Tod. Die Wahl stellt sich nicht erst in der Stunde des Todes, sondern schon viel früher, mit jeder Handlung, die zum Leben führt oder eben nicht. Je mehr ich mir meiner alltäglichen Entscheidungen bewusst bin, desto weiter kann ich vielleicht die Folgen absehen.

Überreich ist die Weisheit des Herrn; stark und mächtig ist er und sieht alles.
Die Augen Gottes schauen auf das Tun des Menschen, er kennt alle seine Taten.
Keinem gebietet er zu sündigen, und die Betrüger unterstützt er nicht.

Im letzten Teil schließlich wird uns nochmal vor Augen geführt, in welcher Beziehung Gott zu uns Menschen steht. Wir sind ihm nicht egal. Gott schaut nach uns, nach jedem und jeder Einzelnen. Gott kennt uns, nicht weil er unsere Verfehlungen entdecken will, sondern weil er an unserer Entwicklung Freude hat. Die Weisheit des Herr ist überreich, stark und mächtig. Wir fallen nicht aus seiner Obhut heraus. Auch wenn wir in unserem Leben und unserem Denken anderen Dingen mehr Raum zugestehen, so weiß Gott doch um uns. Da, wo lebensverachtend gehandelt wird, – der biblische Autor nennt das Sünde und Betrug – da ist der Mensch weit von Gottes Gebot entfernt, da sucht er nicht nach der Beziehung zu seinem Schöpfer, da kann er sich auch nicht „im Namen Gottes“ rechtfertigen.

Nicht aus Angst vor Strafe sollen wir gerecht handeln, nicht betrügen oder nicht sündigen. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Die Weisheit lehrt uns, dass Gottes erste Tat aus Liebe und Wohlwollen geschah – aus Interesse am Leben, hat er das Leben geschaffen und jeden einzelnen Menschen bedacht. Unser Leben kann Antwort geben auf dieses Geschenk des Lebens. Dankbarkeit, Vertrauen, Versöhnungsbereitschaft… Das sind die Bausteine, mit denen wir unser Leben gelingen lassen können. Angst ist ein schlechter Baumeister.

Jesus vertieft in der Bergpredigt diesen Gedanken. Die „Ich aber sage euch“-Worte wollen nicht verschärfen und drohen, sondern helfen, dahinter zu blicken, sich klar zu machen, warum ist das denn nicht richtig, wenn ich dies oder jenes tue? Weil ich schon viel früher eine Wahl getroffen habe, die den anderen nicht mit Respekt und Würde behandelt und die mich zur Sünde führt, aber nicht in die Liebe.

Jesus möchte, dass wir uns von der Liebe leiten lassen, von der Weisheit, die so mächtig und stark sein kann, wie die Weisheit Gottes. Wer sich von der Liebe leiten lässt ist kein Schwächling. Und wir dürfen vertrauen: Treue – Dankbarkeit – Vertrauen… das sind die Schlüssel zur Gerechtigkeit Gottes.
Amen.

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