Glaube findet auf der Straße statt – 3. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 4
12 Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück.
13 Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali.
14 Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist:
15 Das Land Sebulon und das Land Naftali, /
die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, /
das heidnische Galiläa:
16 das Volk, das im Dunkel lebte, /
hat ein helles Licht gesehen; /
denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, /
ist ein Licht erschienen.
17 Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.
18 Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer.
19 Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
20 Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.
21 Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie,
22 und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus.
23 Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.

Autorin:
Elisabeth Dörrer-Bernhardt Elisabeth Dörrer-Bernhardt, Pastoralreferentin im Haus der Katholischen Kirche Ludwigsburg, verheiratet, drei Kinder

 
Die Predigt:
Glaube findet auf der Straße statt

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Komm her, folge mir nach, ich mache dich zum Menschenfischer!“ Ich habe mir überlegt, wie diese Bibelstelle, die uns der Evangelist Matthäus schildert, heute formuliert sein könnte. Vielleicht so?
Andrea war auf dem Weg in die Firma. Es war hektisch, die S-Bahn überfüllt, schnellen Schrittes lief sie die Bahnhofstr. entlang. Da kam Jesus auf sie zu, sah sie an und sagte: „Komm her, folge mir nach, ich mache dich zur Menschenfischerin!“ Und sofort stellte sie ihren Aktenkoffer auf dem Boden und folgte ihm.
Oder so?
Johannes brachte gerade die zweijährige Lea in die Kita. Lea war weinerlich und missgelaunt, sie wollte ihre roten Lackschuhe heute tragen, aber Papa meinte die Winterstiefel seien wärmer. Kurz vor der Kita kam Jesus auf ihn zu und rief: „Komm her, folge mir nach. ich mache dich zum Menschenfischer!“ Johannes blickte auf, sah zu Lea und sagte zu ihr: „Komm, geh alleine rein.“ Er ließ den Buggy mit den Einkäufen stehen und folgte Jesus.

Liebe Leserinnen und Leser, geht es Ihnen auch manchmal so, dass die Worte der Bibel, wenn wir sie ins Heute übertragen erst einmal lebensfremd erscheinen? Meine ersten Gedanken waren auf jeden Fall: Alles liegen und fallen lassen, das käme für mich nicht in Frage! Schließlich schätze ich meine Arbeit und meine Familie. Da müsste einer schon mehr sagen als „Komm folge mir nach. Ich mache dich zur Menschenfischerin!“ Mein zweiter Gedanke war: Das hat einer geschrieben, der hat im Rückblick, vielleicht in einer eher männlichen Sichtweise, alles knapp und kurz formuliert. Ihm war wahrscheinlich in Erinnerung, dass dieser Jesus dermaßen radikal war, dass normale Lebensvollzüge hier nicht mehr passen. Und mein dritter Gedanke war: Trotz alldem mir heute Fremden, habe auch ich in meinem Leben den Ruf Jesu gehört: „Komm folge mir nach. Ich mache dich zur Menschenfischerin“!

Ein Christ, eine Christin werden und den Ruf Jesu hören, geht also heute noch und es geht auf viele, unterschiedliche Weisen. Wie war das bei Ihnen, was hat Sie bewegt, Christ und Christin zu werden? Es ist bestimmt spannend sich darüber mal auszutauschen! Was ist es, was Menschen auch heute an Jesus fasziniert?

Also wage ich einen zweiten Blick auf dieses Evangelium: Jesus spricht die Menschen in ihrer Tätigkeit, mitten im Alltag an und immer gleich zwei. Nachfolge beginnt also im Alltag und ich finde Glauben in der Gemeinschaft mit anderen; es ist nicht der Glaube, der nur mich alleine was angeht, ganz privat, sondern der auf der Straße stattfindet. Glaube hat etwas mit meinen Lebensvollzügen zu tun. Dort platzt Jesus buchstäblich hinein und fordert mich und andere auf, Christin zu sein, ihm nachzufolgen. Mitten im Alltag, das fasziniert mich. Wenn ich es mir recht überlege, habe auch ich Glauben mitten im Alltag gelernt, durch meine Eltern, die mit mir abends z.B. gebetet haben. Und immer wieder erlebte ich Glauben auch in Gemeinschaft, im kath. Kindergarten, in kirchlichen Jugendfreizeiten, im Zusammensein mit anderen Jugendlichen. Und später im gemeinsamen Sinnsuchen mit anderen als Erwachsene, bei religiösen Wochenenden mit anderen Familien.

In der Bibel steht: Die Jünger lassen ihre Netze liegen. Jesus nachzufolgen heißt demzufolge, dass sich das Leben ändert, dass alte Gewohnheiten nicht mehr passen, dass ich mich verändere. Auch das gibt es im Glauben, Veränderung, etwas hinter sich lassen, ganz neu anfangen. Manchmal ist das bei Menschen erlebbar, die nicht von Kindesbeinen mit dem Glauben aufgewachsen sind. Die ganz plötzlich den Ruf Jesu hören und dann wirklich ihr Leben radikal ändern. So habe ich erst von einer Frau gehört, die nach ihrer Bekehrung ihren Beruf aufgab, umschulte und sich heute im sozialen Bereich engagiert. Glaube verändert uns, prägt uns, ob von Klein an oder als Berufung erlebbar im Erwachsenenalter.

Wie aber lebt Jesus selbst den Glauben? Er nimmt sich nur selten aus dem Alltag zurück. Jesus ist mit seinen Jüngern durchs Land gezogen, zu den Menschen hingegangen. Nur einmal lese ich, dass er mit den Jüngern an einen einsamen Ort ging, um sich auszuruhen. Oder er ist selbst auf einen Berg gegangen ist, um zu meditieren, nächtelang.

Glauben findet auf der Straße statt, vollzieht sich mitten im Leben. Mitten im Alltag Jesus nachfolgen, das kann meinen Alltag verändern, das kann meinen Alltag auch bereichern.
Vielleicht müssten unsere eingangs erzählten Begegnungen mit Jesus dann so im Heute erzählt werden:
Andrea, die zur Arbeit eilt verspürt den Ruf Jesu: „Folge mir nach, ich mache dich zur Menschenfischerin!“ Ihre Schritte werden langsamer, das erste Mal an diesem Morgen nimmt sie die Menschen um sich herum wahr. Später bei der Dienstbesprechung macht sie sich für Maßnahmen stark, die das Betriebsklima verbessern können. Und bei Johannes, dem Papa, der sein Kind in die Kita bringt? Auch er hört den Ruf „Komm her, folg mir nach, ich mache dich zum Menschenfischer!“ Er hält inne, sieht zu Lea und verspricht ihr: „Heute Nachmittag darfst du zu Hause deine roten Lackschuhe anziehen.“

Sind das jetzt Banalitäten? Ich denke nicht. Ich denke eher, es würde dem nahe kommen, wie Jesus mit den Menschen umgegangen ist. Wo er war, hat er Menschen wahrgenommen, so wie sie ihm begegnet sind, und er ist so mit ihnen umgegangen, dass sie lebendiger werden konnten, dass sie aufatmen konnten, dass sie Lebensfreude ganz neu verspürt haben. Oder aber, dass sie herausgefordert waren, ihr Leben neu zu sehen, es zu verändern. Ob alles stehen und liegen lassen oder erst mal den Blickwinkel verändern, beides geschieht in unserem Alltag und fordert uns heraus, unser Heute mit den Augen Jesu zu sehen.

Dass es Jesus auf jeden Fall um das Glück jedes Menschen geht, macht der Evangelist Matthäus auch durch den Bezug zur Verheißung des Propheten Jesaja deutlich (Verse 14-16). Matthäus erzählt vom Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa. Galiläa ist ein Gebiet, das in der Geschichte der Juden Schlimmes erlebt hat, nämlich die Verwüstung durch die Assyrer. Jesus aber bringt genau in diese zerstörte und gedemütigte Gegend ein Licht, so wie Jesaja es vorhergesagt hat. Jesus erhellt ihr Leben, er erzählt vom Himmel, von Gott, vom Heil. Und die Menschen erfahren dieses Heil hautnah, sie bringen die Kranken zu ihm und erleben Heilung.

Glaube findet auf der Straße statt. Jede und jeder ist eingeladen zu Jesus zu kommen. Seinen Ruf zu hören, egal wo wir uns gerade im Alltag bewegen. Wir sind eingeladen innezuhalten mitten im Alltagstrubel und mit den Augen Jesu unsere Umwelt wahrzunehmen. Der liebevolle Blick auf unsere Umwelt wird uns verändern. Wir sind eingeladen innezuhalten, auch wenn wir gerade Not erleben. Der liebevolle Blick Jesu kann uns trösten und neue Kraft geben.

Es geht darum unseren herkömmlichen Blickwinkel auf die Sichtweise Jesu hin zu verändern, mitten im Alltag, mitten auf der Straße. Sein Ruf gilt uns allen: “Komm her, folge mir nach, ich werde dich zur Menschenfischerin und zum Menschenfischer machen!“
Amen

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Eine Antwort auf Glaube findet auf der Straße statt – 3. Sonntag im Jahreskreis A

  1. Walter sagt:

    nicht: … “ bitte,werde Menschenfischer !“,
    sondern : “ … ICH werde Dich zum Menschenfischer machen…!“
    Das sind „Befehle “ oder “ Weisungen „,welche in der Antike von den damals „Suchenden “ und “ Gefundenen “ sofort angenommen werden konnten. Galt doch die Vorbestimmtheit ( Prädestination- s. Emmauserzählung), welche in der modernen Hirnforschung immer mehr Bestätigung findet…
    Loslassen und sich ganz und sofort der Göttlichen Freiheit überlassen:
    das ist SEINE Kirche.Sie kommt ,“sucht“ und “ findet“.

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