Miteinander, nicht übereinander reden – 23. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kap. 18
15 In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern und Jüngerinnen: Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.
16 Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden.
17 Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.
18 Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.
19 Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.
20 Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Autorin:
Dr. Ulrike AltlherrDr.Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Guter Hirte – Kolumban in Wendlingen mit Oberboihingen und Köngen mit Unterensingen, verheiratet, eine Tochter

 
Die Predigt:
Miteinander, nicht über einander reden

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Wenn es Ihnen geschmeckt hat, sagen Sie es allen. Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, sagen Sie es mir.“ Das las ich einmal auf der Rechnung einer Gastwirtschaft. Eigentlich sehr sinnvoll: das Positive weiterzuerzählen als Werbung für das Lokal und das Negative unter vier Augen mit dem Wirt zu besprechen, damit der eine Chance hat, es besser zu machen.

Meistens ist es doch umgekehrt. Das Positive wird selbstverständlich hingenommen, aber das Kritikwürdige wird herumerzählt. Wie gerne lästern wir und leeren unsern Kropf über andere, seien es Kinder, Nachbarn, der Chef, die Kollegen… oder auch Gastwirte. Es ist halt leichter über jemanden zu reden als mit jemandem.
Unser heutiges Evangelium empfiehlt ein anderes Vorgehen: „Wenn dein Bruder sündigt, – das gilt natürlich auch für Schwestern -, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.“
Also zuerst unter vier Augen die Sache bereden und erst im zweiten Schritt, wenn das Gespräch unter vier Augen nichts ergeben hat, soll man zwei oder drei Zeugen mitnehmen. Erst wenn auch das nichts fruchtet, soll man so jemanden links liegen lassen und aus der Gemeinschaft ausschließen. Das ist gemeint mit dem „dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner“.

Entstanden ist diese Regel der „brüderlichen Ermahnung“ in den frühen Gemeinden. Sie geht nicht auf Jesus selbst zurück, denn der hatte Kontakt mit Zöllnern und Heiden. Diese Regel, die sich ähnlich bereits im Ersten Testament findet (Lev. 19,17), diente dazu, den Umgang mit Fehlverhalten von einzelnen Mitgliedern in den Gemeinden zu regeln. Vermutlich hat sie der Evangelist des Matthäusevangeliums aus der Spruchquelle Q übernommen. Eine solche Regel war nötig geworden, weil nicht alles eitel Sonnenschein in den frühen Gemeinden war. Sünde, Fehlverhalten kam bereits in den ersten Gemeinden vor. Und es stellte sich die Frage, wie damit umgehen. Jesus selbst hat immer von der Barmherzigkeit Gottes geredet, von der Vergebung aller Sünden. Und wenn wir im Matthäusevangelium weiterlesen, geht es in den anschließenden Versen um das schier grenzenlose Verzeihen, wenn Jesus auf die Frage des Petrus antwortet, man solle seinem Bruder nicht nur sieben Mal, sondern siebenundsiebzig Mal vergeben.

Alles verzeihen, alles hinnehmen, so hat sich anscheinend in den Gemeinden herausgestellt, geht nicht. Es gibt Sünden, die sich auf andere auswirken. Was das für Sünden sind, darüber sagt unser Evangelium nichts. Da können wir nur spekulieren. Wir können uns darunter Menschen vorstellen, die den Gemeindefrieden stören, indem sie über andere üble Gerüchte verbreiten, anvertrautes Gut veruntreuen oder gar Gewalt, auch sexuelle Gewalt, gegen andere ausüben.

Jedes Fehlverhalten, jede Sünde eines Gemeindemitglieds schädigt zunächst die Opfer, aber auch die Gemeinschaft, die christliche Gemeinde als ganze, die doch andere Ideale zu leben versucht. Bei Fehlverhalten, das der, bzw. die Betreffende abstellen kann, macht es Sinn, zunächst allein mit ihr oder ihm zu reden und erst, wenn sich jemand halsstarrig zeigt, sich Verstärkung von anderen zu holen und wenn auch das nichts nützt, dann ist es ein Fall, der die ganze Gemeinde angeht und dann kann am Ende auch ein Ausschluss stehen.

Dieses Verfahren wurde im Laufe der Kirchengeschichte auch manches Mal als Legitimation für den Kirchenausschluss, die Exkommunikation angeführt. Aber im Unterschied dazu fällt im Matthäusevangelium nicht die Leitung der Kirche, sondern die Gemeinde als ganze im Ausnahmefall, wenn alle Gespräche nichts genützt haben, einen solchen Beschluss. Diesem Gemeindebeschluss wird im folgenden Vers Verbindlichkeit bis in den Himmel zugesagt: „Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“
So eine Vollmacht bekommen nicht einzelne, sondern nur mehrere Christen und Christinnen zusammen, und es geht um Rückbindung an Gott im Gebet: „Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.“ Und zusammengefasst im letzten Vers: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

Es geht um Gemeinschaft, aber nicht nur um der Gemeinschaft oder Geselligkeit willen, sondern in der Ausrichtung auf Gott, denn das meint „in meinem Namen“. Eine solche Gemeinschaft ist bemüht, das zu verwirklichen, was Gott mit ihr vorhat. In Gott hat sie ihren Halt. Er ist ihr Dreh- und Angelpunkt.

Vielleicht geht Ihnen auch das Lied im Kopf herum „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind…“ Weil Gott mitten unter uns ist, könnten wir mit den Sünden anderer in unserer Kirche und in unseren Gemeinden umgehen, so dass wir zunächst mit ihnen und nicht über sie reden, ganz nach dem Motto des eingangs zitierten Wirts: „Wenn es Ihnen geschmeckt hat, sagen Sie es allen. Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, sagen Sie es mir.“

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