Gehen in Jesu Spuren – 22. Sonntag im Jahreskreis A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kap. 16
21 Jesus begann seinen Jüngern und Jüngerinnen zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.
22 Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!
23 Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
24 Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern und Jüngerinnen: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
25 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.
26 Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?
27 Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen.

Autorin:
Regina-Zimmermann1-225x300Regina Zimmermann, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Gäu und in der Klinikseelsorge in Herrenberg

 

Die Predigt
Gehen in Jesu Spuren

Liebe Leserinnen, liebe Leser;
welch ein Wechselbad der Gefühle für Petrus. Wahrscheinlich klingt es noch in seinen Ohren: „Du bist Petrus – der Fels – , auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“, so hörten wir im Evangelium vom vergangenen Sonntag. Jesus stellte die Frage „Für wen haltet ihr mich?“ und Petrus gab zur Antwort: „Für den Messias, den Sohn des lebendigen Gottes.“ Alles richtig gemacht.
Und heute? Heute liegt Petrus mit seiner Antwort oder besser mit seinem Verhalten ziemlich daneben. Als Jesus von seinem nahen Tod und der Auferstehung spricht, da meint Petrus – er ist ja nun mal der Fels – ein klärendes Wort sprechen zu müssen. Er „nahm Jesus beiseite“ (!) und „machte ihm Vorwürfe“ (!!) : „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht geschehen.“ Auch wenn hinter dem „das darf nicht geschehen“ möglicherweise eine große Not und eine große Liebe zu Jesus stehen, wirkt das Verhalten des Petrus doch eine Spur zu selbstsicher und zu wissend, wo´s langgeht oder was nicht sein darf. Felsenfest eben.
Und die Reaktion von Jesus kommt prompt: „Weg mit dir Satan, geh mir aus den Augen.“ Der gleiche Petrus, der eben noch als „Fels für die Kirche“ bezeichnet wurde, wird kurz darauf für Jesus zum Stein des Anstoßes. Welch ein Wechselbad der Gefühle für Petrus!

Aber wenn ich ehrlich bin, bringt Petrus mit seinem Einwand etwas ins Wort, was mir nicht fremd ist. Er protestiert gegen das Leiden, will es verhindern und kann nicht glauben, dass dies der Weg Gottes mit seinem Sohn ist.
Für Petrus darf dies nicht geschehen, für Jesus schon. Was Jesus in seinem Leben für wahr und richtig hielt, musste nach Golgotha führen, sein Leben musste zum Stein des Anstoßes werden für die Ältesten, die Hohenpriester und die Schriftgelehrten. Für die einen ist die Wahrheit zu radikal, für die anderen zu konsequent und für die dritte Gruppe zu unbequem. Jesus wusste, dass sein Leben und Wirken am Kreuz enden muss. Nachfolge am Kreuz vorbei – das geht offensichtlich nicht. Wenn Petrus Jesus beiseite nimmt und ihm Vorwürfe macht, dann könnten diese Vorwürfe vielleicht solche Namen tragen:
Kannst du dich nicht ein wenig mäßigen, zurücknehmen, dich im Moment mit anderen Leuten sehen lassen als den Kranken, Ausgestoßenen und Gebrochenen, könntest du nicht ein wenig Gras über die ganze Unruhesituation wachsen lassen, mach doch einfach einen Bogen um Jerusalem.
Aber all dieses strategische Denken ist Jesus fremd. Für ihn gibt es kein Taktieren. Er muss seinen Weg gehen: Die unbequeme Haltung gegenüber den Großen und Mächtigen und die solidarische Haltung gegenüber den Kleinen und Schwachen. Sich winden, aussitzen und mäßigen wäre Verrat an seinem Auftrag. Und dies gilt eben auch für die Nachfolge. Wer in seiner Spur geht, kommt definitiv am Kreuz nicht vorbei.
So wahr dieser Satz wohl ist, so gefährlich ist er auch. Es kann und darf nie um eine Ideologisierung des Leidens gehen. Das Kreuz darf nicht schweigend machen, darf das Leiden nicht beschönigen oder verharmlosen. Darf uns nicht ruhig stellen, wenn Aufruhr angesagt ist. Dann wäre die Botschaft des Evangeliums nach mehr Menschlichkeit, nach mehr Freiheit und nach mehr Würde des Menschen ad absurdum geführt. Das Kreuz, das Leiden ruft uns immer wieder zur Stellungnahme, aber es ermöglicht auch die Annahme.

Deshalb weist Jesus den Petrus so scharf zurück. „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen“.
Aber muss es denn gleich so schroff sein?

Meinrad Limbeck weist in seinem Kommentar zum Matthäusevangelium auf eine sehr ungenaue Wiedergabe dieses Verses in der Einheitsübersetzung hin und übersetzt an dieser Stelle so: „Auf, hinter mich, Satan! … Denn du denkst nicht das, was Gottes ist, sondern das, was der Menschen ist.“
Nicht: „Geh mir aus den Augen“, sondern „auf, geh hinter mich“.
Nicht: Ich will dich nicht mehr sehen, sondern: Schau auf mich, gehe in meiner Spur.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle von einer Frau erzählen, die vor einigen Jahren Patientin bei uns im Krankenhaus war. In unseren Palliativzimmern haben wir Bilderleisten angebracht, die es ohne großen Aufwand ermöglichen, Bilder auszutauschen. Keine große Galerie, aber doch ein paar sehr unterschiedliche Bilder haben wir mittlerweile in unserem Fundus und fragen hin und wieder nach, welches Bild die Patientinnen und Patienten gerne gegenüber ihrem Bett anschauen möchten. Und so ging ich damals zu dieser Frau, die wusste, dass sie nicht mehr lange leben würde, und ich zeigte ihr einige Bilder: Boote, die bei Sonnenuntergang am Strand liegen, ein Treppenweg durch enges Gestrüpp – am Ende des Weges schimmert es hell, der Engel als Farbenbote von Andres Felger, ein Tor, das in die Weite führt. Alle Bilder hatte ich aufgestellt im Zimmer der Patientin und sie überlegte eine ganze Weile und sagte dann zu mir: „Wissen sie, die sind alle sehr schön und es geht ganz viel Trost – vor allem – von dem Engel aus. Aber eigentlich möchte ich, dass ich auf das Kreuz Jesu schauen kann.“ Ich muss gestehen, ich bin damals ziemlich betroffen mit dem Engel und dem Tor unterm Arm aus dem Zimmer gegangen, ein Kreuz hatten wir damals (noch) nicht in unserem Bildervorrat. Ihr Mann brachte ihr am nächsten Tag „ihr Kreuz“ von zu Hause und als sie starb, vermachte sie uns ihr Kreuz.

„Geh hinter mich, schau auf mich, geh in meiner Spur“ sagte Jesus dem Petrus.
Geh in meiner Spur, wenn ich den Menschen von der Liebe Gottes erzähle und sie diese Liebe spüren können, wenn wir das Leben miteinander feiern.
Geh in meiner Spur, wenn ich Ungerechtigkeiten beim Namen nenne und Leid und Not nicht als gegeben stumm hinnehme.
Aber auch: Geh in meiner Spur, wenn ich das Kreuz trage hinauf nach Golgotha.

Vielleicht ahnte die Frau, dass dieser kreuztragende Jesus ihr wahrhaft Trost ist auf ihrem Kreuzweg. Er geht voraus, legt Spuren, die uns nicht versinken lassen, sondern das oftmals auch mühsame Gehen dennoch ermöglichen.

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Eine Antwort auf Gehen in Jesu Spuren – 22. Sonntag im Jahreskreis A

  1. W. sagt:

    „Geh hinter mich“, damit könnte Jesus vielleicht auch geneint haben: Wenn du hinter mich gehst, dann siehst du nur mich, schaust auf meinen Rücken. Das Leid , die Schmerzen, die Todesangst wird so durch mich verdeckt und dadurch erträglicher. So verstehe ich auch den Wunsch der Frau im Krankenhaus

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