1 Das Volk, das im Dunkel lebt, /
sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, /
strahlt ein Licht auf.
2 Du erregst lauten Jubel /
und schenkst große Freude. Man freut sich in deiner Nähe, /
wie man sich freut bei der Ernte, /
wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird.
3 Denn wie am Tag von Midian zerbrichst du das drückende Joch, /
das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers.
4 Jeder Stiefel, der dröhnend daher stampft, /
jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, /
wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.
5 Denn uns ist ein Kind geboren, /
ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; /
man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, /
Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.
6 Seine Herrschaft ist groß /
und der Friede hat kein Ende. Auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich; /
er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit, /
jetzt und für alle Zeiten. Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere /
wird das vollbringen.
Zweite Lesung aus dem Brief an Titus, Kapitel 2
11 Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.
12 Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben,
13 während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus.
14 Er hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun.
Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 2
1 In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen.
2 Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien.
3 Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
4 So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids.
5 Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
6 Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft,
7 und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
8 In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.
9 Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr,
10 der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll:
11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.
12 Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
13 Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach:
14 Verherrlicht ist Gott in der Höhe /
und auf Erden ist Friede /
bei den Menschen seiner Gnade.
Autorin:
Margret Schäfer–Krebs, Pastoralreferentin, Referentin im Bischöflichen Ordinariat Rottenburg für Liturgie und Ökumene
Die Predigt:
Es geht auch anders
Liebe Leserin, lieber Leser,
sind Sie während des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit auch ein oder mehrere Male durch eine heilige Pforte gegangen? – Ich hab’s gern getan – immer wieder – aber nicht gewohnheitsmäßig oder notgedrungen wie durch viele andere Türen. Manchmal bin ich extra hingegangen, weil ich ganz bewusst diesen Schritt tun wollte:
von draußen nach drinnen,
von der Umtriebigkeit in die Stille,
einen Schritt, der vom eigenen Stand-Punkt weggeht und die größeren Möglichkeiten Gottes sucht,
einen Schritt in Richtung Barmherzigkeit gegenüber anderen, aber auch mir selbst gegenüber.
Als das Heilige Jahr am Christkönigssonntag feierlich beendet wurde und am darauf folgenden Sonntag die erste Kerze am Adventskranz angezündet wurde, ging die Frage mit mir mit: Was ist die barmherzige Alternative in vielen alltäglichen Situationen?
Höre ich zu – oder vorbei?
Grüße ich – oder nicht?
Denke ich nach – oder nur an mich?
Brauche ich dies und das nur für mich – oder mit wem könnte ich das teilen?
Kann ich mit einer Enttäuschung umgehen – oder benutze ich sie um künftig eine Ausrede zur Hand zu haben?
Aufwachen, aufmerksam sein – oder weiter träumen?
Und so weiter…
Und heute am Heiligen Abend frage ich mich: Wo und wann habe ich im Advent die Chancen einer barmherzigen Alternative genutzt in all dem, was in dieser Zeit so dran war? Ich wollte nicht mehr alles nur so erledigen, um dann an Weihnachten selbst erledigt zu sein. Manchmal war die Antwort auf die Frage nach der barmherzigen Alternative nicht die Antwort auf die Frage, was muss ich noch alles tun, sondern die auf die Frage: Was kann ich jetzt auch lassen?
Auch wenn die Pforten der Barmherzigkeit wieder normale Kirchentüren sind und das Heilige Jahr beendet wurde, Gott schafft Barmherzigkeit und sie steht uns jeden Tag bei Tag und Nacht offen.
Die biblischen Lesungen dieser Heiligen Nacht bezeugen uns das:
Jesaja schreibt:
Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht
Du, Gott, schenkst uns große Freude,
Denn wie am Tag von Midian zerbrichst du das drückende Joch, das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers.
Der Paulusschüler, der an Titus schreibt, vertraut:
Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.
Christus Jesus hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen.
Und die Botschaft der Engel auf den Hirtenfeldern von Betlehem lautet:
Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.
Diese Botschaft der Gnade und Barmherzigkeit Gottes besagt mehr als „schöne Weihnachten“. Sie ist die Alternative zu den dröhnend daher stampfenden Stiefeln, von denen Jesaja schreibt. Die Botschaft der Heiligen Nacht heißt: „Es geht auch anders“. Nicht nur als frommer Wunsch, sondern als konkreter Weg. Diesen Weg hat Gott selbst beschritten, indem er zu uns Menschen kam. Die Antwort Gottes auf dröhnende Stiefel, treibende Stöcke und Traghölzer aller Art, ist ein menschliches Gesicht.
Die Zeitgenossen des Evangelisten Lukas wussten um die provokante und krasse Alternative, die er in seinem Weihnachtsevangelium zur Sprache bringt. Kaiser Augustus, den Lukas in die Geburtsgeschichte Jesu hinschreibt, ließ sich als erster römischer Kaiser wie ein Gott huldigen und verehren. Sein Geburtstag wurde als Staatsfeiertag begangen, sein Wort wurde als Evangelium verstanden, er galt als „der Größte aller Zeiten“, als Heiland und Friedensfürst des Erdkreises, dessen Nabel Rom war.
Die göttliche Alternative zum göttlichen Kaiser ist ein Kind in der Krippe.
Die göttliche Alternative zum kaiserlichen Palast ein Unterschlupf für Tiere
Die göttliche Alternative zum menschlichen Miteinander heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.
Gottes Vergeltung ist die Krippe und das Kreuz.
Die Tür zum Stall von Betlehem ist die bleibende Pforte der Barmherzigkeit. Hier erwartet uns ein Gott der Menschlichkeit, der Solidarität und der Demut, versteckt in einem Futtertrog unter menschlicher Haut, wie es der Pfarrer und Schriftsteller Wilhelm Bruners in seinem Gedicht „Gottesschicksal“ ausdrückt:
Wer nach dem Besuch der Krippe zur Stalltür der Barmherzigkeit wieder
hinausgeht, sollte sie nicht einfach hinter sich zuschließen.
Das Licht dieser Nacht, das von der Krippe ausstrahlt, kann uns Schritte weisen, Wege und Gedanken erhellen, wenn es in und um uns neblig und dunkel ist.
Wir brauchen auch und erst recht heute
geschickte Hände anstatt Fäuste,
offene Ohren anstatt Gleichgültigkeit
kreative Köpfe anstatt Dickschädel
offene Worte anstatt Lügen und Schweigen
Wahrhaftigkeit anstatt Postfaktizität
Gutmenschen anstatt Aggressoren.
In diesem Sinne: „FROHE WEIHNACHTEN“!
…es geht auch anders…!
-wenn heilig etwas mit heilen zu tun haben sollte.
Nach einer Geburt braucht es Zeit und- und-und- ja, und – Stille .
Stille beim Stillen.
Nein- die Metten und Messen sind wie der
„kapitale Kauf-Buden -und Krippenzauber “ zu laut geworden zum Stillen.
Sie kann nicht mehr heilen, die „stille Nacht“- sie ist nicht mehr heilig.
… es ginge auch anders …!