Wo Heilsames geschieht, ist Gott am Werk – 3. Adventssonntag A

Aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 11
2 Johannes hörte im Gefängnis von den Taten Christi. Da schickte er seine Jünger zu ihm
3 und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?
4 Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht:
5 Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet.
6 Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.
7 Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden; er sagte: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt?
8 Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige.
9 Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: Ihr habt sogar mehr gesehen als einen Propheten.
10 Er ist der, von dem es in der Schrift heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her; /
er soll den Weg für dich bahnen.
11 Amen, das sage ich euch: Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.

Autorin:
Dr. Ulrike AltlherrDr. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Herrenberg/Gäu, verheiratet, eine Tochter

 
Die Predigt:
Wo Heilsames geschieht, ist Gott am Werk

Liebe Leserin, lieber Leser,
wer ist der Richtige? Diese Frage stellt sich auf ganz vielen Ebenen. Das fängt bei der Joghurtsorte an, geht über die Wahl der richtigen Kandidatinnen und Kandidaten für politische Ämter und endet beim Mann oder der Frau fürs Leben. Ist das der richtige? Und woran kann ich merken, dass das der Richtige für mich ist? Alle werben für sich, aber halten sie ihre Versprechen? Wenn der Joghurt nicht schmeckt, ist das nicht weiter schlimm. Schlimmer ist es, wenn man die falschen Kandidaten oder Kandidatinnen für ein Amt oder als Lebenspartner gewählt hat. Von der Frage: Bist du der Richtige hängt also in aller Regel einiges ab.

Im Evangelium stellt Johannes der Täufer diese Fragen durch seine Jünger an Jesus. „Bist du es, der kommen soll oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Johannes, der Täufer sitzt im Gefängnis und will wissen, ob Jesus der von den alten Propheten verheißene Messias ist. Jesus antwortet nicht direkt mit ja oder nein, sondern er sagt: Geht und berichtet Johannes, was ihr seht und hört. Und dann zählt er auf. Und was er aufzählt, entspricht den alten Verheißungen. In der Lesung haben wir den entsprechenden Text aus dem Buch Jesaia gehört: Dort ist die Rede vom Blühen der Wüste. Die Herrlichkeit Gottes wird sich zeigen: auch darin, dass die Blinden, sehen, die Tauben hören, die Lahmen springen und die Stummen reden. Elementare Not wird aufgehoben und berichtigt. Die Freude wird übergroß sein, wenn dies alles geschieht.

Und Jesus geht noch darüber hinaus. In seiner Aufzählung kommen neben Blinden, Tauben, die völlig von ihrer Behinderung geheilt sind, auch Aussätzige, die rein werden und gar Tote, die aufstehen vor, und wie eine Art Zusammenfassung: Und den Armen wird das Evangelium, die gute Nachricht verkündet.

Die Hörerinnen und Hörer des Matthäus sollten damit genau wie der Täufer erkennen: Jesus ist der verheißene Retter. Was durch ihn geschieht geht sogar noch über das bei Jesaia Verheißene hinaus. Jesus verspricht nichts, er macht keine Werbung für sich. Seht euch um, vom Messias muss etwas spürbar sein. Er lässt sozusagen Taten sprechen. Die Täuferjünger und die Gemeinde des Matthäus und letztlich auch wir sollen uns selbst ein Urteil bilden. Wie sie können wir erkennen: dort, wo Heilsames geschieht, wo Not gewendet wird, ist Gott am Werk, da ist der Messias, da hat Gottes Reich angefangen. Menschen werden wieder heil, bei denen Heilung aussichtslos erschien. Sogar der Tod ist besiegt. Das sind Anzeichen und Kennzeichen von heiler Welt.

Solches ersehnen Menschen zu allen Zeiten:
Blinde sehen: für Menschen, die sehbehindert sind oder erblindet, ist es oft furchtbar, nicht mehr die Gesichter von lieben Menschen zu sehen, keine Farben mehr, nicht mehr lesen zu können, die meisten Berufe nicht mehr ausüben können, sich hilflos zu fühlen, weil sie sich nicht orientieren können. Was wäre das für eine Freude, wieder sehen zu können, wenigstens ein bisschen. Das wäre ein Wunder. Manchmal passieren auch Wunder. Manches Mal im übertragenen Sinn, dass wir Dinge in unserem leben, in unserer Welt plötzlich sehen können, für die wir vorher blind waren.

Lahme gehen: Lahme sind heutzutage Menschen mit Gehbehinderung oder Menschen im Rollstuhl. Manche wissen vermutlich aus eigener Erfahrung, wie schwer es fällt, wenn man sich nicht mehr selbst bewegen kann, wenn man immer Hilfe braucht. Ich habe es immer wieder erlebt, wie sich das Leben radikal ändern kann, wenn jemand nicht mehr gehen kann. Manches Mal kann dieser Mensch dann nicht mehr zu Hause leben, weil da die Bedingungen nicht so sind, dass man mit dem Rollstuhl hinkommt. Oft heißt die Alternative dann Pflegheim. Wie viele Tränen sind deswegen schon geflossen, wenn man erkennen musste, dass es daheim nicht mehr geht. Wie groß ist die Sehnsucht seine Beine wieder benutzen zu können. Ich durfte es schon miterleben, wie Menschen wieder laufen gelernt haben – voller Freude und Dankbarkeit!

Aussätzige werden rein: Aussätzige waren damals Menschen mit unheilbaren, ansteckenden Hautkrankheiten, wie z. B. Lepra. Sie mussten ihre Familien und Häuser verlassen und nur mit anderen Kranken zusammen leben. Gesunden durften sie nicht nahe kommen. Heutzutage sind solche Krankheiten behandelbar. Menschen die wie Aussätzige behandelt werden, gibt es immer noch. Ich denke nur an Opfer von Mobbing, die systematisch aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Wie sehr wünschen sich diese Menschen, dass das aufhört, dass sie wieder Teil von guten, funktionierenden Gemeinschaften sind. Dazu braucht es nicht einmal Wunder, sondern viele Menschen, die bei Ausgrenzungen nicht mitmachen und auf andere zugehen. Es freut mich, wie viele aus unserer Kirchengemeinde Einsame oder Kranke im Blick haben, die nicht in den Gottesdienst kommen können, obwohl es da sicher noch ganz viele gibt, die nicht gesehen und vermisst werden.

Taube hören: Wenig hören ist oft das Thema bei uns im Gottesdienst. Ist das Mikrophon falsch eingestellt, hat das Hörvermögen nachgelassen? Wer wenig oder nichts hört, bekommt vieles nicht mit, wird zunehmend isoliert. Es gibt nur wenige Menschen, die wirklich gut über die Gebärdensprache kommunizieren können. Ach, wäre das wunderbar, wieder ohne Mühe, alles mitzubekommen. Manchmal geht das.

Tote stehen auf: Es ist eine unendlicher Schmerz, geliebte Menschen nur bis zur Schwelle des Todes begleiten zu können und zu merken, dass irgendwann alle Liebe und alle medizinischen Bemühungen den Tod nicht abwenden können, dass wir uns ins Unabänderliche schicken müssen, dass Gott über das Leben oder den Tod entscheidet. Der Tod ist das Unabänderlichste, was es gibt. Und Jesus sagt, selbst der hat seine Macht verloren. Tote stehen auf und leben bei Gott.

Und den Armen wird das Evangelium verkündet. Wer wirklich Armut erlebt hat, weiß, was Hunger ist, was es heißt für lebensnotwendige Dinge betteln zu müssen, keinerlei Gestaltungsspielraum, kaum mehr Würde zu haben. Vor allem Menschen, die die Armut im Alter trifft, schämen sich dafür. Aber genau für Menschen, die sich nicht selbst helfen können, ist das Evangelium, die gute Nachricht besonders gesagt.

Können wir die Heilsanzeichen, die Jesus für die Johannesjünger aufzählt, in unserer Welt, in unserem Leben auch sehen? Oder sind es lauter Heilsverheißungen zu schön, um wahr zu sein? Es gibt noch so viel Unheil und Menschenleid. Heilsversprechungen haben uns oft schon desillusioniert zurückgelassen.

Aber es gibt auch Heilsanzeichen in unserer Welt, in unserem Leben. Ob Jesus der Richtige ist, hängt davon ab, was wir in der Welt und in unserem Leben Heiles sehen und hören. Wenn uns das überzeugt, ist er der Richtige. Dann müssen wir nicht mehr auf ein anderen warten.
Amen.

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