9 Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Beispiel:
10 Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
11 Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.
12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
13 Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
14 Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Autorin:
Angela Repka, Offenbach, Literaturübersetzerin, verheiratet, zwei Söhne, vier Enkelkinder, Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische Tätigkeit in der Pfarrgemeinde
Die Predigt:
Vorsicht: Falle!
Liebe Leserin, lieber Leser,
heute begegnen uns im Lukasevangelium zwei alte Bekannte – der Pharisäer und der Zöllner. Sie haben Geschichte geschrieben und unser Denken geprägt. Na ja, Sie wissen schon. „Pharisäer“ ist zum Schimpfwort geworden und steht für einen selbstgerechten, prahlerischen Menschen, der sich besser dünkt als die anderen – selbst vor Gott. Das Wort Zöllner ist dagegen bis heute eine neutrale Berufsbezeichnung geblieben. Klar, dass nicht hinter jedem Zollbeamten ein reuiger, demütiger Sünder vermutet wird. Wie konnte es zu dieser antijudaistischen Entwicklung kommen?
Zur Zeit Jesu war das Pharisäertum eine jüdische Bewegung, die sich besonders darum bemühte, die Lehre der Thora nicht nur zu hören und zu studieren, sondern sie konkret im Alltag umzusetzen. Jede, jeder sollte mit praktischen Regeln ein gottgefälliges Leben führen und so zur Rettung des Volkes Israel beitragen können. Das alltägliche Leben sollte ein Gottesdienst sein. Das war gar nicht so weit entfernt von den Bestrebungen des Rabbi Jesus, der predigend und heilend durch die Dörfer zog und dem Volk verkündete, Gottes Reich, sein Wohl schaffendes Gutsein (Elisabeth Schüssler Fiorenza), sei ganz nahe. Kein Wunder also, dass er immer wieder auf pharisäische Menschen traf, die sich mit seiner Lehre auseinandersetzten, dass er sich für diese aus ihrem Glauben lebenden Volksgenossen interessierte und sogar Freunde unter ihnen hatte.
Damals waren die Pharisäer im Volk beliebt und noch nicht so einflussreich wie nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels, als die christlichen Gemeinden allmählich begannen, ihre Heilige Schrift aufzuzeichnen – und gegen die Pharisäer zu polemisieren. Viele Generationen tappten nachher ausgerechnet in die Falle, vor der Jesus mit seinem krass kontrastierenden Gleichnis warnen wollte, nämlich dass gerade die eifrig um das Gute Bemühten besonders gefährdet sind, die rechte Spur zu verlieren und es nicht einmal merken.
Der Pharisäer aus dem Gleichnis hat ja wirklich Gutes getan und im Sinne seines Glaubens vorbildlich gehandelt. Er kann durchaus dankbar dafür sein, dass er kein Räuber, Betrüger und Gesetzesbrecher geworden ist. Warum nicht! Das darf aber kein Grund sein, sich über die anderen zu erheben. Durch seine Selbstüberhebung verbaut er sich den Weg zu Gott und seinen Mitmenschen. Sein Gebet verfehlt das Ziel und kommt wie ein Bumerang zurück. Wie in der chassidischen Geschichte, die von einem Rabbi erzählt, der an einem Sabbat vor der Synagoge stehen blieb. Die Gläubigen drängten ihn, doch endlich hereinzukommen und mit der Gemeinde den Gottesdienst zu beginnen. Darauf sagte der Rabbi, das könne er nicht, weil alles voll sei und er nicht durchkomme. Voll wovon? fragten ihn die Menschen verwundert. Voll von Gebeten, die nicht zu Gott aufgestiegen sind, antwortete der fromme Mann.
Wie steht es mit unserem eigenen Beten? Das sollte sich die Zuhörerschaft damals fragen und das fragen wir uns heute. Kommen unsere Gebete an bei Gott? Oder bleiben sie mit kaum wahrnehmbaren, aber zähen Fäden an uns selbst gebunden? Vielleicht nicht so krass wie bei diesem – einen – Pharisäer, womöglich ganz subtil und damit umso gefährlicher. Denn das Einfallstor des Bösen ist da am größten, wo es sich als etwas Gutes, Schönes tarnt – oder auch als Selbstmitleid. Niemand ist dagegen gefeit, auch nicht der und die Allerfrömmste. Die innere Haltung des Zöllners, der sicher einiges auf dem Kerbholz hatte, und vom den eigentlich gar nicht erwartet wurde, dass er im Tempel auftaucht, bringt ihn weiter. Er konnte seine Vergehen erkennen und umkehren – der sich selbst im Weg stehende Pharisäer nicht. Uns zur Warnung!
„Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie …“ – da lässt sich heute vieles einsetzen: Ausländer, Muslime, Kopftuchfrau, Obdachlose, Hartz IV-Empfänger, Rollator-Oma, Geringverdiener, Alleinerziehende, mein Nachbar und so weiter. Tappt nicht in die Falle, die zuschnappt, ehe man sich´s versieht! Und wenn es doch passiert, wie immer wieder im Leben, dann darf ich mir heraushelfen lassen, nicht zuletzt durch ein aufrichtiges Gebet, das uns mit Gott und untereinander verbindet. Gebe Gott die Gnade dazu.
Falle : Staatsreligion…
Die Prophetentradition scheint durch in diesem Bericht: „einer gegen alle“,- “ wir gegen die anderen „…
Vielleicht konnte das „Christentum“ nur in dieser (psychopathologischen ?) Haltung der „Selbsterniedrigung “ zur Staatsreligion “ aufsteigen“ und damit in eine mehrtausendjährige Falle – mit vielen blutigen Nasen…