Gerechtigkeit, eine Eigenschaft Gottes – 29. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 18
1 Jesus sagte den Jüngerinnen und Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
2 In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
3 In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind!
4 Lange wollte er nichts davon wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht;
5 trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
6 Und der Herr fügte hinzu: Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt.
7 Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern?
8 Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindepastoral, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Gerechtigkeit, eine Eigenschaft Gottes

Liebe Leserin, lieber Leser,
bald geht das Lukaslesejahr zu Ende. Lukas, dessen Gedenktag am 18. Oktober gefeiert wird, verdanken wir viele Frauengeschichten, die nur er uns überliefert hat: die Verkündigung an Maria, ihre Cousine Elisabeth, die Prophetin Hanna, die Frau der Salbung beim Gastmahl des Simon, die Frauen im Jüngerkreis Jesu, die trauernde Witwe zu Nain, der Besuch bei Martha und Maria – um nur einige zu nennen. Im 18. Kapitel stellt Jesus in seiner Gleichniserzählung wieder eine Frau ins Zentrum: eine Witwe, die gegen einen uns unbekannten Gegner vor dem Richter ihr Recht einfordert. Wie ergeht es ihr und worauf will Jesus uns hinweisen?

Witwen und Waisen waren und sind in der patriarchalen Gesellschaft eine besonders gefährdete Personengruppe: kein Mann im Haus, kein Einkommen, dafür viel Unsicherheit und Gefährdung Nicht umsonst wurden sie im Judentum unter den besonderen Schutz Gottes gestellt. So heißt es im Buch Jesus Sirach: Er ist ja der Gott des Rechts, bei ihm gibt es keine Begünstigung. Er ist nicht parteiisch gegen den Armen, das Flehen des Bedrängten hört er. Er missachtet nicht das Schreien der Waise und der Witwe, die viel zu klagen hat. Rinnt nicht die Träne über die Wange und klagt nicht Seufzen gegen den, der sie verursacht? (Kapitel 35,15 – 18) Die Witwe in unserer Geschichte kommt immer wieder zum Richter und fordert ihr Recht ein. Ganz offensichtlich geht es um Existentielles, sei es Geld oder Grundbesitz, eine Grundlage für den Lebensunterhalt, die ihr genommen wurde oder nicht zugestanden wird.

Ein klarer Fall eigentlich. Auch wir erwarten von der Justiz Gerechtigkeit, wenn es um eigene Belange geht. Vor Gerichtsgebäuden wird die Justitia seit dem Mittelalter oft als Frau mit einer Augenbinde dargestellt, in einer Hand die Waage, in der anderen das Richtschwert.

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Ihre Blindheit will sagen: Ich richte ohne Ansehen der Person, egal ob arm oder reich, Mann oder Frau, Einheimische oder Ausländer. Vor mit sind alle gleich gestellt – gleiches Recht für alle. Nicht so der Richter in der Erzählung Jesu: Er sagt offen von sich, dass er weder Gott fürchtet, noch die Menschen achtet. Mit anderen Worten, er lässt sich mit Geld bestechen oder ergreift von vornherein Partei für die Reichen und Mächtigen. Die kleinen Leute sind chancenlos. Wäre da nicht die Hartnäckigkeit der Witwe! Sie kommt jeden Tag und verhält sich anscheinend laut und aggressiv, so dass der Richter Angst vor ihr bekommt. Sie könnte sogar handgreiflich werden und ihn blamieren, in seiner männlichen Ehre beschädigen. Und nur deshalb, um endlich seine Ruhe zu haben, spricht er der Witwe ihr Recht zu.

Wie anders aber verhält sich Gott. Von Jesus Sirach hören wir: Er ist nicht parteiisch gegen den Armen … Das Flehen es Armen dringt durch die Wolken, es ruht nicht bis es am Ziel ist. Es weicht nicht, bis Gott eingreift und Recht schafft als gerechter Richter.(Verse 21 – 22) Und Jesus sagt es im Lukasevangelium so: Ganz schnell wird Gott seinen Erwählten Recht verschaffen. Die Frage ist nur, wie es um den Glauben an diesen gerechten Gott bestellt ist.

Eine von Gottes Eigenschaften ist Gerechtigkeit. Gerechtigkeit für alle, einmal bezogen auf sein Reich, das in unserer Zukunft liegt, das in seiner Fülle kommen wird, aber genauso bezogen auf die Zeit der Menschengeschichte, in der sein Reich schon da ist und viel kraftvoller zur Geltung kommen könnte, wenn, ja wenn das beharrliche Gebet Christinnen und Christen tragen würde, das Bitten und Beten um Gerechtigkeit und Frieden. Auch wenn so vieles dagegen zu sprechen scheint, wenn Krieg und Gewalt und Eigennutz nicht enden wollen, die Bitte, dass sich die Menschen Gott zu kehren, dass er sie an sich ziehen kann, um sie zu erfüllen mit Weisheit und heiliger Geistkraft, ist das einzige, was uns retten kann. Da hilft wirklich nur noch beten!

Nicht unter Niveau sollten wir es praktizieren. Gott schiebt nicht die Wolken, um Blitz, Hagel und Unheil gerade von mir fern zu halten. Er handelt auch nicht an Stelle von Menschen und wir müssen ihm auch nicht sagen, was er tun soll: Tröste die Traurigen, speise die Hungrigen … Das liegt ja in Gottes Wesen, das tut er sowieso. Wir sollten unablässig darum beten, dass unsere Herzen sich ihm öffnen, dass wir immer wieder erkennen, wo wir umkehren müssen. Und viele Menschen machen die Erfahrung, wie das Gebet füreinander tragen kann. Wer das selbst erlebt hat, wird es als großen Trost empfinden, anderen im Gebet beistehen zu können. Gott hört und sieht jeden Menschen, auch mich. Er hört mir intensiv zu, auch wenn nicht gleich geschieht, was ich erhoffe. Meine innersten Anliegen sind bei ihm gut aufgehoben und ganz besonders da, wo es um seinen eigenen Willen, um Gerechtigkeit in dieser Welt geht.

Und so komme ich wieder zur Frage der Frauen, die besonders der Lukasevangelist mit seiner Überlieferung hervorgehoben hat. Die Kirche hat sich ein eigenes Recht gegeben, das in der Frage der Geschlechter dem öffentlichen Recht nicht entspricht. Frauen und Männer sind in unserer Kirche nicht gleichgestellt. Sie nimmt im Einzelfall der Berufung die Augenbinde ab und schaut genau hin: Männer werden zum Amt zugelassen, haben das Sagen und werden beauftragt, die Schrift öffentlich auszulegen – Frauen nicht! Die Kirche gibt dafür als Grund Treue gegenüber der Praxis und Verkündigung Jesu an; es ist i h r e Auslegung der Tradition. Viele Frauen sehen dies mit ebenfalls guten Gründen anders: Theologinnen, Frauen in den Verbänden und in den Gemeinden. Hören wir nicht auf zu beten, dass Gleichstellung, Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person auch in unserer Kirche einziehen möge, dass unsere Kirche aufhören möge, sich selbst zu schwächen, indem sie die Frauen klein hält. Würden wir nicht darum beten, hätten wir in so aussichtslos erscheinender Lage keine Kraft zum Durchhalten. Nehmen wir uns die Witwe im Gleichnis Jesu zum Vorbild. Amen

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4 Antworten auf Gerechtigkeit, eine Eigenschaft Gottes – 29. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Annemarie Gindele sagt:

    Liebe Birgit Droesser, wie so oft schon sprechen Sie mir wieder aus der Seele. In Bezug zum Evangelium müssten wir Frauen heute sagen: „Wie lange noch müssen wir zuschauen, wie unsere Gemeinden vor Ort verhungern, weil ein Seelsorger für zu viele Pfarrgemeinden zuständig ist? Wie lange noch stehen gut ausgebildete Frauen im Hintergrund, weil sie kirchenrechtlich nicht gleichberechtigt mit Männern sind?…“
    Ja, hören wir nicht auf zu beten, dass Gerechtigkeit in unserer Kirche einziehen möge.
    Hören wir nicht auf zu beten, dass die Heilige Geistkraft alle Arroganz und Unterdrückung in unserer Kirche hinwegfegen möge. Im heutigen Gleichnis verschafft Gott unverzüglich Recht, nachdem die arme Witwe lange um ihr Recht gekämpft hat. Wir dürfen nicht nachlassen unser Recht einzufordern, weil uns an unserer Kirche so viel liegt. Danke für die beeindruckende Predigt!

  2. Walburga Rüttenauer-Rest sagt:

    Liebe Birgit,
    dem ersten Kommentar schließe ich mich an. Deine Predigt tut uns Frauen so gut.
    Wenn du und unserer Predigtblog nicht wären, hätte ich längst aufgegeben. Ich hatte bisher gedacht, es reiche mein Dienst in der Gemeinde und in der Caritas. Doch
    Jesus hätte uns die Geschichte nicht vorgetragen, wenn er der Meinung gewesen wäre, dass das Beten nur eine Selbstbefriedigung oder Selbsttröstung sei.
    Die Fürbitten im Gottesdienst verändere oder erweitere ich oft. Für die Frauen zu beten, die enttäuscht die Kirche verlassen haben, habe ich immer wieder den Fürbitten angehängt, doch für die Frauen zu beten, die trotz tiefer Verletzung durch den Klerus, weiter machen und nicht aussteigen, für sie habe ich bisher nicht laut bei den Fürbitten gebetet, zu sehr betrifft es mich selber. Umso mehr danke ich dir für deinen Text. Walburga

  3. Hubert Jacobs sagt:

    Schon mehrmals ich ich mich mit der Frau in der Bibel beschäftigt. Da sehe ich für die Zukunft, dass es eine positive Möglichkeit gibt. Ein Drängeln wie die Witwe es getan hat, ist schon richtig. Die Frau von Heute hat schon sehr viel erreicht. Auch im Vatikan hat sich schon vieles getan. Die Ungeduld muss bleiben, aber in der rechten Weise muss sie gesehen werden. Ich weiß, in In Süd-Amerika sind die Frauen auch eingebunden in der Seelsorge. In der jetzigen Zeit gibt es kein Zurück mehr.Die Erkenntnisse sind viel zu offensichtlich, um dies alles zu stoppen. Die heilige Theresia, die heute gefeiert wird hat vieles erreicht. Es wurde ihr nicht leicht gemacht.

    • Walter sagt:

      … welche Kirche ?
      vielleicht ist das Lamentieren der Witwe nichts anderes als die nun schon jahrtausende währende Revolte der Emotio gegen die Ratio, welche die Macht über die Seelen beansprucht.
      Und vielleicht zeigt der Exodus (der Frauen aus dem theologischen „Sklavenhaus“), dass ER bereit ist die gesamte Kirchentradition in Frage zu stellen…

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