Klagen, loben, bitten, danken – Erntedankfest

Erste Lesung aus dem Buch Deuteronomium, Kapitel 8
7 Wenn der Herr, dein Gott, dich in ein prächtiges Land führt, ein Land mit Bächen, Quellen und Grundwasser, das im Tal und am Berg hervorquillt,
8 ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstock, Feigenbaum und Granatbaum, ein Land mit Ölbaum und Honig,
9 ein Land, in dem du nicht armselig dein Brot essen musst, in dem es dir an nichts fehlt, ein Land, dessen Steine aus Eisen sind, aus dessen Bergen du Erz gewinnst;
10 wenn du dort isst und satt wirst und den Herrn, deinen Gott, für das prächtige Land, das er dir gegeben hat, preist,
11 dann nimm dich in Acht und vergiss den Herrn, deinen Gott, nicht, missachte nicht seine Gebote, Rechtsvorschriften und Gesetze, auf die ich dich heute verpflichte.
12 Und wenn du gegessen hast und satt geworden bist und prächtige Häuser gebaut hast und sie bewohnst,
13 wenn deine Rinder, Schafe und Ziegen sich vermehren und Silber und Gold sich bei dir häuft und dein gesamter Besitz sich vermehrt,
14 dann nimm dich in Acht, dass dein Herz nicht hochmütig wird und du den Herrn, deinen Gott, nicht vergisst, der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat;
15 der dich durch die große und Furcht erregende Wüste geführt hat, durch Feuernattern und Skorpione, durch ausgedörrtes Land, wo es kein Wasser gab; der für dich Wasser aus dem Felsen der Steilwand hervorsprudeln ließ;
16 der dich in der Wüste mit dem Manna speiste, das deine Väter noch nicht kannten, und der das alles tat, um dich gefügig zu machen, dich zu prüfen und dir zuletzt Gutes zu tun.
17 Dann nimm dich in Acht und denk nicht bei dir: Ich habe mir diesen Reichtum aus eigener Kraft und mit eigener Hand erworben.
18 Denk vielmehr an den Herrn, deinen Gott: Er war es, der dir die Kraft gab, Reichtum zu erwerben, weil er seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hatte, so verwirklichen wollte, wie er es heute tut.

Autorin:
Silke WeihingSilke Weihing, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Schwäbisch Gmünd, verheiratet, zwei Kinder

 
Die Predigt:
in der Vollzugsanstalt für Frauen Gotteszell
Klagen, loben, bitten, danken

Wie kann man Gott begegnen?
In welcher Haltung ist es richtig, vor Gott zu treten?
Immer nur freundlich und voller Dankbarkeit? Oder dürfen wir gegenüber Gott auch andere Gefühle ans Licht kommen lassen? Die Geschichte des Volkes Israels zeigt auf seinem Weg alle Facetten, die uns im Glauben begegnen können. Diesen Weg möchte ich gerne mit Ihnen gemeinsam nachgehen und nachspüren. In vier Stationen wollen wir sehen, wie unterschiedlich sich Glaube zeigen und wie unterschiedlich man Gott im Gebet nahe kommen kann.

Station 1: Klage
Situation: Das Volk Israel hat seine Heimat verlassen, weil dort eine Hungersnot herrschte. Sie sind aufgebrochen und nach Ägypten gegangen, wo sie tatsächlich aufgenommen wurden und gut weiterleben konnten. Aber im Laufe der Zeit wurde die Situation für die Israeliten immer schwieriger: die Machthaber unterdrückten sie und sie mussten harte Arbeit für die Ägypter verrichten. Was können gläubige Menschen da sagen? Wie können sie in so einer bedrückenden Lage zu Gott sprechen?
In Form der Klage.
Wir meinen manchmal ja, dass es nicht erlaubt ist, Gott auch mal was Unangenehmes zu sagen. Aber das stimmt nicht! In der Bibel gibt es viele Beispiele, in denen Menschen Gott deutlich sagen, was ihnen nicht passt und dass sie ihre Lage nicht verstehen.
Gott, wo bist du?
Uns geht es so schlecht!
Warum hilfst du nicht?
Hast du uns vergessen?
Nun mach doch was!
So, in dieser Art können die Israeliten damals gebetet haben.

– Schwarzes Tuch hinlegen –

Übertragung: Wie ist das bei mir?
Traue ich mich auch, zu Gott zu kommen, wenn es mir schlecht geht?
Wage ich es sogar, ihn anzuklagen?
Kenne ich Situationen, in denen ich mich so schlecht fühle wie die Israeliten in Ägypten?
Steck ich vielleicht gerade jetzt in so einer Lebensphase?
Was könnte ich Gott da als Klage-Gebet zurufen?
Bedenken Sie dies einmal in einer kurzen Stille für sich persönlich

– Kurze Stille –

Überleitung: Es gibt Menschen, die wenden sich von Gott enttäuscht ab, wenn es ihnen nicht gut geht.
Sie meinen, Gott habe sie verlassen.
Am Beispiel des Volkes Israels und anderer Beispiele aus der Bibel können wir aber sehen, dass es auch einen anderen Weg geben kann: ich bleibe in der Beziehung mit Gott, schone ihn aber nicht, sondern halte ihm meine schwere Lage hin. Das ist absolut okay. Und es zeigt: in vielen Menschen bleibt eine Sehnsucht, auch wenn wir mit dem Glauben an einen guten Gott immer wieder an unsere Grenzen kommen. Von dieser Sehnsucht wollen wir singen:

Lied GL 846: Diözesanteil Rottenburg

Station 2: Lob
Situation: Die Klage des Volkes Israels wurde erhört: in der Bibel heißt es: Gott hörte sein Volk und führte es in die Freiheit. Vielleicht kennen Sie die Geschichte vom Auszug aus Ägypten, als sich das Meer geteilt hat und Gottes Volk wie durch ein Wunder in die Freiheit ziehen konnte. Da war die Freude natürlich groß! Und die Menschen deuteten diese Erfahrung als Gottes Eingreifen und Hilfe. Er hat sie befreit! Da konnten sie ihm jetzt natürlich ganz anders begegnen – aus Klage wurde Lob und Jubel.

– Weißes Tuch hinlegen –

Übertragung:
Haben Sie auch schon einmal so eine freudige Erfahrung machen dürfen? Dass es nach einer aussichtslosen Lage dann doch wieder einen Ausweg gab, ein Neuanfang möglich wurde?
Haben Sie dieses frohe Ereignis mit Gott in Verbindung gebracht?

– Kurze Stille –

Station 3: Bitte
Situation: So, nun war das Volk also frei. Und nun? Nun stand ihnen ein langer Weg bevor – 40 Jahre mussten sie durch die Wüste wandern. Es ging nicht sofort von der Unterdrückung und Sklaverei in das gelobte Land – da gab es noch einige Rückschläge, vielleicht auch Prüfungen. Und doch: auch wenn es wirkliche Durststrecken auf dem Weg durch die Wüste gab, im Grunde gaben die Juden nie die Verbindung zu ihrem Gott auf. Zumindest ein Teil des Volkes hielt die Treue. Und wenn es ihnen schlecht geht, ihnen etwas fehlt, dann bitten sie ihn um Hilfe.

– Gelbes Tuch hinlegen –

Zum Beispiel erlebten die Menschen die Wüste wirklich als lebensbedrohlichen Raum – kein Wasser, nichts zu essen. Aber auch hier zeigt sich wieder, dass Gott es doch gut mit diesen Menschen meint – er lässt Wasser aus einem Felsen fließen und schenkt ihnen Manna

– Wasser und Hostien auf das gelbe Tuch legen –

Übertragung: Wenn ich an mich und mein Leben denke, worum will ich Gott bitten?
Wo erlebe ich mein Leben gerade als Wüstenwanderung, als Durststrecke?
Nehmen wir uns noch einmal ein paar Augenblicke der Stille und beten wir ganz persönlich zu Gott und bringen wir ihm unsere Bitten in der Stille

– Kurze Stille –

Station 4: Dank
Situation: Aber auch die Durststrecken hatten dann doch für die Juden irgendwann ein Ende – sie kamen in das gelobte Land, das ihnen Gott in vielen Verheißungen versprochen hatte. Sie mussten zwar erst noch drum kämpfen, aber sie glaubten fest daran, dass dieses Stück Erde für sie bestimmt ist – mit allen Konsequenzen und Konflikten, die das bis heute nach sich zieht. Und dort nun geht es ihnen wirklich gut. Sie leiden keinen Mangel mehr und können ihr Leben genießen.

– Bunte Tücher hinlegen –

In der Bibel ist die Rede von reichlich Wasser, von Weinstöcken, von Getreide und Honig, von Früchten und von Bodenschätzen, mit denen sie z.B. Werkzeuge bauen können.

– Wasser, Trauben, Getreide, Honig, Früchte, Hammer auf die Tücher legen –

Es geht ihnen also gut. Und Gott? Was wird mit dem? Braucht es den jetzt noch? Er hat doch erfüllt, was er verspochen hat. Es gibt Menschen, da geht es leider wirklich so: wenn es ihnen schlecht geht, denken sie an ihren Glauben und rufen Gott an. Aber kaum ist die schwierige Lage überstanden, gerät Gott wieder ins Hintertreffen. Das soll aber eigentlich nicht so sein – daran erinnert uns die Bibel heute ganz eindringlich. Denn wenn es uns gut geht und wir gerade keine Sorge haben, dann sollen und können wir Gott nach der Klage, dem Lob und der Bitte in einer vierten Haltung begegnen: dem Dank.

Durch eine dankbare Haltung zeigen wir, dass wir wissen, dass das, was wir erreicht haben, nicht selbstverständlich ist. Gerade dem Volk Israel wird das von Gott in Erinnerung gerufen, wenn er sagt: wenn es euch dann in dem neuen Land gut geht, dann seid dankbar und denkt immer wieder an die schweren Zeiten zurück. Dann werdet ihr nicht überheblich, sondern denkt immer wieder daran, wo ihr hergekommen seid. Und ihr erinnert euch dann auch daran, dass ich, euer Gott, die gesamte Zeit bei euch war – ich verlasse euch nicht – auch wenn es euch mal schlecht geht und ihr euch von mir verlassen fühlt – ich bleibe da! Und ich will das Gute für euch!

Übertragung:So hat es Gott damals seinem Volk gesagt und dies gilt bis heute auch für uns. Und so können auch wir vielleicht dankbar auf manche Situationen unseres Lebens schauen.
Wofür möchte ich Gott DANKE! sagen?

– Kurze Stille –

Alles, was wir jetzt gehört haben, den Weg von der Unterdrückung in die Freiheit und durch die Wüste in das gelobte Land und die Erinnerung an Gottes Beistand und deshalb den Dank an ihn, all das finden wir in der folgenden Bibelstelle

Lesung Dtn 8, 7-18

Wir sollen Gott nicht vergessen und ihm immer wieder danken – deswegen feiern wir Erntedank. Und deswegen feiern wir Katholiken auch immer wieder Eucharistie – d.h. Danksagung. Da denken wir an Gott, an seine Liebe zu uns und das Geschenk seines Sohnes, der in diese Welt kam und uns diese Liebe Gottes noch einmal ganz besonders gezeigt hat. In einer Dankfeier wird das einfache Brot zum Leib Christi – dies ist ein Glaubensgeheimnis. Aber dieses gewandelte Brot will uns zeigen, dass Gott uns ganz nahe sein will – ganz egal, wie es uns geht. Dazu sind wir alle jetzt herzlich eingeladen.
AMEN

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