Gefunden werden – 24. Sonntag im Jahreskreis C

Erste Lesung aus dem Buch Exodus, Kapitel 32
– Der Tanz um das goldene Kalb –

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 15
1 Alle Zöllner, Sünderinnen und Sünder kamen zu Jesus, um ihn zu hören.
2 Die Pharisäer und Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.
3 Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte:
4 Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?
5 Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern,
6 und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war.
7 Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.
8 Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet?
9 Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir; ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte.
10 Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über eine einzige Sünderin, die umkehrt.

Autorin:
wetzel-140x150Sabine Wetzel, Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Ailingen, Ettenkirch, Oberteuringen

 
Die Predigt:
Gefunden werden

Liebe Leserin, lieber Leser,
haben wir nicht auch manchmal denselben Wunsch wie die Israeliten: dass wir uns einen fassbaren, greifbaren, begreifbaren Gott wünschen? Nicht „nur“ einen Gott, der unsichtbar, ungreifbar ist? Nicht, dass wir um ein goldenes Kalb oder einen goldenen Stier tanzen oder ihm opfern wollten. Aber: In Situationen, gerade wenn es uns nicht gut geht, da wäre ein greifbarer Gott, ein greifbarer Halt doch besser als „nur“ der Glaube, dass es Gott gibt. Und dass es dieser Gott gut mit uns meint. Der Glaube – die Hoffnung – dass es einen Gott gibt, der den Weg weist, der uns aus dem Übel herausführt, der verzeiht, der barmherzig ist. Der Wunsch mag verständlich sein – aus dieser bekannten Bibelstelle haben wir die bis heute geltende Zusage, dass Gott sein Volk führt und leitet. Und von Mose wissen wir auch, dass Gott nicht greifbar ist.

Interessant an diesem Text finde ich, dass Gott mit sich handeln lässt. Ähnlich hatte schon Abraham mit Gott gehandelt. Abraham hatte Gottes Rache an Sodom heruntergehandelt: Nicht, wenn Gott 50 Gerechte in dieser Stadt voller Sünder finden würde, sondern wenn er auch nur 10 Gerechte fände, würde er die Stadt vor einer großen Rache verschonen – um der Gerechten Willen. So versucht hier auch Mose, Gott zu besänftigen. Als Hintergrund: zu jener Zeit herrschte der Glaube an einen rächenden Gott vor, der zornig wird, wenn der Mensch böse handelt, ein Gott der für Fehltaten bestraft. Auch im zweiten Teil der Bibel, im neuen Testament, wird dieses Gottesbild von Jesus verkündet: Denken wir an die Ansage des Weltgerichts, wo den Unbarmherzigen ewiges Feuer angedroht wird. Ebenso wird dem schlechten Knecht und den fünf törichten Jungfrauen Unheil vorhergesagt. Was kommt, wissen wir nicht. Ich kann diese Bibelstellen jedoch nur so verstehen, dass mit diesen Texten die Menschen zum guten Tun angehalten werden. Wir können unser Leben zum Besseren hin ändern, jederzeit – und sollen es. Das gute, barmherzige Verhalten ist der von Gott gewiesene Weg. Wortwörtlich kann ich diese Bibelstellen nicht verstehen, so wie manche religiöse Gruppierungen dies tun.

Und in diesem Verständnis sind wir dann beim heutigen Evangelium: Für die Pharisäer und Schriftgelehrten ist klar, dass man sich als Gerechter von Sündern fernhalten soll. Die haben gegen Gottes Gebote verstoßen, also geschieht ihnen Gottes Strafe zurecht. So können sie nur denken, wenn sie davon überzeugt sind, dass sie selbst gerecht sind. In dieser Selbstgerechtigkeit werden sie jedoch von Jesus korrigiert. Jesus zeigt genau den gegenteiligen Weg auf: Gerade um die Verlorenen sorgt sich Gott, kümmert sich Gott. Dies zeigt Jesus auf mit mehreren Gleichnissen. Heute haben wir in der Kurzfassung des Tagesevangeliums das sehr bekannte Gleichnis vom verlorenen – und gefundenen – Schaf und das sicher auch bekannte Gleichnis von der wiedergefundenen Drachme gehört. In der vollständigen Fassung des heutigen Evangeliums kommt anschließend das Gleichnis vom wiedergefundenen Sohn.

Sie merken: während diese Texte oft überschrieben werden mit den „Verlorenen“, gebe ich ihnen die Überschriften der „Gefundenen“. Denn darum geht es Gott. Alle Gleichnisse zeigen uns: Gott schreibt uns nicht ab, wenn wir auf Abwege geraten, wenn wir für Gottes Reich offensichtlich verloren scheinen. Gott droht nicht ewiges Feuer oder ewiges Wehklagen an. Sondern: Gott freut sich, wenn wir wieder auf dem richtigen Weg sind. Um dies zu zeigen, wählt Jesus Bilder aus dem Alltag der Menschen: das Gleichnis vom guten Hirten zielt dabei vor allem auf den Verständnishintergrund der Männer ab – denn Schafe hüten war damals Männerarbeit. Seine männlichen Zuhörer haben ihn also verstanden. Der Haushalt war sicher ausschließlich Frauenarbeit. Im Haus etwas verlieren, auch Geld, das konnten nur Frauen – und das Geld wiederfinden konnten dann eben Frauen in ihrer unermüdlichen, gründlichen Suche. Das verstanden alle Frauen. Und so konnten alle verstehen, wie Gott sich freut, wenn er einen Menschen wiedergefunden hat, auf den rechten Weg zurückgeholt hat, zur Gemeinschaft der Kinder Gottes zurückgebracht hat.

Wie aber geht das, wie geht das heute, dass Gott Menschen nachgeht, Menschen sucht? Meistens braucht es hierfür sicher Menschen, Menschen, die handeln wie der barmherzige Gott. Menschen, die die Verlorenen suchen, und hoffentlich finden – und zurückführen. Ihnen fallen sicher viele Beispiele ein, wie jede und jeder von uns dazu beitragen kann. Dazu müssen wir erstmal überlegen: wer könnte denn mit den Verlorenen gemeint sein? Da können wir schon im nächsten Umfeld anfangen: wenn wir wahrnehmen, wie eine oder einer jemand anderem Gewalt antut, egal ob mit Fäusten, mit Worten, über die sozialen Medien, dann könnten wir diese Person abschreiben – und denken: die ist eben schlecht. Oder, sicher schwieriger, wir können versuchen, ob wir sie von der Gewalt abbringen können. Auch hier finde ich wieder vorbildhafte Beispiele unseres Papstes, der bisher ungeahnte Wege beschreitet: Prostituierte könnte man als Verlorene abschreiben. Papst Franziskus hat sie aufgesucht. Wiederverheiratete Geschiedene galten lange Zeit von der Kirche als die Abgeschriebenen. Papst Franziskus sucht einen Weg der Barmherzigkeit für sie.

Tun wir es ihm nach, dort, wo wir entdecken, dass jemand den Weg verloren hat. Denn Gott hat keine Hände als unsere Hände. Wir sehen, im heutigen Evangelium können wir uns – immer wieder unterschiedlich – in den verschiedenen Positionen wiederfinden: mal als die Selbstgerechten – sind wir aber wirklich, immer, gerecht, auf dem guten Weg? Sicher immer wieder sind wir die Verlorenen, die auf Abwegen. Dann, sagt uns Jesus, dürfen wir uns der suchenden Liebe Gottes sicher sein. Und immer wieder können wir diejenigen sein, die Gottes Wunsch des Findens in der Welt umsetzen. Haben wir den Mut dazu.

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