Alles ist von Gottes Liebe durchdrungen – Fest der hl. Hildegard und 25. Sonntag im Jahreskreis C

Erste Lesung aus dem Propheten Amos, Kapitel 8
4 Hört dieses Wort, die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt.
5 Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei? Wir wollen Getreide verkaufen. Und wann ist der Sabbat vorbei? Wir wollen den Kornspeicher öffnen, das Maß kleiner und den Preis größer machen und die Gewichte fälschen.
6 Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen, für ein paar Sandalen die Armen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld.
7 Beim Stolz Jakobs hat der Herr geschworen: Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.
 
Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 16
In jener Zeit
1 sagte Jesus zu den Jüngerinnen und Jüngern: Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen.
2 Darauf ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung! Du kannst nicht länger mein Verwalter sein.
3 Da überlegte der Verwalter: Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Was soll ich jetzt tun? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht, und zu betteln schäme ich mich.
4 Doch – ich weiß, was ich tun muss, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin.
5 Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem andern, zu sich kommen und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?
6 Er antwortete: Hundert Fass Öl. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin, und schreib „fünfzig“.
7 Dann fragte er einen andern: Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert Sack Weizen. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, und schreib „achtzig“.
8 Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes.
9 Ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es mit euch zu Ende geht.
10 Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen unrecht tut, der tut es auch bei den großen.
11 Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Reichtum nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen?
12 Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann euer wahres Eigentum geben?
13 Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.

Autorin:
Utta-Hahn-2-150x150Utta Hahn, Gemeindereferentin, Landpastoral Schönenberg in Ellwangen

 
Die Predigt:
Alles ist von Gottes Liebe durchdrungen

Liebe Leserin, lieber Leser,
am 17. September ist der Gedenktag der Heiligen Hildegard von Bingen. Ein Name, der heute vielleicht vergleichbar berühmt ist, wie zu Lebzeiten sie selbst. Ich möchte Sie einladen, diese interessante Frau näher kennenzulernen.

Hildegard wurde 1098 geboren. Sie stammte aus einer adligen Familie und wurde schon als Kind mit 8 Jahren in die Obhut einer Ordensschwester gegeben. Sie war das zehnte Kind der Familie und naheliegend dann die „Zehnte für Gott“. Von ihrer körperlichen Verfasstheit heißt es, sie sei ein kränkliches Kind gewesen und auch im Erwachsenenalter hatte sie oft lange Krankheitsphasen. Trotzdem erreichte sie das für die damalige Zeit fast unglaubliche Alter von 82 Jahren.

Ihre schulische Ausbildung war wahrscheinlich eher bescheiden. Sie lernte lesen und schreiben und eben so viel Latein, dass sie die Bibel lesen und die Psalmen beten konnte. Und doch war ihr das Leben, die Welt, ihr Glaube Quelle für ein lebenslanges Lernen.

Schon im frühen Kindesalter von drei Jahren hat Hildegard, wie sie selbst es später beschrieben hat, „ein so großes Licht gesehen, dass meine Seele erbebte“. In der Begegnung mit dem Licht – später von ihr selbst das „Lebendige Licht“ genannt – schaute und sah sie Dinge, die für andere unsichtbar und auch ihr selbst lange unverständlich blieben. Viele Jahre schwieg und erzählte sie niemandem von diesen ihren Erfahrungen.

Im Jahr 1141 änderte sich dies. Es begann der Lebensabschnitt, der ihr die alsbaldige Verehrung als Heilige eintrug und ihr später die Titel „prophetissa teutonica“, „Posaune Gottes“, erste deutsche Theologin, Komponistin und Naturforscherin verlieh. Sie selbst beschrieb diese entscheidende Wende in ihrem Leben im Vorwort zu ihrem ersten Buch „Wisse die Wege“:

Im Jahre 1141 der Menschwerdung Jesu Christi, als ich 42 Jahre und sieben Monate alt war, kam ein feuriges Licht mit Blitzesleuchten vom Himmel hernieder. Es durchströmte mein Gehirn und durchglühte meine Brust. Und plötzlich erschloss sich mir der Sinn der Schriften … Und ich vernahm eine Stimme vom Himmel, die zu mir sprach: „Schreibe auf, was du siehst und hörst!“ … Und weiter an anderer Stelle: Ich sehe all diese Dinge nicht mit den äußeren Augen und höre sie nicht mit den äußeren Ohren; ich sehe sie vielmehr einzig und allein in meinem Inneren, aber mit offenen leiblichen Augen, so dass ich niemals die Bewusstlosigkeit einer Ekstase erleide, sondern wachend schaue ich dies bei Tag und bei Nacht.

Sie nahm den göttlichen Auftrag, an und begann das niederzuschreiben, was sie im „Lebendigen Licht“ erkannte. Sie betrachtete sich dabei, gleich wie die Propheten, als Werkzeug und Sprachrohr Gottes. Es ging ihr darum, die Menschen ihrer Zeit wachzurütteln, sie zur Umkehr zu bewegen und der wachsenden Gott-Vergessenheit entgegenzutreten. Hildegards Schau drängte auf ein Tun, ihr Erkennen zielte auf ein Wirksamwerden und auf die Mobilisierung der Weltverantwortung.

Faszinierend an Hildegards Visionen ist nicht nur die inhaltliche Fülle und Vielseitigkeit, sondern vor allem auch die einzigartige Verknüpfung theologischer, kosmologischer, naturkundlicher und spiritueller Erkenntnisse. Alles Geschaute erhält bei Hildegard auf den verschiedensten Ebenen seinen Sinn und seine Entsprechung. Alles ist miteinander verbunden und aufeinander bezogen. Hildegard ging es um eine religiöse Deutung des ganzen Universums und um ein konsequent gelebtes christliches Lebens in allen Bereichen des Lebens. Alles, Himmel und Erde, Glaube und Naturkunde, das menschliche Leben in all seinen Facetten und Möglichkeiten, war für sie ein „Spiegel der göttlichen Liebe“ und wird damit transparent auf den Schöpfer hin.

Bezeichnend ist auch Hildegards souveräner Umgang mit den Quellen, die sie völlig frei und schöpferisch in ihre Gesamtschau einfließen ließ. Hildegard griff auf Vorgegebenes zurück und dennoch entstand immer völlig Neues, Einzigartiges, das ohne Vorbild und in dieser Form auch ohne Nachkommen war.

Wenn auch ihre Sprache und die Wortwahl eindeutig aus dem 12. Jahrhundert stammen und für uns manchmal nicht leicht zu ergründen ist, so sind doch die Bilder, die den Text illustrieren – Miniaturen, die sie genauso detailliert diktierte, wie die Worte – einzigartige Bilder des Kosmos und des Glaubens, wie sie es in den Visionen gesehen hat. Herzliche Einladung, einige mal anzuschauen – unter http://www.abtei-st-hildegard.de/?cat=31 finden sich die Bildtafeln des Werkes „Wisse die Wege“.

1148 gab es ein Konzil in Trier, bei dem der Papst Eugen III. anwesend war. Dort wurde aus ihrer Schrift vorgelesen und der Papst genehmigte die Veröffentlichung.
Damit hatte sie eine gewisse Sicherheit vor inquisitorischer Verfolgung erreicht.

Sie schrieb weitere Werke: Das Buch der Lebensverdienste, Das Buch vom Wirken Gottes, Ursprung und Behandlung der Krankheiten, Heilsame Schöpfung – die natürliche Wirkkraft der Dinge. Daneben war ihr auch die Musik wichtig. Sie schrieb Mysterienspiele, dichtete und komponierte für den liturgischen Gebrauch – war also auf der Suche nach einer zeitgemäßen liturgischen Sprache. Der Titel des musikalischen Werkes war: „Symphoniae harmoniae celestium revelationum“, d.h. Lieder, die die himmlische Harmonie erkennen bzw. erklingen lassen.

Die Musik war für Hildegard, wie alle Schöpfung, göttlichen Ursprungs. So ließ sie Gott selbst einmal sagen: „Ich habe den Lebenshauch in preisende klingende Harmonien gebracht“. Welt und Mensch als Ganzes bilden ein wohlklingendes Gefüge der Beziehungen und Entsprechungen. Der Kosmos ist „musikalisch strukturiert“ und die Seele des Menschen ist „symphonisch gestimmt“.

Hildegard war als Äbtissin auch eine öffentliche Person. Nicht nur, dass Menschen ins Kloster und zu ihr kamen, um Rat und Heilung zu suchen – sie stand auch in Kontakt mit vielen Mächtigen ihrer Zeit. – Bischöfe, Domherren, Mönche, Kaiser und Papst. Es sind 390 Briefe von ihr erhalten, die Zeugnis geben, von ihrer Anteilnahme, ihrer Offenheit und ihrem Mut, mit der sie ihren Zeitgenossen begegnete. In späteren Jahren unternahm sie umfangreiche Predigtreisen in bedeutende und zum Teil große Städte – Mainz, Würzburg und Bamberg standen auf dem Programm, Trier und Metz, Köln und Siegburg, Maulbronn, Hirsau und Zwiefalten.

Und sie kämpfte für die geistige Erneuerung der Kirche und der Gesellschaft ihrer Zeit. Ihre Schriften zeugen von einer Fähigkeit der Gesamtschau der Dinge, wie sie uns oft sehr spezialisierten modernen Menschen fast unvorstellbar vorkommt. „Alles ist mit allem verbunden“, schreibt sie einmal – der Himmel mit der Erde, Gott, die Engel, die Menschen, die Tiere, die Erde, das Gestein, die Luft, das Feuer, die Wärme und die Kälte. Und so kann sie den Menschen auch immer ganzheitlich sehen. Wenn sie sich mit Krankheiten beschäftigte, dann gehörte zur Behandlung auch das Anschauen der Lebensweise; welchen Charakter hat dieser Mensch, wo sind seine Stärken, wie reagiert der Körper dieses Menschen auf die Umwelt, auf den Kosmos, auf die Nahrung. Welche Nöte sprechen aus der Seele? So ist Heilung bei ihr ganzheitlich – Geist, Seele, Körper, Psyche, Umwelt – alles hat Einfluss aufeinander und alles ist als Schöpfung Gottes von seiner Liebe durchdrungen.

Nun wurde Hildegard von Bingen 2012 zur Kirchenlehrerin ernannt. Vielleicht kann ihr Einfluss auf Theologie und Lehre noch vergrössert werden, wenn wir auf diese Ganzheitlichkeit, ihre Offenheit, ihren Mut und ihre Standhaftigkeit schauen. Und die heilige Geistkraft hat ihr Recht gegeben. Sie war unterwegs und sie hat gepredigt und viele hörten ihr zu.

Liebe Leserinnen und Leser,
der Prophet Amos, den wir in der Lesung heute gehört haben, findet deutliche Worte für das Unrecht, das in der Gesellschaft und der Kirche geschieht und auch das Evangelium erzählt uns, dass Jesus nicht an deutlichen Worten sparte. Hildegard kämpfte für eine Welt, in der alle in Verantwortung füreinander und in Harmonie mit dem Schöpfer leben, in der seine LIEBE sichtbar wird.

Folgen wir Jesus nach und setzen uns wie Hildegard ein für ein gerechtes Leben, für ein ganzheitliches Leben in einer Welt, die Platz und Raum und Barmherzigkeit für alles Leben hat. Amen.

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Die Gedanken für die Predigt habe ich zu grossen Teilen einer wunderbaren Biographie über die Heilige Hildegard von Bingen entnommen, die zu finden ist unter:
http://www.merke.ch/biografien-biologen/von-bingen/

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