Auf der Suche nach Gott: Edith Stein – 19. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 12
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
In jener Zeit sprach Jesus:
32 „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es hat eurem Schöpfer gefallen, euch die Königsmacht zu geben.
33 Verkauft euer Vermögen und gebt es als Tat der Gerechtigkeit. Schneidert euch Beutel, die nicht alt werden, sammelt einen Schatz in den Himmeln, der wird nicht angetastet, denn dorthin kommt kein Dieb, und keine Motte zerfrisst ihn!
34 Wo nämlich euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.
35 Umgürtet eure Lenden und lasst eure Lichter brennen!
36 Ihr sollt wie Sklavinnen und Sklaven sein, die ihre Herrschaft so erwarten, dass sie ihr, wenn sie vom Fest heimkommt und anklopft, sofort öffnen können.
37 Glücklich sind die, die ihre Herrschaft bei der Heimkehr wach finden wird. Amen, ich sage euch: Sie wird sich eine Schürze umbinden und sie zu Tisch bitten. Sie wird zu ihnen gehen und sie bedienen.
38 Und wenn sie in der zweiten oder dritten Nachtwache kommt und sie so findet: Jene werden glücklich sein!
39 Bedenkt Folgendes: Wenn der Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, würde er nicht in sein Haus einbrechen lassen.
40 Haltet auch ihr euch bereit, denn der Mensch kommt zu einer Zeit, zu der ihr es nicht vermutet.“

Autorin:
Walburga_Rüttenauer-Rest2009 Walburga Rüttenauer – Rest, Bensberg, verheiratet, drei Kinder, Grundschullehrerin, nach der Pensionierung Ausbildungskurs zum Diakonat der Frau, diakonische und liturgische Aufgaben in der Pfarreigemeinde

 
Die Predigt:
Auf der Suche nach Gott: Edith Stein

Liebe Leserin, lieber Leser,
dieses Evangelium ist für den 19. Sonntag im Jahreskreis vorgesehen. Es richtet sich an eine kleine Gemeinde damals, es richtet sich heute an uns, denn wir leben in einer Zeit, in der die Kerngemeinden immer kleiner werden, was man durch die Zusammenlegung von Gemeinden zu verheimlichen hofft. Die wenigen Pfarrer versuchen oft mit verlockenden Events die kleine Herde zu vergrößern. Ich kenne einige, die sich dabei über ihre Kräfte hinaus eingesetzt haben und als Hirte aufhören mussten. Wo die kleine Herde mit einbezogen wird und Schätze für den Himmel gesammelt werden, strahlt diese Gemeinde in das Umland aus. Wo nämlich euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.

Wissen wir, wo unsere Schatzkammer sich befindet? Wissen wir, ob sie leer ist oder wie viel und was wir dort untergebracht haben? Wer könnte uns bei der Bestandsaufnahme helfen? Bei dieser Frage bin ich auf die Bedeutung der Heiligen für uns gestoßen, besonders auf Heilige aus der Neuzeit. Sie haben mit ähnlichen Zweifeln und Problemen zu tun gehabt wie ich. Sie hatten auch Schwierigkeiten mit der Amtskirche wie ich. Auch wenn jeder Mensch sein besonderes Leben zu meistern hat, können wir bei der Betrachtung eines gelungenen Lebens Hilfestellung für uns selbst finden. Ich möchte Ihnen eine Heilige vorstellen, deren Fest in dieser Woche am 9. August begangen wird, Edith Stein – Theresia Benedicta a cruce, Schutzpatronin Europas. Sie wurde als Märtyrin heilig gesprochen, doch hatte sie ein andere Möglichkeit?

Sie hat sich nicht zum Martyrium gedrängt, aber sie hat sich bereits beim Eintritt in den Karmel bewusst in die Kreuzesnachfolge gestellt. Sie wurde zwar aus der Sicht der Welt als Jüdin ermordet, doch sie hat diesen Weg in die Vernichtung als ihren Kreuzweg gedeutet und durchlebt. Sie hat den alten Bund des Volkes Israel mit Gott und den erneuerten Bund mit allen, die in der Nachfolge Jesus leben, Juden wie Christen, mit ihrem Leben und Sterben als eine Einheit verinnerlicht. Unmittelbar vor dem Abtransport in die Vernichtung wollte ein jüdischer Mitarbeiter im Hinblick auf ihr Christsein etwas zu ihrer Rettung versuchen. Worauf Edith Stein ihm mit folgenden Worten antwortete: “Tun Sie das nicht, warum soll ich eine Ausnahme erfahren? Ist dies nicht gerade Gerechtigkeit, dass ich keinen Vorteil aus meiner Taufe ziehen kann? Wenn ich nicht das Los meiner Schwestern und Brüder teilen darf, ist mein Leben wie zerstört”. Ihr Schatz war ihr Ja zu dem gewaltsamen Tod, den sie mit all den Juden um sie herum erleiden durfte. Den wollte sie nicht verlieren. Sie war nicht die einzige Judenchristin, die umgebracht wurde. Ihr Schicksal teilte sie mit vielen, die nicht heilig gesprochen wurden. Nicht das Erleiden des Todes als solchem war entscheidend für sie, sondern der Gedanke, dass der Rassenterror gegen die menschliche Natur Jesu gerichtet war, mit der sie nach ihrem Verständnis blut-mäßig zu Christus gehörte. Das verlieh ihr die Kraft, sich in den letzten zwei Tagen in Auschwitz um Kinder zu kümmern. Für uns ist es wichtig, den Lebenslauf dieser Heiligen zu verfolgen, um daraus vielleicht einen eigenen Weg zu finden, auf dem wir wachsam bleiben können, denn der Menschensohn kommt zu einer Zeit, zu der wir es nicht vermuten.

Edith Davidsstern1

Ich zeige Ihnen hier das Foto von einer Plastik, die in Köln in der Nähe vieler großer Banken zu Ehren von Edith Stein aufgestellt wurde. Hier stehen die Schätze der Welt den Schätzen im Himmel gegenüber. Das Foto zeigt Edith Stein dreimal, in drei verschiedenen Lebensphasen. Ich habe dieses Foto gemacht, um zu zeigen, dass sie nicht nur als Märtyrin gesehen werden sollte. Ihr ganzes Leben war eine Suche nach Gott. Doch dann fand sie in einem tiefen Glauben an Gott ihre Ruhe und Gelassenheit.

Der Künstler Bert Gerresheim beginnt mit einer junge Frau, die auf einem Hocker sitzt und sich nachdenklich auf einen Davidstern stützt. Es zeigt Edith Stein in dem Lebensabschnitt, wo sie auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens war. Neben ihrem Studium der Philosophie war sie auf der Suche nach einem Lebenspartner. Er sollte sie auf ihrem Lebensweg begleiten. Sie träumte von einer harmonischen Ehe und Familie. Zweimal schien sie am Ziel, doch die Männer zogen sich zurück, wohl aus Angst, ihr nicht gewachsen zu sein. Zu erfolgreich, zu klug und zu anspruchsvoll hinsichtlich ihrer Vorstellungen von Partnerschaft und ehelicher Liebe erschien sie ihnen. Zu dieser großen schmerzhaften Enttäuschung kam die dreifache Ablehnung der Professoren an den Universitäten: Breslau, Göttingen und Freiburg, sie habilitieren zu lassen. Sie wurde abgelehnt, weil sie eine Frau war. Ihren Doktor in Philosophie hatte sie mit der best möglichen Note abgeschlossen. Das war zugelassen worden, doch als Professorin an einer Universität Männer zu unterrichten und manchmal zu belehren, dass war nicht denkbar, das durfte nicht sein! Zweimal abgelehnt zu werden, weil man nicht den Vorstellungen der Männerwelt entsprach, tat sehr weh. Doch sie suchte nach einem Sinn in diesem Unsinn. “Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht”. waren ihre Worte, als sie auf der Suche nach einem neuen Ziel ihres Lebens war. Als Edith Stein das erkannt hatte, gab es keinen anderen Weg als Jesus Christus zu folgen, seine Jüngerin zu werden. Sie war als Jüdin aufgewachsen, doch mit 14 Jahren hatte sie sich, wie sie sagte, “das Beten ganz bewusst und aus freiem Entschluss abgewöhnt”. Sie betrachtete sich als Atheistin.

Edith Stein 1a

Zu der Entscheidung, Christin zu werden, kam sie auf ihrer Suche nach einem neuen Ziel durch das Vorbild zweier Frauen. Die eine überzeugte Edith durch die Art und Weise, wie sie den Tod ihres Mannes im Krieg annahm und, von ihrem Glauben getragen, auf ein Wiedersehen mit ihrem Mann wartete. Die zweite Frau war Theresa von Avila. Ihre Lebensgeschichte berührt Edith Stein so, dass sie entschlossen war, gegen den Willen ihrer Familie sich im Jahr 1922 taufen zu lassen. Sie wurde eine bedeutende Frauenrechtlerin, überzeugende Theologin und Pädagogin, die im In- und Ausland zu Vorträgen mit bis zu tausend Zuhörerinnen eingeladen wurde. Sie wagte sich sogar an heiße Themen heran. So konnte sie sich gut vorstellen, dass Frauen Diakoninnen würden. Selbst in Bezug auf das Amt einer Priesterin sah sie kein dogmatisches Hindernis, auch wenn sie für sich selbst das nicht vorstellen konnte. Ihre Mutter hat viel geweint und bis zu ihrem Tod Ediths Entscheidung nicht akzeptiert.

Wenn Sie sich das erste Foto anschauen, sehen sie die zweite Plastik in der Mitte, eine junge Frau mit einem gespaltenen Kopf. Im Evangelium zu Ihrer Heiligsprechung finden wir folgenden Satz: Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden.(Joh 4,21). Es ist ihr sicherlich nicht leicht gefallen, ihren jüdischen Familienglauben aufzugeben. Jesus war doch auch ein Jude. Die ersten Christen – alle Apostel – waren Juden. Uns dagegen fällt es schwer, diesen Satz auch für uns zu akzeptieren. Bei der Vorbereitung einer Messe mit diesem Evangelium, bat mich eine Frau aus dem Team, diesen Satz auszulassen. So unerträglich schien er ihr! Der gespaltete Kopf steht wohl als Symbol für diesen inneren Zwiespalt bis in ihren Tod.

Die letzten neun Jahre verbrachte Edith Stein im Karmel. Schon früh hatte sie diese strenge Lebensweise angezogen. Der Schwerpunkt auf das Beten kam ihr sehr entgegen. Doch aus Rücksicht auf ihre Mutter trat sie erst nach deren Tod in den Kölner Karmel ein. Die dritte Darstellung zeigt eine Ordenschwester, die den Gekreuzigten vor sich her trägt, ihren Schatz. Ihr Ordensname lautete: Theresia Benedicta a Cruce, die vom Kreuz gesegnete. Diesen Namen hatte sie sich gewünscht. In ihrem Inneren spürte sie bereits, dass ihr neuer Lebensweg ein Kreuzweg werden würde.

Wir leben zur Zeit in einem Land und zu einer Zeit wo unser Leben nicht in Gefahr ist auf Grund unseres Glaubens und unserer Herkunft. Der zunehmende Antisemitismus und die Fremdenfeindlichkeit aber beunruhigen uns und wir sind aufgerufen, ihnen entgegen zu treten. Dazu sind wir als Christen verpflichtet, auch wenn es uns zur Zeit sehr schwer fällt. Hören wir dazu diese Worte der Heiligen, die in einer noch schlimmeren Zeit lebte: „Unsere Menschenliebe ist das Maß unserer Gottesliebe. Für die Christen – und nicht nur für sie – gibt es keine fremden Menschen. Die Liebe Christi kennt keine Grenzen“.

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Aus der vielen Literatur über und von Edith Stein hat mir das Buch „Unerbittliches Licht“ von Hanna-Barbara Gerl besonders geholfen, erschienen im Verlag Grünewald Mainz 1991

Hinweis: Ein Klick auf die Bilder macht ein genaueres Betrachten möglich.

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3 Antworten auf Auf der Suche nach Gott: Edith Stein – 19. Sonntag im Jahreskreis C

  1. edith sagt:

    Danke für die Predigt von Edith Stein.
    Es hat mich alles sehr berührt.
    Freundliche Grüße
    Sr. Edith

  2. Birgit Droesser sagt:

    Ohne Vorbehalt und ohne Sorgen
    leg ich meinen Tag in deine Hand.
    Sei mein Heute, sei mein gläubig Morgen,
    sei mein Gestern, das ich überwand.

    Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen –
    bin aus deinem Mosaik ein Stein.
    Wirst mich an die rechte Stelle legen –
    deinen Händen bette ich mich ein.

    Edith Stein zugeschrieben: gefunden in Magnificat August 2016

  3. clara a sancta abraham sagt:

    Danke Frau Droesser!

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