Nicht ohne die Hilfe der heiligen Geistkraft – 18. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 12
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
13 Es sprach aber einer aus seinem Volk zu Jesus : „Lehrer, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen!“
14 Er sagte zu ihm: „Mensch, wer hat mich zum Richter und Erbteiler über euch eingesetzt?“
15 Darauf sagte er zu ihnen: „Seht zu und hütet euch vor aller Habgier. Denn ihr lebt nicht davon, dass ihr viele Güter besitzt.“
16 Er gab ihnen einen Vergleich: „Das Land eines reichen Mannes hatte gut getragen.
17 Und er dachte bei sich: Was soll ich machen? Ich habe nichts, wo ich meine Früchte anhäufen könnte.
18 Und er sagte: Ich will es so machen: Ich werde meine Scheunen abbrechen und größere bauen und dort all mein Getreide und meine Güter anhäufen.
19 Und dann werde ich zu mir sagen können: Mensch, du hast viele Güter daliegen; auf viele Jahre hin. Ruh dich aus, iss, trink und sei fröhlich.
20 Gott aber sagte zu ihm: Du Narr, in dieser Nacht verlangen sie dein Leben von dir. Und wem wird dann das gehören, was du dir bereitgelegt hast?
21 So frage ich dich, ist, wer Schätze für sich anhäuft, auch reich im Hinblick auf Gott?“

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindeseelsorge, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Nicht ohne die Hilfe der heiligen Geistkraft

Liebe Leserin, lieber Leser,
in der Jugendbewegung der 70er Jahre wurde dieses Lied oft gesungen:
„In Ängsten, die einen, und die andern leben, und die andern leben und sie leben nicht schlecht. Im Hunger, die einen, und die andern leben, und die andern leben, die Hungernden leben schlecht. Kyrie, Kyrie eleison, Herr, guter Gott, erbarme dich …“ – erinnern Sie sich? Die einen und die anderen: diese Situation gab es auch im von Aufständen und Gewalt geplagten Galiläa und in den anderen Provinzen zur Zeit Jesu. Wir stellen uns die Lebensbedingungen damals oft viel zu harmlos vor. Immerhin hat Jesus in einem von den Römern besetzten Land gelebt mit allen Folgen, die das mit sich gebracht hat. Die einen und die anderen heute: damit meine ich die Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Elend und auf der anderen Seite uns und alle, die in Wohlstand und Sicherheit leben und weiterhin leben wollen.

Im Evangelium warnt uns Jesus: Hütet euch vor aller Habgier! Wir sind gerade umgezogen und da hatte ich in der letzten Zeit viel mit Handwerkern zu tun. Ein Spruch, den ich von ihnen ein paar Mal gehört habe, heißt: „Haben kommt von nichts geben.“ Sie gehören nicht zu den Großverdienern und erleben einen knauserigen Chef oder Leute, die kein Trinkgeld geben. So war der Spruch gemeint. Um zu verstehen, was Jesus mit Habgier meint, brauchen wir nur den Vergleich anzuschauen, den er wählt. Da heißt es: Das Land eines reichen Mannes hatte gut getragen. Er hat also eine gute Ernte eingefahren, Ergebnis seiner und seiner Leute Arbeit, sicher, aber doch vor allem – ganz neutral gesprochen – Geschenk der Natur. Und was tut er? Er überlegt, wie er mit diesen Schätzen am besten umgehen kann und wie er sein gutes Leben künftig noch schöner gestalten könnte. Aber: kein Gedanke daran, dass neben ihm und seiner Sippe es vielleicht andere Menschen gibt, die in Armut sind, dass es seine Pflicht sein könnte, vom eigenen Reichtum abzugeben. Habgier bedeutet also: I c h will haben und die anderen, die vor meiner Tür leben, sind mir egal. Es geht mir nur um meine eigene kleine Welt und ein immer mehr und mehr an Besitz.

Hütet euch vor aller Habgier! Habgier – ich doch nicht, denken Sie vielleicht. Doch wenn wir uns ehrlich selbst betrachten, so werden wir feststellen auf wieviel Haben wir nicht verzichten wollen: ausreichendes Einkommen, ein schönes Heim mit all den tausend Dingen, die uns wichtig sind, die eigene Familie, Gesundheit, eine gute Zukunft für die Kinder, vor allem eine Leben in Sicherheit. Für dieses Haben-Wollen, das wir für ganz selbstverständlich halten, klingt Habgier eindeutig zu negativ. Wie aber ist es, wenn Politiker in diesen Tagen von „unserem Land“ sprechen, in dem sich alle Ankommenden an seine Regeln zu halten haben? Tun das die Einheimischen immer und in jedem Fall? Dann wäre die Justiz nicht so überlastet. Es klingt für mich schon sehr danach: in Armut, Elend und Verfolgung die einen – und wir, die anderen, leben und wir leben nicht schlecht. Und wer da in „unser Land“ kommen darf, das muss genau überlegt sein. Wenn die Flüchtlinge dem Wachstum unserer Wirtschaft gut tun, sind sie willkommen, aber wehe, es gibt Probleme.

Habgier fängt da an, wo Menschen ein Anrecht auf Wohlergehen zu haben meinen und nicht geben wollen; wo sie nicht verstehen wollen, dass alle auf dieser Erde Gottes Geschöpfe sind, seine Kinder, denen er die Erde anvertraut hat, eine Welt, ein Haus für alle Menschen. Wie seit dem letzten Krieg nicht mehr spüren wir in diesen Wochen, wie schwierig, mit Problemen beladen das Zusammenleben ist, in dem die einen haben und die anderen Anteil daran haben wollen. Kanzlerin Merkel hat im Sommerinterview gestern von einer „historischen Aufgabe“ gesprochen. In Gottes Augen jedenfalls ist das Zusammenleben aller Menschen ein „Muss“, egal wie schwierig es ist. Ich denke, dass unser Hauptfehler darin liegt, dass wir meinen, es alleine schaffen zu können. Und das können wir nicht, wir können die riesigen Probleme nicht ohne Gottes Hilfe bewältigen, nicht ohne das Erbarmen Gottes, nicht ohne die Hilfe der heiligen Geistkraft.

Manche kennen vielleicht noch von früher das öffentliche „Schweigen für den Frieden“. Es wurde von Menschen aller Weltanschauungen getragen. Für Christen war es beten. In welcher Form auch immer: Wir brauchen das Gebet um Kraft in Zeiten des Schreckens, um Mut und Einsicht, um Hilfe für die Menschen mit schwersten Erfahrungen, um Zusammenhalt und Vertrauen. In unserem Bibel-teilen-Kreis in Bieringen haben wir schon im Winter darüber gesprochen und das Anliegen an den Priester gerichtet, in jedem Gottesdienst auf unabsehbare Zeit eine Bitte einzufügen für die Menschen auf der Flucht und alle, die sich um sie kümmern. Einmal wurde die Bitte vorgetragen, um dann in der Vergessenheit zu verschwinden. Die Gemeinde dort hat schon länger keinen Pfarrer mehr, niemand, bei dem ein solches Anliegen gut aufgehoben wäre. Wir sollten aber nicht aufhören, darüber nachzudenken und entsprechende Schritte in die Wege zu leiten, dass das Thema Flucht und ihre Ursachen, das Zusammenleben von Menschen mit hochproblematischen Erfahrungen und ganz verschiedener Herkunft, Tradition und Religion unser intensives Gebetsanliegen wird. Das gemeinsame Beten miteinander und füreinander wird uns tragen und verändern, wird uns Ausdauer und Kraft geben. Schließlich hat uns Jesus die heilige Geistkraft versprochen, wenn wir darum bitten. (Siehe die Predigt vom letzten Sonntag.) Die Zeichen der Zeit heißen: Kümmert euch, umeinander, um die Fremden im Land!

„In Ängsten die einen, und die andern leben und sie leben nicht schlecht: Herr, guter Gott, erbarme dich!“ Das ist vor allem wichtig! Amen

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Eine Antwort auf Nicht ohne die Hilfe der heiligen Geistkraft – 18. Sonntag im Jahreskreis C

  1. clara a sancta abraham sagt:

    Die „heilige Geistkraft“, die in Frage stellt, kam ja bei Kohelet vor – sie verunsichert, macht aber das Aufbrechen aus alten Denkmustern erst möglich.
    Ich habe bei Kohelet gestern an „Die Brück am Tay“ gedacht und zitiert „Tand, Tand, ist das Gebilde von Menschenhand“. Meine älteren Mitbetenden haben mit mir zitiert.
    Was bleibt?
    Es bringt ja auch keine Zinsen mehr, Geld zu sparen. Also ab in den Egoismus?
    Nein, das teilen, was geht: sei es ein Gebet, sei es im Zuhören, sei es im Schweigen, dann macht die Ernte, die mir Gott geschenkt hat, Sinn, dann ist ein Lächeln der schönste Zinsertrag :-)
    Clara

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