Wiedergefunden und vollendet – Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel am 15. August

Erste Lesung aus der Johannesoffenbarung, Kapitel 11 und 12
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
19a Gottes Tempel im Himmel wurde geöffnet. Gottes Bundeslade zeigte sich in Gottes Tempel.
1 Ein großes Zeichen erschien im Himmel, eine Frau, mit der Sonne bekleidet, unter ihren Füßen der Mond, auf ihrem Kopf ein Kranz von zwölf Sternen.
2 Sie war schwanger, schreit in Wehen, gequält zu gebären.
3 Ein anderes Zeichen erschien im Himmel, da! ein großer feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner hatte, auf seinen Köpfen sieben Diademe,
4 und sein Schwanz zieht ein Drittel der Sterne des Himmels hinter sich her und warf sie auf die Erde. Der Drache stellte sich vor die Frau, die gebären sollte, um, wenn sie geboren hätte, ihr Kind aufzufressen.
5 Sie gebar ein männliches Kind, das alle Völker mit eisernem Stab weiden sollte. Ihr Kind wurde zu Gott und Gottes Thron hin fortgeführt.
6a Die Frau floh in die Wüste, dorthin, wo sie einen Ort fand, von Gott bereitet.
10 Ich hörte eine mächtige Stimme im Himmel sagen: „Jetzt ist die Rettung eingetroffen, die Macht und die Königsherrschaft unseres Gottes, die Herrschaft von Gottes Gesalbtem, denn der Ankläger unserer Geschwister, der sie vor Gott Tag und Nacht anklagt, ist hinausgeworfen worden.“

Autorin:
_MG_7932-web Birgit DroesserBirgit Droesser, Pastoralreferentin, war tätig in der Gemeindeseelsorge, in der Klinikseelsorge und im Theol. Mentorat Tübingen

 
Die Predigt:
Wiedergefunden und vollendet

Liebe Leserin, lieber Leser,
das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel klingt für mich ein bisschen nach Allerheiligen. Auch da – zwar in einer ganz anderen Jahreszeit und in der Verbindung mit dem Fest Allerseelen – geht es um das Ankommen bei Gott und um alle, die uns in die ewige Herrlichkeit vorausgegangen sind. Sagt das Dogma, Maria sei mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden, da etwas anderes, etwas darüber hinaus? In der Malerei und in der Marienfrömmigkeit, wie z.B. im glorreichen Rosenkranz, wird die Aufnahme Mariens in den Himmel sehr oft mit dem Motiv ihrer Krönung zur Himmelskönigin verbunden. Jesus Christus ist es, der die Krönung vornimmt. Ich verstehe es so, dass es am heutigen Fest um die ganz besondere Beziehung zwischen Jesus Christus und Maria, seiner Mutter, geht.

Was im Innersten zusammengehört, wird in Ewigkeit nicht getrennt werden. Maria musste ihren Sohn loslassen, leiden und sterben sehen, betrauern, auch wenn sie seine Auferweckung erleben durfte und durch die Geistkraft Gottes einen Sinn in diesem Drama erkennen konnte. Trotzdem, er war ihr „fortgenommen“. Dazu passt ein kleines Gedicht von Rainer Maria Rilke, das manchmal auf Trauerkarten zu finden ist. Es lautet:

Wenn etwas uns
fortgenommen wird
womit wir tief
und wunderbar
zusammenhängen
so ist viel
von uns selber
mit fortgenommen.

Gott aber will
dass wir uns
wiederfinden
reicher um alles
Verlorene
und vermehrt um
jenen
unendlichen
Schmerz.

Maria durfte in ihrem Sterben den Sohn Jesus, den Christus, im Himmel wiederfinden. Und auch für ihn hat damit die Zeit der Trennung geendet. Als die Mutter und Persönlichkeit, die Maria in ihrem Erdenleben war, wurde sie in die Gegenwart ihres Sohnes aufgenommen, als vollendeter Mensch, für immer. So kann ich das kirchliche Dogma verstehen auch als Hoffnungszeichen für alle Menschen, früh oder spät vollendet, dass wir einmal Gott ganz nah sein dürfen zusammen mit den Menschen, zu denen wir innerlich eine starke, unlösbare Beziehung im Leben hatten, wie Eltern, die ihre Kinder verloren haben, oder Liebende, die einander hergeben mussten.

Das heutige Fest entstand aus dem Glauben der Kirche, wie er sich schon in den ersten Jahrhunderten entwickelt hat. In der Bibel steht nichts davon. Das merkt man an den Texten aus dem zweiten, dem neuen Testament, die für den heutigen Tag ausgewählt wurden. An der ersten Lesung aus der Johannesoffenbarung gefällt mir besonders die Bildsprache: ein großes Zeichen im Himmel, eine Frau mit der Sonne bekleidet, unter ihren Füßen der Mond, auf ihrem Kopf ein Kranz von zwölf Sternen. So wurde Maria oft in der Kunst dargestellt. Auch die Schlange unter ihren Füßen stammt aus der Johannesvision. Der gewaltige Drache nämlich, der das Böse symbolisiert, wird wenige Verse später als Schlange bezeichnet. Beide sind ein- und dasselbe. Diese Motive haben die Kunst stark inspiriert. Bestimmt kennen Sie eine Kirche mit einer Mariendarstellung im Sternenkranz, Mond und Schlange unter ihren Füßen. Allerdings wird Maria stets als Jungfrau aufgefasst und verehrt, womit ich ehrlich gestanden bis in mein heutiges Alter nur insofern etwas anfangen kann, wenn mit Jungfräulichkeit gemeint ist, als Frau ein selbstbestimmtes Leben zu führen, das sich nicht daran orientiert, den Männern zu gefallen, Jungfräulichkeit als Gegenpol zur sexistischen Darstellung der Frau in der Werbung z.B. Die Johannesvision zeichnet Maria nicht besonders, sondern ganz einfach als eine Frau in den Geburtsqualen wie alle Mütter der Menschheit. Das Kind wird ihr dazu noch weggenommen. Sie selber muss fliehen, wird vielen Gefahren ausgesetzt, aber auf wunderbare Weise bewahrt.

Ja, ich verehre sie, Maria, die Frau und Mutter, vollendet bei Gott nach einem äußerst harten Leben, und glaube, dass wir sie in jeder Notlage anrufen und ansprechen können. Dabei ist mir durchaus klar, wie die weibliche Dimension Gottes sich in der Frömmigkeit zu Maria verlagert hat, während Gott doch fast immer männlich gedacht wird: „Vater unser“…, obwohl wir alle wissen, dass Gott über den Geschlechtsunterschieden steht, schuf er doch Mann und Frau als sein Ebenbild.

Jedes Fest braucht auch eine Ausdrucksform, wie wir es feiern können, am besten ein Ritual. Für das Fest Mariä Himmelfahrt ist das die Weihe der Kräuterbuschen. Der Kräuterbuschen hat eine lange Tradition und wird nach alter Überlieferung aus Heil- und Gewürzpflanzen gebunden. Meist thront eine Königskerze in der Mitte und rundherum finden sich viele altbewährte Heilpflanzen wie zum Beispiel: Betonie, Dost, Eisenkraut, Frauenmantel, Johanniskraut, Kamille, Rainfarn, Schafgarbe, Wermut oder Raute. Auch etwas Stacheliges, eine Distel oder Weberkarde, sollte dabei sein, um Wehrhaftigkeit auszudrücken und zu unterstützen. In alter Zeit galten die stacheligen Pflanzen als „Mahrensitz“. Der Mahr, ein Alp oder böser Geist wurde nach damaliger Meinung von den Stacheln aufgespießt und konnte so Mensch und Vieh nichts mehr anhaben. Auch die Zahl der Pflanzen spielte eine Rolle. Gerne wurden magische Zahlen verwendet: 7 oder 9 verschiedene Pflanzen oder sogar 77. Der Kräuterbuschen wird im Himmelfahrtsgottesdienst geweiht, anschließend hängend getrocknet und im bäuerlichen „Herrgottswinkel“, beim Kreuz oder einem Marienbild aufgestellt. (Quelle: Zeitschrift kraut&rüben, August 2005)

Kräuterbuschen (3)

Dieses schöne Brauchtum macht Freude am Fest Mariä Himmelfahrt. Es spricht alle Sinne an und unterstreicht, wie wohltuend und hilfreich die Verehrung der Mutter Jesu und himmlischen Frau für uns sein kann.

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Eine Antwort auf Wiedergefunden und vollendet – Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel am 15. August

  1. Walter sagt:

    Nischenkult…
    ist nicht die „Offenbarung “ mit anschliessender Dogmatisierung des Marienbildes die missglückte (s. Hexenverfolgung) Folge der „christlichen Umdeutung“ des damals weitverbreiteten matriarchalischen Kybele-und Attiskults (s.Wikipedia) ?

    Feminismus,New Age,Esotherik geben diesem wieder sein neues-altes- matriarchalisches Gesicht, dem die „Kirche“ nichts entgegenzusetzen hat :
    die „Herr- schaften “ verschlafen lieber den Exodus der Frauen…

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