Siehst du mich? – 12. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel
In jener Zeit, als
18 Jesus einmal in der Einsamkeit betete, und die Jüngerinnen und Jünger bei ihm waren, fragte er sie: Für wen halten mich die Leute?
19 Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.
20 Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Messias Gottes.
21 Doch er verbot ihnen streng, es jemand weiterzusagen.
22 Und er fügte hinzu: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen.
23 Zu allen sagte er: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
24 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.

Autorin:
P6093807Maria Lerke, Pastoralreferentin, Seelsorgeeinheit Winnenden – Schwaikheim – Leutenbach

 
Die Predigt:
Siehst Du mich?

Liebe Leserin, lieber Leser
„Oe-l nga-ti“
Wenn Sie die Na`vi Sprache kennen, dann wissen Sie, dass das „Ich sehe Dich!“ heißt. Diese Sprache wurde extra für den Film Avatar entwickelt. Mit diesem „Oe-l nga-ti“ begrüßen sich die Einwohner des Mondes Pandora. Im Film selbst wird erklärt, dass diese drei Wörter viel mehr bedeuten, als nur „ich sehe Dich“. Damit ist auch gemeint: „ich sehe in Dich hinein“ oder noch deutlicher: „ich nehme Dich wahr“ – besonders liebevoll sagen das im Film Neytiri und Jake, eine Liebeserklärung, die unter die Haut geht!

Ihr aber – für wen haltet ihr mich?“ – Als Jesus diese Frage an seine engsten Jüngerinnen und Jünger stellt, will er sicherlich mehr hören, als nur das, was die Leute halt so sagen. Er fordert sie heraus, genauer hinzusehen und Stellung zu beziehen. Sicherlich hat Lukas diese Frage Jesu ganz bewusst an diese Stelle seines Evangeliums gestellt. Gerade erst hatten die Jüngerinnen und Jünger gesehen, wie Jesus 5000 Mann satt machte, obwohl nur zwei Fische und fünf Brote da waren – es blieben sogar noch zwölf Körbe voll übrig! Noch ganz gefangen von dieser Hochstimmung gibt Simon Petrus dann auch seine Antwort: „Du bist der Messias Gottes“, damit bekennt er: Du kommst von Gott; du bist der Retter und Erlöser, in dir ist Gott auf der Erde erschienen: Du bist das Heil!

Für die Menschen zurzeit Jesu war völlig klar, wer der Messias war und was der zu tun hatte: Der Messias sollte die Römer aus dem Land jagen, er sollte Israel wieder so groß machen wie zu Zeiten König Davids. Vom Messias wurde erwartet, dass er das Volk Gottes endlich wieder in eine glorreiche Zukunft führt! Petrus dachte beim Wort „Messias“ wohl genau an diese Dinge, doch als dann alles zusammenzubrechen drohte und der Kreuzweg begann, gelang ihm nur noch: „Ich kenne diesen Menschen nicht!“ Für wen haltet Ihr mich? Wer ist Jesus für uns? Antworten wir nicht zu schnell, schauen wir genauer hin!

Jesus hat versprochen und die Menschen spüren lassen, dass er uns die Fülle des Lebens bringt. Was Jesus darunter versteht, lässt er uns in seinen Wundern immer wieder erfahren. Jesus hat uns zugesagt, dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist und dass alle, die sich an ihn halten, die ihm folgen, dieses Ziel nicht verfehlen können. Auch heute gibt es diese „Leben-in-Fülle“ Ereignisse – wir brauchen nur auf die Laola-Wellen der Katholikentage schauen oder an die vielen „Geistesblitze“, die uns tagtäglich geschenkt werden. Aber Jesus will nicht, dass die Menschen ihm nur deshalb nachlaufen, weil er so wunderbare Dinge vollbringen kann. Sie sollen genauer hinschauen! Jesus hat nie versprochen, dass der Himmel für seine Anhänger immer voller Geigen hängt.

Im Gegenteil! Jesus ist es viel wichtiger, dass die Menschen seine wahre Sendung erkennen: Er ist gekommen, um die Menschen zu erlösen – und dazu will er sie wieder zu Gott zurückführen. Er ist nicht da, um ihnen jeden Tag den Brotschrank zu füllen; vielmehr will er den Menschen das Heil Gottes schenken. Die Jüngerinnen und Jünger – und sicher auch wir, sollen uns keine falschen Hoffnungen machen. Und so fügt der Evangelist gleich diese harten Worte vom Kreuztragen und vom Sterben hinzu: Wer mir folgen will, verleugne sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich… Wer sein Leben retten will, der wird es verlieren.

Das muss wie eine eiskalte Dusche auf die Jüngerschar damals gewirkt haben! Auch für uns ist dies ein Satz, mit dem wir uns schwer tun. Es ist uns schon bewusst, dass wir als Christen Jesus nachfolgen, unseren Lebensweg mit Jesus gehen sollen. Solange es uns gut dabei geht, ist ja auch alles bestens. Da glauben wir ja auch, Jesus gut zu kennen. Wie ist das aber auf den harten und steinigen Wegstrecken, vor denen wohl niemand verschont bleibt? Wenn ich mich nicht mehr auskenne, wenn ich mich von Gott und der Welt verlassen fühle – wie sehe ich Jesus dann?

Vielleicht haben Sie das bei sich auch schon erlebt: Wir leben ja meistens auf ein Ziel hin und hoffen, dass es danach viel besser sein wird, wenn wir das Ziel erreicht haben. Sei es der Führerschein, die Hochzeit, oder das Haus, oder eine Prüfung… Viele unsrer jungen Menschen sind ja gerade an so einem Ziel angekommen – Das Abitur! Sie hoffen, dass nach dem Abi erst mal alle Mühen und Plagen vorbei sind – dann beginnt das Leben – die große Freiheit. Ein wunderbares Hochgefühl, das auch gerne ein paar Tage anhalten darf – aber spätestens dann, wenn die Bewerbung zur Uni raus muss, oder die Ausbildung beginnt, dann spüren die jungen Leute, dass der Weg auch weiterhin steinig werden kann – das Abi war eben nur ein „Etappensieg“.

Die Menschen zurzeit Jesu waren da nicht anders, auch sie träumten von diesem einen großen Ereignis. Wenn er endlich kommt, der Messias, dann sind alle Schwierigkeiten aus der Welt. Nur noch auf dieses eine Ereignis warten und alle Ungerechtigkeit, alle Not, alles Leid, alle Probleme wären gelöst. E i n Ereignis und wenn das eintritt, dann läuft das Leben wie von selbst.

Vielleicht verbietet Jesus genau deshalb Petrus und seinen Jüngerinnen und Jüngern, von ihm als Messias zu sprechen. Wer sich ausgerechnet hatte, dass durch seine Ankunft alle Probleme gelöst wären, Gott selbst die Dinge in die Hand nehmen und nichts mehr schief gehen würde, der hatte sich gewaltig geirrt. So arbeitet Gott nicht. Er hat uns kein Schlaraffenland versprochen! Er nimmt uns das Leben nicht aus der Hand! Gott nimmt uns das Leben nicht ab. Solange wir in dieser Welt zuhause sind, müssen wir es schon selber leben. Aber er bietet uns seine Hand an. Er zeigt uns, wie wir Entscheidungen treffen können, er lässt uns erkennen, was wichtig und wesentlich ist und hilft uns so, die Probleme zu lösen, die Kreuze zu tragen. Er hilft und führt uns, leben aber müssen wir schon selber.

Die Frage bleibt offen, warum Jesus damals nur so wenige Menschen geheilt hat, warum er nur so wenigen helfen konnte, warum er nur diese drei Jahre hatte, um die frohe Botschaft vom Reich Gottes in die Welt zu bringen. Wenn wir nur diese Seite vom Leben und Wirken Jesu sehen, dann können wir eigentlich nur enttäuscht reagieren. Unser Glaube sagt aber, dass Jesus mehr ist, als nur ein Messias für Sonnenstunden. Er ist auch mehr als ein perfekter „Gut-Mensch“, oder ein hochbegabter Prediger, oder ein genialer Reformer. Jesus hat sich ganz hingegeben. Das ist es, was ihn letztlich ausgemacht hat.

Sich ganz hingeben – wenn wir so „Nachfolge“ verstehen, dann bekommt die Aufforderung, „sich selbst zu verleugnen“ auch einen anderen Sinn. Jesus verlangt nicht, dass wir unsere eigenen Wünsche, unsere Sehnsüchte, unser Verlangen verleugnen und womöglich in eine Rolle schlüpfen, die andere von „frommen Christen“ ja schließlich erwarten. Wir müssen die Kreuze nicht suchen! Aber wer sich mit Jesus auf den Weg macht, muss damit rechnen, dass auch dann, wenn der Weg mit Jesus zum Kreuzweg wird, er selbst an unserer Seite bleibt. Er geht den ganzen Weg mit und deshalb werden wir auch durchs tiefste Dunkel hindurch ins Leben geführt. Jesus will uns vielmehr die Angst vor den Kreuzen unseres Lebens nehmen indem er sagt: Ich bin bei euch, alle Tage eures Lebens; mit mir kommt ihr zum Ziel; ich selbst bin ja der Weg!

Jesus kennenlernen, ihn wirklich sehen bedeutet dann: in der Hoffnung und in der Liebe wachsen, auch dann, wenn mein Leben anders verläuft, als ich mir das erhofft habe. Der Herr traut es uns zu! Er ruft uns, wie er das Leben anzunehmen, auch dann wenn der Wille Gottes unsere Pläne durchkreuzt. Er fordert uns heraus, ihn zu sehen, ihn zu erkennen in jedem Wort, das uns wie eine frohe Botschaft wieder heil werden lässt, er macht uns Mut ihn wahrzunehmen, in all den Menschen, die Hilfe brauchen. Er führt uns zum Leben, wenn wir spüren dürfen, dass wir gebraucht werden und unser Tun im Sinne Jesu Kreise zieht. Er lädt uns ein, ihn zu schauen im Brot des Lebens, das er uns zur Nahrung gibt, damit wir ihm nachfolgen können ins Leben.

„Oe-l nga-ti“ – Danke, dass Du mich siehst, hilf mir, Dich in meinem Leben wahrzunehmen. AMEN

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Eine Antwort auf Siehst du mich? – 12. Sonntag im Jahreskreis C

  1. clara a sancta abraham sagt:

    Ich möchte Petrus so gerne fragen, wer denn der Messias für ihn sei – zu dem er sich bekannte, als den er Jesus erkannte. Welche Vorstellung hatte er dabei, als er sagte: Du bist der Messias.
    Ein erster Geistesblitz von oben?

    Clara

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