Gott macht würdig – 9. Sonntag im Jahreskreis C

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 7
In jener Zeit,
1 als Jesus seine Rede vor dem Volk beendet hatte, ging er nach Kafarnaum hinein.
2 Ein Hauptmann hatte einen Diener, der todkrank war und den er sehr schätzte.
3 Als der Hauptmann von Jesus hörte, schickte er einige von den jüdischen Ältesten zu ihm mit der Bitte, zu kommen und seinen Diener zu retten.
4 Sie gingen zu Jesus und baten ihn inständig. Sie sagten: Er verdient es, dass du seine Bitte erfüllst;
5 denn er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut.
6 Da ging Jesus mit ihnen. Als er nicht mehr weit von dem Haus entfernt war, schickte der Hauptmann Freunde und ließ ihm sagen: Herr, bemüh dich nicht! Denn ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst.
7 Deshalb habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen. Sprich nur ein Wort, dann muss mein Diener gesund werden.
8 Auch ich muss Befehlen gehorchen und ich habe selber Soldaten unter mir; sage ich nun zu einem: Geh!, so geht er, und zu einem andern: Komm!, so kommt er, und zu meinem Diener: Tu das!, so tut er es.
9 Jesus war erstaunt über ihn, als er das hörte. Und er wandte sich um und sagte zu den Leuten, die ihm folgten: Ich sage euch: Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden.
10 Und als die Männer, die der Hauptmann geschickt hatte, in das Haus zurückkehrten, stellten sie fest, dass der Diener gesund war.

Autorin:
Dr. Ulrike AltlherrDr. Ulrike Altherr, Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Guter Hirte – Kolumban in Wendlingen mit Oberboihingen und Köngen mit Unterensingen, verheiratet, eine Tochter

 
Die Predigt:
Gott macht würdig

Liebe Leserin, lieber Leser,
„Exclusiver Club!“ „Nur für Mitglieder“ – ist häufig zu lesen, sei es in realen oder virtuellen Räumen. Es gibt Hürden, um hineinzukommen: Türsteher, Eintrittszahlungen, Anmeldung…. Nur wer da besteht, ist würdig irgendwo einzutreten. Kinder und Jugendliche fordern Mutproben, dass jemand bei ihnen mitspielen, im Club mitmachen darf. Immer muss jemand beweisen, dass er oder sie würdig ist, dazuzukommen oder die Mitglieder von bestehenden Clubs entscheiden, wer würdig genug für sie ist.

Manches Mal ordnen sich Menschen selbst so ein, dass sie nicht würdig sind, irgendwo dazuzugehören. So wie der römische Hauptmann im Evangelium. Er war Chef der örtlichen Besatzungstruppe von Kapharnaum, ein Römer, aus jüdischer Sicht ein Heide, mit dem man sich nicht einlassen darf, weil man sonst unrein wird. Dieser Offizier scheint aber dem Judentum durchaus zugeneigt gewesen zu sein. Er hat jüdische Freunde und als sein Diener krank wird, erinnert er sich an Jesus, diesen besonderen Rabbi, von dem er gehört hat, dass er gesund machen kann. Er schickt zu ihm und bittet für seinen Knecht, dass Jesus ihn heilen soll. Er muss entweder verzweifelt genug oder vertrauensvoll genug gewesen sein, um die Grenzen seiner Religion zu überschreiten, um sich an Jesus zu wenden.

Und auch Jesus überschreitet Grenzen. Er lässt sich holen und kommt zum Haus des römischen Hauptmanns, überschreitet eine Grenze und lernt: Gottes Heil, Gottes Reich ist nicht auf Mitglieder des jüdischen Volkes beschränkt.

Trotz oder gerade wegen seines hohen Ranges sagt der römische Hauptmann: „Herr, bemüh dich nicht! Denn ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst. Deshalb habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen. Sprich nur ein Wort, dann muss mein Diener gesund werden.“ Er gibt Jesus den höheren Rang, obwohl er als Hauptmann der Besatzungstruppe militärisch das Sagen hätte. Er würdigt Jesus als Juden, der nicht das Haus eines Nichtjuden betreten darf, ohne sich unrein zu machen. Diese Sätze zeigen einerseits die Demut des Hauptmanns und andererseits sein großes Vertrauen in die Macht Jesu. „Nur ein Wort“, ein kurzer Befehl und alles, was Jesus will, geschieht; so stellt sich der Hauptmann das in Analogie zum römischen Militär vor, wo alles auf Befehl und Gehorsam aufgebaut ist. Und Jesus würdigt seinen Glauben und fast nebenbei geschieht auch das Wunder. Als die Männer ins Haus zurückkehren stellen sie fest, dass der Diener gesund ist.

Diesen Satz des römischen Hauptmanns sprechen wir leicht verändert in fast jedem Gottesdienst vor der Kommunion: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach. Aber sprich nur ein Wort und es wird gesund meine Seele.“ Kurz bevor man Gott in Gestalt des Brotes empfangen darf, noch einmal die Erkenntnis der eigenen Unwürdigkeit, gepaart mit Vertrauen auf seine Macht. Jahrhunderte haben die Menschen dies gesprochen. Sie haben dabei beides gemeint: auszudrücken wie unwürdig, klein und sündig vor Gott und im Vergleich zu Gott doch jeder Mensch ist und die andere Seite, dieses Sprich nur ein Wort… in der Überzeugung, dass Gott dieses Wort bereits gesprochen hat und immer wieder spricht und alles gut macht.

Wie viele Menschen fühlten und fühlen sich nichts wert, nicht tüchtig genug fürs Leben, nicht geliebt, nicht willkommen in ihrem Umfeld und tun alles Mögliche, um wichtig und würdig zu sein. Und die Kirche hat oft dazu beigetragen, den Menschen ihre Unwürdigkeit einzubläuen, auch um sie kleinzuhalten, dass sie sich den Lehren und Verhaltensmaßregeln unterwerfen. Wer sich unwürdig fühlt, hat immer Angst hat. Er oder sie ist angewiesen darauf, dass andere ihm oder ihr die Würde zubilligen. Das mach abhängig. Frauen wurde ihre Unwürdigkeit immer noch mehr zugesagt als Männern: unwürdig, den Mund aufzumachen, unwürdig, gehört zu werden, unwürdig für die meisten Berufe, nicht würdig für Ämter in der Kirche…. Deswegen bleibt gerade vielen Frauen dieser Satz „Herr, ich bin nicht würdig…“ im Hals stecken.

Ich kann ihn nur deswegen gut sprechen, weil er die Fortsetzung hat: Sprich nur ein Wort… Denn ich bin überzeugt, dass Gott dieses eine Wort, das zur Gesundheit zum Heil führt, gesprochen hat und immer wieder spricht für jede und jeden. Und dann kann ich auch den ersten Satz voller Überzeugung mitsprechen. Gott ist so groß und anders im Vergleich zu jedem Menschen, dass ich vor ihm wirklich nicht würdig bin. Es darf aber nicht sein, dass Menschen daraus schließen, sie selbst oder – fast noch schlimmer – andere seien nicht würdig. Niemand braucht sich klein zu machen vor Menschen, niemand darf andere klein machen. Als Mensch an sich ist niemand vor Gott würdig. Aber Gott hat uns ge-würd-igt: jeden und jede von uns.

Vielleicht können wir daraus Konsequenzen ziehen. Vielleicht könnten wir aufhören, andere herabzuwürdigen, damit Schluss zu machen, der einen weniger Würde zuzusprechen als dem anderen. M. E. sind die vielen Flüchtlinge gut geeignet, miteinander einzuüben, was es ganz praktisch heißen kann, dass jemand aus einem ganz anderen Kulturkreis, mit geringen Deutschkenntnissen die gleiche Würde hat wie ein angesehener, reicher Bürger hier in Deutschland. Also warum nicht mit so jemandem reden, ihm oder ihr eine Chance geben, hier heimisch zu werden…. ihm oder ihr eine Wohnung vermieten…Ihnen/Euch fallen vermutlich noch ganz andere Beispiele ein….Wie wäre es, wenn wir ganz konkret, den Menschen, der uns als nächster begegnet und den wir vielleicht nicht leiden können, würdigen würden?…Wir brauchen nicht ängstlich darauf bedacht sein, dass wir von anderen genug gewürdigt werden. Denn als Anhänger und Anhängerinnen Jesu können wir i h m die Macht zutrauen, dass er nur ein Wort sprechen muss und wir gesund an Leib und Seele werden.

Vor Gott sind wir alle nicht würdig, untereinander aber schon. Kirche, beziehungsweise Gemeinde ist kein exklusiver Club, für den man würdig sein muss, um Zutritt zu bekommen. Und wo wir das doch sind, ist es nicht „im Sinne des Erfinders“. Dann sollten wir das schleunigst ändern. Amen.

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2 Antworten auf Gott macht würdig – 9. Sonntag im Jahreskreis C

  1. Walter sagt:

    Die Macht über die Seelen…
    wo 95 % der Getauften sich der Kirche entziehen,handelt diese doch wohl nicht
    “ im Sinne des Erfinders“.
    Oder/und- der „Erfinder“ hält diese Kirche für „SEINER nicht würdig“…

  2. Walburga Rüttenauer-Rest sagt:

    „M. E. sind die vielen Flüchtlinge gut geeignet, miteinander einzuüben, was es ganz praktisch heißen kann, dass jemand aus einem ganz anderen Kulturkreis, mit geringen Deutschkenntnissen die gleiche Würde hat wie ein angesehener, reicher Bürger hier in Deutschland. “
    Dazu ein Erlebnis aus meiner Flüchtlingsarbeit. Seit 8 Monaten betreuen wir ( ich und ein Freundin) eine Afganische Frau mit vier Kindern (3Monate bis 15 Jahre alt). Ihnen wurde eine 3-Zimmerwohnung in einer Unterkunft zugewiesen.
    Sie erhielten gute Betten mit schönen Decken und Kissen. Der einziger Wunsch der Mutter war ein Teppich, der bald nachgeliefert wurde. Immer wenn ich sie besuchte, fand ich die Familie auf dem Boden. Stühle wurden auf den Flur gestellt- kein Bedarf.
    Auf dem großen Wohnzimmersofa saßen nur die Besucher.Blieben sie übernacht , schliefen diese in den Betten, die Familie lag in Decken gehüllt auf dem Boden.
    Zweimal kam ich relativ früh am Morgen zu ihnen und fand sie auch ohne Besuch ineinander gekuschelt auf dem Fußboden. Die Mutter blieb auch liegen, als ich ihr einen wichtigen Brief reichte, um die Kinder nicht zu wecken. Sie waren 3 Monate auf der Flucht gewesen und hatten Schlimmes erlebt. Sie brauchen die gegenseitige Körperberührung, um ihr seelisches Gleichgewicht wieder zu gewinnen. Ich habe hohe Achtung vor dieser Mutter gewonnen. Keine Therapeutin hätte einen besseren Rat geben können.

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