Du – Christi Himmelfahrt

Zweite Lesung aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus, Kapitel 1
Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache
17 Der Gott Jesu Christi, zu dem wir gehören und der Ursprung des Glanzes ist, möge euch Geistkraft der Weisheit und Offenbarung geben mit Gotteserkenntnis,
18 dass die Augen des Herzens erleuchtet seien, damit ihr versteht, worin die Hoffnung der göttlichen Berufung besteht, welch glänzender Reichtum in Gottes Erbteil unter den Heiligen ist
19 und was die überragende Größe der göttlichen Macht für uns, die Glaubenden, bedeutet, die der intensiven Wirksamkeit göttlicher Kraft entspricht:
20 Sie zeigte sich wirksam in dem Gesalbten, den sie von den Toten auferweckte und in den Himmelsräumen zu ihrer Rechten setzte (Psalm 110,1),
21 über jede Herrschaft und alle Gewalt und alle Macht und jedes Herrentum und alles, was sonst noch mit einem Namen angerufen wird, nicht nur in diesem Zeitalter, sondern auch in der Zukunft.
22 Und alles hat sie unter seine Füße gelegt (Psalm 8,7) und hat ihn als Haupt und Anfang über alles in der Gemeinde gegeben,
23 die sein Leib ist, die Fülle der göttlichen Kraft, die das All in allem erfüllt.

Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 24
46 Jesus erklärte seinen Jüngerinnen und Jüngern, was geschrieben stand, dass nämlich der Christus auf diese Weise leiden und am dritten Tage von den Toten auferstehen werde,
47 und dass auf seinen Namen hin Umkehr unter allen Völkern ausgerufen werden solle, um vom unrechten Tun abzulassen. „Fangt an in Jerusalem;
48 und seid dafür Zeuginnen und Zeugen.
49 Siehe, ich sende die Verheißung Gottes auf euch: Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.“
50 Er führte sie hinaus bis in die Nähe von Betanien und erhob seine Hände und segnete sie.
51 Während er sei noch segnete, entschwand er ihnen und wurde in den Himmel emporgehoben.
52 Sie warfen sich anbetend vor ihm nieder und kehrten mit großer Freude nach Jerusalem zurück.
53 Und sie waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

Autorin:
VMHEZ64LMaria Sinz, Gemeindereferentin, Aalen

 
Die Predigt:
Du

Liebe Leserin, lieber Leser,
nach der Zeit des Übergangs, 40 Tage nach Ostern, feiern wir Himmelfahrt. Himmelfahrt setzt ins Bild, was so schwer zu fassen ist. Die Berührung zwischen unsichtbarer Wirklichkeit und unserem konkreten, alltäglichen Leben. Jesus bekräftigt noch einmal : Bleibt euch treu. Ihr seid Zeugen. Bleibt in der Stadt, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe. Dann wird von seiner Himmelfahrt berichtet: er verließ sie und wurde in den Himmel emporgehoben.

Im Epheserbrief wird die unsichtbare Wirklichkeit in prächtige Worte gekleidet.
Schwärmerisch kommt er daher, dieser Text:
Glanz, Weisheit, Gotteserkenntnis.
Überragende Größe, göttliche Macht.
Himmelsräume, jetzt und immer.

Wovon – um alles in der Welt – spricht dieser Mensch? Wo in unserer Welt zeigt sich Gotteserkenntnis? In Aleppo? Sicher nicht. Überragende Größe Gottes lässt sich auch nicht daran ablesen wie Europa mit Flüchtlingen umgeht. Es ist schwer, solche Worte in unsere konkrete Wirklichkeit hinein zu sprechen. Auch der Dauerbrenner Steuerhinterziehung, sei es auf Panama oder anderswo, lässt Weisheit vermissen. Viele Beispiele ließen sich finden, die eher eine lebensfeindliche, zum System geronnene Haltung belegen als von Gottes Glanz träumen lassen.

Dennoch denke ich nicht, dass hier im Epheserbrief eine weltabgewandte, reine Innerlichkeit besungen wird, eine Innerlichkeit die dem Elend der erlebten Realität eine glanzvolle Traumwelt gegenüberstellt. Ich bleibe bei dem Gedanken, dass sich unsichtbare Wirklichkeit und konkretes Leben berühren.

Wovon also spricht der Text?
Mir fällt es leichter, statt von Glanz und Macht einfach von Du zu sprechen.
Was diese Worte überschwänglich auszudrücken versuchen, kann auch ganz schlicht in einem Wort zusammengefasst werden: Du. Christentum gründet sich, so habe ich vor wenigen Wochen – wie zum ersten Mal – gehört, auf die oder aus der persönlichen Beziehung zu Jesus Christus. Peng.
Nicht Schrift, nicht Katechismus, nicht Sonntagsgebote, nicht Philosophie noch Engagement für den Nächsten, was alles auch gut ist, nein eine persönliche Beziehung ist das Fundament.

Eleonore Beck spricht von der Sehnsucht nach dem verlorenen Du. Eine Sehnsucht, die ganz tief in unser Herz gelegt sei. Alltäglich, anschaulich und leise ist diese Sehnsucht von einem glaubenden Denker beschrieben:
Wenn Er ist, sieht er mich vielleicht an meinem Schreibtisch sitzen, wie ich hinter ihm her sinne – ohne Unterlass, und des Sinnens oft müde. Er muss es doch sehen, wie ich im Anblick eines Baumes, von einer plötzlichen Witterung seiner Nähe berührt, den Atem anhalte und stehen bleibe, auf den Fleck gebannt, wie einer, der eben „etwas“ gesehen oder von etwas, das er nicht sieht, gestreift worden ist. Vielleicht wird Er ein wenig Erbarmen mit mir haben.*

Die wirkliche Kunst ist, diese Sehnsucht überhaupt zu identifizieren, zu erkennen, ernst zu nehmen. Um ihr einen Platz in unserem Leben einzuräumen. Und ganz offensichtlich geht es nicht um irgendeinen Platz. Denn das Du ist über alles andere was sonst noch einen Namen hat in unserer Welt gestellt, alles ist unter seine Füße gelegt, es ist Haupt und Anfang, laut Epheserbrief. Klar, ganz einfach, es geht um Priorisierung.

Mal ganz im Vertrauen gesprochen: wie groß muss eine Sehnsucht sein, dass ich ihr den ersten Platz, die Priorität einräume? Wo es doch schon schwer genug ist, konkreten Menschen meine volle Aufmerksamkeit zu schenken? Den ersten Platz vor allem anderen; nicht irgendwie auch noch, nebenher, später vielleicht …

Es ist ein so kleiner Schritt, der es in sich hat: Zu dieser Sehnsucht stehen, vor mir selbst zunächst. Ich stehe zu der Hoffnung auf die intensive Wirksamkeit göttlicher Kraft. Bleibt bis ihr ausgerüstet seid mit Kraft aus der Höhe. Abwarten und Tee trinken? Nicht ganz. Eher ein bewusstes Nichts-Tun, lauschen und ausharren. Eine Zeit am Morgen oder am Abend, die der Beziehung gewidmet ist, der Sehnsucht nach dem Du. Auch dies ein kleiner Schritt. Ein bisschen Disziplin und Entschlossenheit genügen.

Mit diesem Schritt setze ich alles auf eine Karte. Ich setze darauf, was lediglich in der Schrift, in Jesus und dem Leben der Gemeinde, dies allerdings durch Jahrhunderte hindurch, bezeugt ist. Ich bekomme nichts dafür: Kein Geld, keine Gesundheit, kein Ansehen, keine guten Gefühle, keine Sicherheiten. Es geht auch nicht um eine Selbstoptimierungsstrategie, um fit und schön durch jeden Stress zu kommen. Es geht lediglich darum, zu meiner Sehnsucht nach dem Du zu stehen.

Es ist ein sehr einfaches Tun. Und was verändert sich dadurch? Das Gespür für schlichtes Dasein. Ein Zugang zur Gegenwart. Gegenwart ist das, was uns im digitalisierten Zeitalter, wo alles sofort und vieles gleichzeitig möglich scheint, am meisten abhanden kommt. Aufgeteilt in kleinste Einheiten von Projekt, Ausführung und Erfolgskontrolle, bleibt in der Zeit kein Platz für die Gegenwart. Eine Gegenwart ohne Inszenierung, ohne Event, ohne Getrieben-Sein, ohne narzisstische Geltungsansprüche.

Wenn ich der Sehnsucht nach dem Du den ersten Platz einräume, eine Kultur dafür entwickle, und so das einfache Dasein spüre, ordnen sich viele Dinge des Alltags wie von alleine. Äußerlich sind sie dieselben, doch werde ich unabhängiger vom Umfeld. Es wächst eine andere Selbstverständlichkeit. Sei es, dass Abstand gewonnen wird zu einem Konflikt, der vorher das ganze Team, und so auch mich, lahm zu legen drohte. Sei es, dass eine innere Grenze gegen übermäßigen Druck des Chefs wächst. Sei es, dass Unmut gegenüber lästigen Haushaltspflichten angenommen wird und dann die Pflicht einfach getan – und verteilt – werden kann. Sei es dass ein feiner Unterschied klare Konturen zieht zwischen Leiden und Selbstmitleid.

Die Sehnsucht nach dem Du für wahr halten und pflegen. Eine Zeit absichtslos und zweckfrei für das Du reservieren. Das macht erfolgsunabhängiger. Zugegeben dies klingt annähernd subversiv. Im normalen Leben muss ich schon bevor ein Handgriff getan oder ein Schritt gegangen wird genau begründen können, was es mir bringt, was ich damit erreiche, wie weit ich komme. In der Freizeit, bei Unterbrechungen, muss ich mich wenigstens selbst darstellen, wenn nicht gar beweisen. Und nur was anschließend auseinandergenommen, dokumentiert und bewertet ist, scheint existent.

Es gibt Christen, die vertreten die Position, unsere Religion sei gewissermaßen komprimiert in der Beziehung zum Du, in der aufmerksamen Betrachtung des Namens Jesus Christus. Darin sei unser ganzer Glaube eingewoben. Spannend finde ich an ihnen, dass sie dies nicht lediglich postulieren, sondern tun: Zweckfreie Zeit für das Du pflegen und dabei sehr wirkungsvoll in ihrer Zeit leben. Ein Experiment, das alltagstauglich ist. Ein Experiment, das erfahren lässt wie die unsichtbare Wirklichkeit mein Leben berührt. Amen.
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Fridolin Stier, zitiert nach Eleonore Beck , Mit Psalmen beten, Kath.Bibelwerk 2010

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